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Robot: Uhrmacherkunst aus Tschechien

Robot: Minor Superbike
© PR
Aus unserem Nachbarland kommt eine frische Alternative zu deutschen, schweizerischen und japanischen Luxusuhren: Die junge Marke Robot überzeugt mit qualitativ hochwertiger Mechanik und technisch-verspieltem Design.
Etwas musste Josef Zajíček verärgert haben, denn als er eines Morgens aufwachte, hatte er die Idee, eine Uhrenmarke zu gründen. – Ganz so poetisch, wie es Franz Kafka vielleicht formuliert hätte, war er zwar nicht, der Start der Uhrenmarke Robot, aber die Realität ist dann auch nicht ganz so weit von diesem Satz entfernt. Vor einigen Jahren kam dem tschechischen Unternehmer, der eigentlich aus der Automobilindustrie stammt, zu Ohren, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der nordböhmischen Uhrenmanufaktur Prim in Scharen kündigten. „Einige von ihnen suchten sich neue Jobs bei der Post oder bei Lidl“, erzählt Zajíček. „Ich sagte zu mir, es darf nicht sein, dass damit so viel Erfahrung in der tschechischen Uhrmacherei verlorengeht. Die Leute hatten zum Teil schon 15 Jahre lang für Prim gearbeitet. Vor vier Jahren entschloss ich mich dann dazu, eine eigene Uhrenmarke zu gründen und ehemalige Prim-Mitarbeiter anzustellen.“ Um diese Aussage einordnen zu können, muss man Mehreres wissen: Auf der einen Seite ist Josef Zajíček ein Vollblutunternehmer. Er ist gut vernetzt und erkennt schnell, wenn sich eine vielversprechende Gelegenheit bietet. Er besitzt unter anderem eine Kunststofffabrik, eine Event-Agentur und eine Rennstrecke. Und vor allem besitzt er das Entrepreneur-Gen, um Risiken schnell abzuwägen und dann, wenn er die Chancen als gut bewertet, zu investieren. Auf der anderen Seite hat der Macher eine Mission: Er möchte der Welt zeigen, zu was für hochqualitativen Produkten seine Landsleute imstande sind.
Josef Zajíček mit Rüdiger Bucher vor der Prager Rathausuhr, mit Schlüssel zum Eingang © WatchTime
Die berühmte Prager Rathausuhr von Peter Parler © WatchTime
Letzteres zeigt sich auch in kleinen Gesten. Als ich nach Prag fuhr, um Robot kennenzulernen, hatte Zajíček eine Überraschung für mich parat: Wir gingen ins Innere der weltberühmten Prager Rathausuhr von Peter Parler, zu der normalerweise niemand Zutritt erhält. Dort mussten wir uns eng aneinanderpressen, um dem gewaltigen Uhrwerk nicht in die Quere zu kommen, und konnten beim Blick nach oben sehen, wie die zwölf vom Bildhauer Vojtěch Sucharda gefertigten Apostelfiguren zur vollen Stunde an den beiden Fenstern vorbeiliefen.

Im Herzen der Weltstadt

Danach ging es ein paar Meter weiter zum Robot-Showroom, wo die Marke ihre Uhren ausstellt und verkauft. Gelegen im Franz-Kafka-Geburtshaus in der Maiselová-Straße, nur ein paar Schritte entfernt von der Luxusmeile Pařížská, präsentiert sich Robot dem internationalen wie dem tschechischen Publikum. Letzteres kennt und schätzt die Uhren seit Jahren; der prominent auf allen Zifferblättern prangende Schriftzug „Czech made“ sorgt für Vertrauen und Stolz auf das im eigenen Land Geleistete. Die Marke Robot selbst ist dabei jünger als das Unternehmen: Zajíček taufte seine Uhrenfirma eigentlich „Bohematic“, bekam bald darauf aber Post von der Richemont-Gruppe, die geschützte Modellnamen wie „Baumatic“ und „Bohemia“ besitzt. So wurde aus der Marke Bohematic (das Unternehmen dahinter heißt noch immer so) Robot Watch oder kurz Robot. Auch dieser Begriff hat einen tschechischen Hintergrund: Karel Čapek, einer der bedeutendsten tschechischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, benutzte dieses von seinem Bruder Josef kreierte Wort für eine menschenähnliche Maschine schon 1920 in einem Schauspiel, von wo aus es in verschiedene Sprachen Einzug hielt.
Der Robot-Showroom in Prag © WatchTime
Der Showroom von Robot befindet sich im Franz-Kafka-Haus in Prag © WatchTime
Im Innern des Prager Robot-Showrooms © WatchTime
Ein Roboter, der ein bisschen an eine Ritterrüstung erinnert, lacht uns auch schon von innen entgegen, als wir uns der Tür des Showrooms nähern. Drinnen gibt es einen Empfangstisch, eine Sitzgruppe und mehrere Vitrinen, in denen ein Großteil des Sortiments ausgestellt ist. Während meines Besuchs kommen immer wieder Touristen in die Boutique, angezogen von den auf der Tür angekündigten „Czech-made Watches“. Über ihren Online-Shop Robot-Watch.com hat die Marke bereits in Länder wie Frankreich, Italien, USA und Türkei verkauft, aber der eigentliche Gang ins Ausland beginnt erst jetzt. Deutschland und Österreich sind dabei die ersten Länder außerhalb des Heimatmarktes, die Zajíček erobern will.

So viel wie möglich aus Tschechien

Der Inhaber legt größten Wert auf hohe Qualität. Alle Bestandteile der Uhren kommen aus Europa: Werke und Gehäuse aus der Schweiz; Zeiger, Zifferblätter und Bänder aus dem eigenen Land. Die bisherigen Uhren sind mit Werken von Eterna Movements und La Joux-Perret ausgestattet. Nachdem die Zusammenarbeit mit Ersterem endete, werden bald zwei weiterer Schweizer Lieferanten hinzukommen, die erstklassige Kaliber herstellen, aber noch nicht genannt werden sollen. Bemerkenswert sind auch die von der Prager Manufaktur Sima handgenähten Lederbänder. „Wir kaufen so viel wie möglich in der Tschechischen Republik ein“, sagt Zajíček.
Bedrucken der Zifferblätter bei Robot © Petr Dressler
In der nordböhmischen Kleinstadt Nové Město nad Metují, nordöstlich von Prag und schon nahe der polnischen Grenze gelegen, befindet sich die Produktion von Robot. Der Wahl des Ortes kam nicht von ungefähr: Er ist seit Jahrzehnten der Sitz der 1949 gegründeten Uhrenfabrik Prim, die während der kommunistischen Epoche Alltags-Gebrauchsuhren für die Tschechoslowakei und die anderen Ostblockländer produzierte, etwa 200.000 Stück pro Jahr. Die Uhrmacherinnen und Uhrmacher, die Josef Zajíček nach ihrer Kündigung von Prim übernahm, stammen allesamt aus der Region. Und da Uhrmacher bekanntlich nicht gern umziehen – die Schweizer Luxusmarken können ein Lied davon singen –, ging er mit Robot dorthin.
Werkteile werden bei Robot von Hand graviert © Petr Dressler
Am zweiten Tag meines Aufenthalts besuchten wir das Atelier, in dem fünf Beschäftigte arbeiten. Hier wird konstruiert und designt, poliert und graviert, hier werden Prototypen gebaut sowie Zifferblätter eingefärbt und bedruckt. Robot besitzt sogar eine eigene Galvanik, um Zifferblätter und andere Teile zu veredeln. Alle gelieferten Komponenten werden akribisch untersucht und nachbearbeitet. Sogar die Superluminova bringt man bei Robot von Hand auf – nicht nur auf Zeiger und Indexe, sondern auch in die Löcher des Zifferblatts, um eine nachtleuchtende kleine Sekunde zu bekommen, wie beim Modell Minor. Die Arbeitsschritte reichen von der Konzeption bis zum Einschalen der Werke in die Gehäuse ­sowie den nötigen Tests in Sachen Wasserdichtheit und Ganggenauigkeit.
Robot kann jeden Zeiger individualisieren © Petr Dressler

Fast jedes Teil kann individualisiert werden

Beim Gang durchs Atelier sieht man sofort, was eine der Stärken der Marke ist: die Möglichkeit, praktisch jedes Bauteil zu individualisieren. Das betrifft nicht nur Gravuren. Robot ist auch sehr flexibel, was die Verwendung verschiedener Farben und Materialien angeht. Selbst Zeiger, in die eine Miniaturfigur oder ein Namensschriftzug integriert werden, sind denkbar. Entsprechend fertigt man auch immer wieder Kleinserien und Limited Editions.
Vom Robot: Minor Emerson Fittipaldi © Michael Dvorak
Ein Highlight war für den Autofan Zajíček die Uhr, die er zusammen mit dem ehemaligen Formel-1-Weltmeister Emerson Fittipaldi aufgelegt hat. Auf dem Zifferblatt der auf 100 Exemplare ­limitierten Uhr findet sich Fittipaldis Unterschrift. Die wurde nicht etwa reproduziert: Die Rennfahrlegende hat eigenhändig alle 100 Zifferblätter einzeln mit einem Spezialstift unterschrieben.

Bisher fünf Produktlinien

Robot: Aerodynamic in Metallic-Silber © Michael Dvorak
Die Robot Aerodynamic erinnert an den von 1934 bis 1938 produzierten Tatra T77 © Robot
Derzeit gliedert sich das Angebot in fünf Produktlinien, die im Laufe der Zeit auf acht anwachsen sollen. Bei vielen Modellen gibt es in der Gestaltung Bezüge zu wegweisendem tschechischem Design oder klassischen Automobilen. Das sieht man zum Beispiel bei der Linie Aerodynamic: Auf deren Zifferblatt finden sich acht kreissegmentartig angeordnete Öffnungen, die an Entlüftungsschlitze bei Automobilen erinnern – wie etwa beim 1934 entworfenen Tatra T77, dem ersten in Serie gefertigten Auto mit Stromlinienkarosserie. Eine Linie, die auf ganz andere Weise für das spezielle Robot-Design steht, heißt Minor. Auch hierfür stand ein historisches Auto Pate, nämlich der Sportwagen Minor Sport des tschechoslowakischen Herstellers Aero. Mit ihm erreichten die Fahrer Otto Krattner und František Sutnar beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1949 einen vielbeachteten zweiten Platz hinter dem siegreichen Zwölfzylinder-Ferrari.
Robot: Minor Le Mans Blue © Michael Dvorak
Ein Namensvetter des letztgenannten Fahrers wiederum bildet den Zugang zur dritten Linie namens Graphic Sutnar: Der 1897 in Pilsen geborene Ladislav Sutnar war einer der wichtigsten tschechischen Designer der Zwischenkriegszeit. Als Nazideutschland im Frühjahr 1939 in die Tschechoslowakei einmarschierte und den blühenden jungen Staat zerschlug, entschloss sich Sutnar während seines Auslandsaufenthalts in den USA dazu, nicht mehr in seine Heimat zurückzukehren. In der Uhr finden sich viele Anklänge an sein Schaffen: Seine Präferenz für die Farbe Rot sowie Grundformen wie Kreis, Quadrat und Dreieck bestimmten die Wahl der Zeigerfarbe und die Form der Stundenindexe. Auch im großen, runden Datumsfenster markieren zwei Dreiecke den aktuellen Tag. Die Typografie der aufgesetzten Ziffern wiederum wurde von Sutnar einst für Hausnummern in der New Yorker Bronx entworfen.
Robot: Graphic Sutnar Elephant Blue © Robot
Bezugreiche Details wie diese gibt es auch in den anderen Linien: So ist die Gangreserveindikation der sandgestrahlten Titanuhr Aerodynamic bei zwölf Uhr wie eine Tankanzeige gestaltet, Zeiger und Zifferblatt der regulären Minor erinnern an die Instrumente auf dem Armaturenbrett. Das Zifferblatt ist mit exakt 3462 Nadellöchern perforiert, wobei die inneren größer sind als die äußeren, damit man einen teilweisen Blick auf das Uhrwerk erhält, während die Werkbefestigung außen unsichtbar bleibt. Deutlich schlichter ist die vierte Linie Aplos. Ihr Name kommt aus dem Griechischen und bedeutet „einfach“ oder „schlicht“. Sie bildet mit 2.370 Euro die Einsteigerserie von Robot und beeindruckt durch ihr feines Zifferblattmuster: Es besteht aus vielen winzigen „Tropfen“, die bei näherem Hinsehen den Umrissen des Markenlogos entsprechen. Abgesehen von der Aplos bewegen sich die Preise der regulären Robot-Modelle zwischen 3.000 und gut 6.000 Euro, einzelne limitierte Modelle liegen noch einmal darüber.
Robot: Aplos Grey © Michael Dvorak

Als Nächstes kommt eine Fliegeruhr

Die fünfte und jüngste Linie heißt Graphic Analog: Sie fällt sofort auf durch einen Kranz an großen, breiten Indexen, deren äußeres Feld die Stundenzahlen anzeigt, während sich im inneren Feld die Minuten von 5 bis 55 befinden – mit Ausnahme der 15, dort sitzt das Datumsfenster, das man auf den ersten Blick gar nicht wahrnimmt, das sich aber durch seine Umrandung von den anderen Feldern unterscheidet. Während ich schon die ersten Modelle der Graphic Analog auf dem Uhrenbeweger sehe, arbeitet Josef Zajíček bereits am nächsten Projekt: Eine Fliegeruhr soll es sein, einmal mit und einmal ohne Höhenmesser, aber jeweils mit Bezug zum ehemaligen tschechoslowakischen Flugzeug Albatros. Es ist das erste Modell, das von einem Schweizer Designer konzipiert wurde.
Robot: Graphic Analog Black © Michael Dvorak
Das Beispiel zeigt, wie schnell es bei Robot vorangeht. Um die Marke weiter nach vorn zu bringen, will der Boss auch bekannte internationale Designer engagieren und gleichzeitig die Angebotspalette stetig erweitern. Bald kommt das erste Modell mit Stahlband, und zu den Uhren, die optisch an alte Automobile angelehnt sind, sollen sich weitere Genres gesellen: „Unsere Palette sollte auch Fliegeruhren und Taucheruhren abdecken“, sagt Zajíček, „aber immer mit tschechischer DNA und unter dem Label Czech made.“ buc

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