Daniel Brühl: “Bei Patek Philippe wäre ich gern eingebrochen”
Und dass man sich das Geld für eine Uhr manchmal aus den Rippen schneiden muss?
Ja. Man muss achtgeben auf seine wertvollen Stücke. Für den Fall, dass bei mir eingebrochen wird, habe ich für meine Uhren Spezialverstecke. Kein Einbrecher wird so schlau sein, da nachzusehen. Hoffe ich.

Was wäre denn gewesen, wenn Sie kein Schauspieler geworden wären?
Ich hatte nie wirklich einen Plan B. Vielleicht hätte ich versucht, auf eine Filmhochschule zu gehen, Drehbücher zu schreiben, Regisseur zu werden.
Also in die Fußstapfen Ihres Vaters zu treten?
Genau. Davon war ich schon sehr geprägt. Wenn mein Vater etwas komplett anderes gemacht hätte, wäre ich wohl nicht Schauspieler geworden. Aber so hat sich die Frage nie gestellt. Obwohl – es gab mal so eine Phase, da wollte ich tatsächlich Journalist werden.
Jetzt durften Sie ja Journalist sein: Beim Dreh zu Ihrem neuesten Film „Ich und Kaminski“.
Ja, wobei nicht so einer! Ich habe eine Hochachtung vor jedem, der gut schreiben kann. Ich habe mich auch mal versucht und ein Buch über Barcelona geschrieben, weil der Ullstein Verlag auf mich zu kam. Aus freien Stücken hätte ich mich das gar nicht getraut. Aber als ich gefragt wurde, habe ich es einfach ausprobiert.
Gehen Sie gern in Uhrengeschäfte?
Uhrengeschäfte haben etwas Sakrales, es ist ja fast wie in einer Kirche. Die Stille, alles gedämpft, als wäre die Zeit stehen geblieben; was ich generell mag. In Geschäften, in denen wertvolle Dinge verkauft werden, finde ich es trotzdem toll, wenn die Verkäufer einen nicht gleich kri-tisch beäugen und ihren Vorurteilen freien Lauf lassen. Das fällt mir immer extrem positiv in London auf, allge-mein in England. Da kannst du mit einer schlunzigen Jeans in den Laden gehen – die Leute behandeln dich freundlich, und du wirst professionell bedient. Man sieht nicht das Kopfkino der Verkäufer: Kann der sich das überhaupt leisten? Diese Arroganz und Überheblichkeit können ein echter Abtörner sein.
Sie leben in Barcelona und Berlin. Wie unterschiedlich ist das Zeitempfinden in beiden Städten?
Ich finde beide Städte toll und liebe sie, empfinde sie auch als sehr „gesunde“ Städte, weil sie entschleunigt sind. Ich war in den letzten Jahren beruflich viel unterwegs, viel in London, eine ganze Zeit lang in Paris, in New York, in Shanghai und in Tokio. Dort ist das Tempo ein wahnsinnig hohes. Und in Berlin ist es eigentlich, wenn man erst mal angekommen ist, sehr relaxt. Ich bin ja eigentlich Kölner. Als ich damals ankam, wirkte Berlin auf mich wie eine laute, schrille Metropole. Aber das stimmt eigentlich nicht. Bei mir im Viertel, am Prenzlauer Berg, ist alles Slow Motion. Auch im Zentrum muss man nur mal die großen Straßen verlassen und man ist in einer entschleunigten Welt. Nebenan ist das Café Einstein, das Stammhaus. Da haben wir seinerzeit auch eine Szene von Tarantinos „Inglourious Basterds“ gedreht, weil es innen perfekt erhalten ist. Wenn man drin ist, wähnt man sich in Wien. Da könnte man beispielsweise die Jaeger-LeCoultre anziehen.
Ist Barcelona eine gute Stadt, um Uhren zu kaufen?
Ich war gerade dort, und auf dem Passeig de Gracia – das ist die Prachtmeile, in der sich ein tolles Geschäft ans andere reiht – habe ich einen Antiquitätenladen entdeckt. Der war, wie so oft in Spanien, geschlossen. In dem Schaufenster entdeckte ich eine Patek Philippe, die perfekt erhalten war; vielleicht aus den Fünfzigern. Ich konnte leider nicht erkennen, wie teuer sie war. Vielleicht hätte ich sie mir gar nicht leisten können, aber ich wollte wenigstens mal fragen, wo sie preislich liegt. Antiquitätenläden finde ich eh super. Ich war, wie gesagt, früher oft auf Flohmärkten. Das Herumwühlen, umgeben von alten Dingen, die Geschichte haben, ist immer etwas Schönes.

Sie drehen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Spanien, Frankreich und den USA. Wie wird dabei das Thema Zeit in den einzelnen Ländern definiert?
Das ist eine gute Frage. In Spanien ist das Tempo schon ein wenig langsamer. Lustigerweise wiederholt sich der Spanier gern. Wenn ein Sachverhalt erklärt wird, etwa beim Drehen, sagt der Regisseur das Gleiche in anderen Worten, zwei-, dreimal. Sehr spanisch! Und dadurch geht auch viel Zeit drauf.
Haben Sie, als Sie Niki Lauda in „Rush“ spielten, eine Begeisterung für Geschwindigkeit entdeckt?
Das Schönste an unserem Beruf ist, dass man immer mit Dingen in Berührung kommt und Dinge lernt, die man vorher nicht konnte. Oder dass man in Bereiche tritt, in die man niemals sonst gekommen wäre. Im Zuge von „Rush“ habe ich Kurse im Formel-3-Rennwagen gemacht. Ich fahre schon gern mal zügig. Aber es war trotzdem ein Gefühl, das ich bis dahin nicht kannte, auch nicht vom Gokart-Fahren. Ich habe schon nach der ers-ten Runde kapiert, warum Jungs und Mädels das machen wollen. Es ist irrsinnig schnell, laut, es riecht ganz besonders und hat etwas Klaustrophobisches, weil man eingezwängt ganz dicht über den Asphalt rast, was das Geschwindigkeitsgefühl noch verstärkt.
In „Rush“ haben Sie eine lebende Legende dargestellt, in ihrem neusten Film „Ich und Kaminski“ spielen Sie eine fiktive Figur – den Journalisten Sebastian Zöllner. Welche Arbeit hat Ihren Horizont mehr erweitert?
Beide Figuren haben nicht viel mit mir zu tun. Deswegen war schon allein die Herangehensweise langwierig und komplex. Man musste sich in einen fremden Kopf hineindenken. Bei „Rush“ war es großartig, weil Niki Lauda mich extrem unterstützt hat. Ich hatte eine tolle Coach-Frau, die mir den österreichischen Akzent beigebracht hat. Das war alles zeitintensiv, aber toll. Und so viel Zeit mit einer Rennfahrerlegende zu verbringen, das hat meinen Horizont wirklich extrem erweitert. Mit Niki Lauda einen Männertyp kennenzulernen, der ganz an-ders ist als ich selbst und vielleicht als die meisten, hat mich schwer beeindruckt. Bei „Kaminski“ war die Herausforderung, eine Romanfigur, die schon geschrieben existiert, zu verkörpern und dabei die eigene Kreation zu finden. Das Ganze ging mit einem Regisseur vonstatten, mit dem ich befreundet bin, den ich lange kenne, mit dem ich aber zuletzt bei „Good bye, Lenin!“ gearbeitet hatte! Man kann bei der Zusammenarbeit bei einem ganz anderen Punkt ansetzen als beim ersten Mal und spielt dabei eine gänzlich andere Figur. Das ist witzig, weil dieser Film in eine komplett andere Richtung geht. Diese Arbeit hat mich auch bereichert, es gab großartige Momente. Und ich konnte viel aus meinem eigenen Leben verarbeiten, weil ich in fast 20 Jahren häufig Kontakt mit Journalisten hatte – da waren auch schon drei, vier schräge Kandidaten dabei. Vieles davon konnte ich in die Rolle des Sebastian Zöllner einarbeiten.
Tragen Sie in dieser Rolle eine Filmuhr am Handgelenk oder eine eigene?
Eine Filmuhr. Zöllner ist ja nicht ein Typ, der durch seinen Geschmack besticht. Und deshalb habe ich gleich gesagt: Keine Uhr von mir! Eine schöne Uhr hätte nicht gepasst. Im Film war es jetzt auch nichts Schreckliches – irgendeine unauffällige, läppische Uhr. Er ist ja ein eher ungepflegter Typ; sein Anzug wirkt auch immer leicht speckig. Ich hatte mir sogar überlegt, für die Rolle eine Casio-Digitaluhr anzuziehen. Aber das wäre dann doch too much gewesen.
Fragen: Elmar Schalk & Nina Bauer
Fotos: Nina Bauer