Interview: Jörg Schauer über 90 Jahre Stowa

Der Stowa-Inhaber über Vergangenheit und Zukunft seiner Marke

Der Pforzheimer Uhrenhersteller Stowa wird 90 Jahre alt. Seit 1996 gehört die Marke dem Goldschmied und Uhrenbauer Jörg Schauer. Rüdiger Bucher sprach mit ihm über das Design seiner Uhren und welchen Einfluss die historischen Stowa-Modelle darauf nehmen.

Jörg Schauer setzt für seine Marke Stowa auf gutes Design, gute Preise und Individualisierungen
Jörg Schauer setzt für seine Marke Stowa auf gutes Design, gute Preise und Individualisierungen

Herr Schauer, Stowa ist 90 Jahre alt. Sie haben die Marke 1996 vom Sohn des Gründers gekauft. Welche Rolle spielt die Historie der Marke für die heutigen Produkte?
Stowa hat einfache, aber schöne Uhren gebaut. Keine großen Komplikationen, aber Uhren, die ansprechend designt waren, gut ablesbar und das zu einem guten Preis. Diesem Erbe fühle ich mich verpflichtet. Zum Erbe zähle ich aber nicht nur die Modelle von früher. Dazu gehört auch ein spezieller Geist, der für dieses Unternehmens typisch ist.

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Was meinen Sie damit?
Zum Beispiel unsere Herkunft aus dem Schwarzwald. Stowa ist bodenständig und authentisch. Dazu gehört auch die Tatsache, dass wir eine Manufaktur sind.

Der Begriff „Manufaktur“ wird meist für Uhrenmarken verwendet, die eigene Werke entwickeln und fertigen. Das tun Sie nicht. 
Nein, wir verstehen den Begriff „Manufaktur“ im Hinblick auf die handwerklichen Leistungen, die wir anbieten. Zum einen schalen unsere Uhrmacher nicht nur Werke in Gehäuse ein; sie nehmen teilweise auch Umbauten vor, indem sie sie etwa mit speziellen Brücken versehen. Zum anderen, und das ist noch wichtiger, bieten wir individuelle Gravuren an, die unsere Goldschmiede an verschiedenen Teilen der Uhr vornehmen: Auf Wunsch können sich unsere Kunden das Gehäuse, den Rotor, das Federhaus oder die Schließe mit einem Schriftzug oder einem Logo individualisieren lassen. Und natürlich bedrucken wir auch das Zifferblatt.

Stowa: Die Flieger 36 mit "Old Radium"-Leuchtmasse ist eine von mehreren auf 90 Exemplare limitierten Jubiläumsuhren
Stowa: Die Flieger 36 mit “Old Radium”-Leuchtmasse ist eine von mehreren auf 90 Exemplare limitierten Jubiläumsuhren

Wird das angenommen?
Ja, und zwar immer mehr. Inzwischen individualisieren wir fast jede dritte Uhr. Manche Kunden schicken uns sogar komplett gestaltete Grafiken. Und wir bieten das nicht erst ab einer gewissen Stückzahl an, sondern schon für eine einzige Uhr. Dabei ist das Ganze sehr günstig: Eine Lasergravur auf dem Rotor etwa kostet zwischen 49 und 69 Euro, eine Gehäusegravur 79 Euro.

Einen Raum Ihres Firmengebäudes nutzen Sie für ein Museum. Was für Uhren kann man da sehen?
Im Museum findet man einen Querschnitt von allem, was Stowa gemacht hat. Von den über 500 alten Stowa-Uhren, die ich im Laufe der Jahre angekauft habe, habe ich rund 75 ausgestellt. Anhand der Auswahl sieht man sehr schön, dass Stowa über die Jahrzehnte hinweg ununterbrochen gefertigt hat – es gibt aus jedem Zeitabschnitt etwas zu sehen. Darüber hinaus konzentriere ich mich auf gut erhaltene Stücke. Manche sind sogar noch im Originalzustand mitsamt Preisetikett. Wenn ich aber von einer Uhr, die ich wichtig finde, nur ein schlecht erhaltenes Exemplar besitze, stelle ich auch das aus. Mir ist es wichtiger, den Originalzustand zu zeigen, als alte Uhren aufzuarbeiten.

Im Stowa-Museum stellt Schauer 75 historische Modelle aus
Im Stowa-Museum stellt Schauer 75 historische Modelle aus

Anfang bis Mitte des vorigen Jahrhunderts fühlten sich die Uhrenhersteller noch nicht so der Markenidee verpflichtet wie heute. Die meisten wollten ihren Kunden einfach eine möglichst große Auswahl bieten. Wie war das bei Stowa?
Stowa hat ganz unterschiedliche Uhren gebaut, aber alle auf ihre Weise besonders schön. Damals gab es noch keine spezialisierten Uhrendesigner wie heute. Sondern ein Hersteller wie Stowa bekam zum Beispiel vom Zifferblatthersteller verschiedene Muster vorgelegt und konnte sich dann für die eine oder andere Variante entscheiden. Genauso bei Gehäusen und Bändern. Und Walter Storz wie auch später sein Sohn Werner, die Besitzer von Stowa, hatten einfach einen guten Geschmack und haben Uhren zusammengestellt, die besonders gut aussahen und sich dementsprechend gut verkauften.

Im Zweiten Weltkrieg war Stowa einer von fünf Herstellern, die die deutsche Wehrmacht mit Beobachtungsarmbanduhren beliefert haben – neben A. Lange & Söhne, IWC, Laco und Wempe. Wie kam es dazu?
Dabei spielte sicher auch die Größe der Firma eine Rolle. In Pforzheim gehörten Stowa und Laco zu den größten Uhrenherstellern. Ein Beispiel: Gegen Ende des Krieges erhielt Stowa noch einen Zusatzauftrag über 2.000 Taschenuhren. Eine kleinere Firma wäre damit überfordert gewesen.

Stowa: Historische Flieger-Beobachtungsuhr Baumuster A aus dem Zweiten Weltkrieg
Stowa: Historische Flieger-Beobachtungsuhr Baumuster A aus dem Zweiten Weltkrieg

Die B-Uhren waren groß und markant. Es gab zwei verschiedene Zifferblattvarianten.
1940 ging es los mit dem sogenannten Baumuster A: ein gut ablesbares Blatt mit arabischen Stundenziffern und einem zentralen Sekundenzeiger. 1942 folgte das Baumuster B: Bei ihm spielten die Minutenziffern die Hauptrolle, die ja für den Piloten beim Navigieren die wichtigeren sind. Die Stundenziffern setzte man in den kleineren Mittelkreis. Von der 55 Millimeter großen Fliegeruhr Baumuster B hat Stowa nur 42 Stück gebaut; sie ist damit unter den deutschen B-Uhren mit die seltenste. Ich habe selbst jahrelang suchen müssen, um eine fürs Museum zu erwerben.

Diese Uhren hatten damals kein Markenlogo auf dem Zifferblatt. Ein Feature, das Sie für viele Ihrer heutigen Fliegeruhren aufgenommen haben.
Das war ein gewisses Risiko. Ich kenne viele Leute aus der Werbung, die mir alle abgeraten haben, weil sie sagten, die Marke gehöre aufs Zifferblatt. Ich hielt die Variante ohne Logo aber für authentischer. Außerdem kann ein Logo durchaus auch das Design stören. Gerade unsere Fliegeruhren ohne Logo sind besonders beliebt und zählen zu unseren Bestsellern. Einige Mitbewerber haben die Idee daraufhin aufgegriffen.

Stowa: Das Design der aktuellen Flieger Baumuster B entspricht dem historischen Vorbild
Stowa: Das Design der aktuellen Flieger Baumuster B entspricht dem historischen Vorbild

Sie sagen, ein Logo kann das Design stören. Wie sehen Sie das mit dem Datum? Das stört doch eigentlich auch oft.
Vom Designstandpunkt her ist ein Datum grundsätzlich schwer zu integrieren. Wir bieten Uhren mit Datum wie ohne Datum an, und meist bestellen die Kunden die Variante mit Datum. Eine Ausnahme bilden die Fliegeruhren. Mir persönlich gefallen oft Uhren ohne Datum besser. Aber da das Datum für viele Kunden ein wichtiges Kriterium ist, biete ich es selbstverständlich an.

Seit einigen Jahren arbeiten Sie mit dem ehemaligen Apple-Designer Hartmut Esslinger zusammen. Wie hat sich das ergeben?
Wir sind beide in Altensteig im Nordschwarzwald geboren. Er war mir seit jeher ein Begriff, und ich wusste, dass er Anfang der Neunziger für Junghans gearbeitet hat. Vor ein paar Jahren habe ich ihn angeschrieben, wir haben uns getroffen, und danach haben wir immer wieder miteinander über Uhren und den Uhrenmarkt gesprochen. Ihm fiel auf, dass viele Hersteller sehr stark auf Retro setzen. In diesem Zusammenhang fiel auch der Begriff „Retro-Falle“. Er hat sich dann unserer Linie Antea angenommen.

Jörg Schauer arbeitet seit einigen Jahren mit dem ehemaligen Apple-Designer Hartmut Esslinger zusammen
Jörg Schauer arbeitet seit einigen Jahren mit dem ehemaligen Apple-Designer Hartmut Esslinger zusammen

Wegen der Antea hatten Sie vor Jahren eine Auseinandersetzung mit Nomos.
Das Design der Antea stammt aus den dreißiger Jahren, das war 1936 oder 1937. Zifferblätter wie diese gab es damals bei verschiedenen Herstellern, darunter A. Lange & Söhne und eben Stowa. Auch Omega, Tissot und Longines hatten in den dreißiger Jahren ähnliche Zifferblätter. Nomos nutzt für sein Design nur die geraden arabischen Ziffern, wir dagegen zeigen alle, das macht heute den Unterschied aus. Trotzdem gibt es viele Menschen, die die Geschichte nicht kennen und denken, wir hätten Nomos kopiert.

Was hat Esslinger dann mit der Antea gemacht? 
Er hat aus ihr die Antea back to bauhaus entwickelt. Der entscheidende Unterschied zur Antea ist dabei die Typografie der arabischen Ziffern. Esslinger nahm eine Schrift, die ursprünglich um 1927 vom Grafikdesigner und Bauhaus-Lehrer Herbert Bayer entwickelt wurde und sogar „Bauhaus“ hieß. Ihr Grundschnitt wurde in den siebziger Jahren von den Schriftgestaltern Ed Benguiat und Victor Caruso überarbeitet. Diese überarbeitete Typografie namens Bauhaus STD hat Esslinger für die Antea back to bauhaus genommen.

Stowa: Antea back to bauhaus
Stowa: Antea back to bauhaus

Was bei der Antea back to bauhaus besonders auffällt, sind die Farben. 
Auch um die Farben hat sich Hartmut Esslinger intensiv gekümmert. Er hat ein Faible für Pastelltöne. Vor allem mag er Pink. Daneben gibt es dieses Grasgrün, das helle Blau, das gut zu Jeanstönen passt, und ein helles Braun. Bei allen Varianten sind die Datumsscheiben in der gleichen Farbe gehalten wie das Zifferblatt. Damit die Farben genauso aussehen, wie sie aussehen sollen, werden sie auf Zifferblätter lackiert, die vorher weiß lackiert worden sind.

Welche Einflüsse hat das Arbeiten mit Esslinger auf Sie und Stowa ausgeübt?
Esslinger setzt auf rundere Formen. Das sieht man bei der Flieger DIN Professional, deren bionisches Design mit der Sinuskurven-Lünette der Natur nachempfunden ist. Die Idee hinter der Uhr war es, in ein technisches Produkt organische Formen einzubringen. Auch bei unserem ersten gemeinsamen Projekt, der Rana, ging es darum, der Retro-Falle zu entgehen und eine zukunftsweisende Uhr zu gestalten. Zuletzt habe ich mit Hartmut Esslinger eine neue Verpackung entworfen. Die Box besteht aus MDF-Holz mit vier massiven Ecken, die unseren Slogan “Gut. Schön. Wahr.” symbolisieren, wobei die vierte Ecke für den Schwarzwald steht. Die Verpackung wird komplett im Schwarzwald produziert.

Stowa: Die Antea back to bauhaus gibt es auch in vier verschiedenen Pastellfarben
Stowa: Die Antea back to bauhaus gibt es auch in vier verschiedenen Pastellfarben

Gibt es schon Pläne für zukünftige Projekte mit Esslinger?
Im Moment arbeiten wir noch nicht an einem konkreten Projekt, aber wir tauschen uns regelmäßig aus. Ich könnte mir vorstellen, mit ihm zusammen etwas im Bereich Marine-Uhr zu machen und dieses Design auf die nächste Stufe zu bringen.

Was bringen Sie im Jubiläumsjahr?
Es gibt verschiedene Fliegeruhren in limitierter Auflage. Das Besondere ist die Leuchtmasse im Vintage-Stil. Die Uhren gibt es in verschiedenen Größen, mit und ohne Datum. Jede Uhr ist weltweit auf 90 Stück limitiert, einige sind bereits ausverkauft. Highlight ist die Uhr mit Durowe-Werk, von der es 250 Exemplare gibt – eine Anspielung auf 250 Jahre Goldstadt Pforzheim.

Stowa: Vom Jubiläumsmodell Marine Automatik Blue Limited werden 250 Stück gebaut
Stowa: Vom Jubiläumsmodell Marine Automatik Blue Limited werden 250 Stück gebaut

Was hat es mit dem Durowe-Werk auf sich?
Durowe, die Deutsche Uhrenrohwerkefabrik, wurde in den dreißiger Jahren von Ludwig Hummel, dem Gründer von Laco, ins Leben gerufen. In den Fünfzigern verkaufte er die Firma an Timex, die sie ein Jahrzehnt später an die Eta weiterverkaufte, die dann den Standort Pforzheim schloss. Nachdem ich mich 1990 selbstständig gemacht hatte, kaufte ich aus allen möglichen Quellen Werke ein. Ich bin ja gelernter Goldschmied und habe damals vor allem Gehäuse und Kronen für alte Werke gebaut, so ist das alles entstanden. Auch Durowe-Werke waren dabei. Dadurch habe ich immer mehr mit Durowe beschäftigt.

Sie haben 2002 den Markennamen gekauft. Hatten Sie vor, eigene Werke zu produzieren?
Vor gut zehn Jahren hatte ich die Idee, für ein altes Durowe-Werk eigene Brücken zu bauen und in der Folge vielleicht ein eigenes Uhrwerk zu entwickeln. Das hätte dann den Namen Durowe getragen.

Die Kosten hätten Sie aber kaum amortisieren können.
Es gab einige potenzielle Investoren, die sehr daran interessiert waren. Aber mir wurde bald klar, dass das nicht wirklich funktioniert hätte, weil wir niemals auf die nötigen Stückzahlen gekommen wären, um ein eigenes Uhrwerk preisgünstig anzubieten. Ich hätte eigene Werke in kleineren Stückzahlen machen können, ein paar Tausend Stück im Jahr. Aber dann hätte ich die Uhren zu einem Preis verkaufen müssen, der weit oberhalb des bekannten Stowa-Niveaus liegt.

Im 2013 eröffneten Firmengebäude werden Uhren produziert, repariert und mit individuellen Gravuren versehen
Im 2013 eröffneten Firmengebäude werden Uhren produziert, repariert und mit individuellen Gravuren versehen

Was kommt nach den Jubiläumsuhren?
Das nächste Projekt wird bedeutend moderner ausfallen. Ich möchte auch jüngere Leute für Stowa begeistern, und da spielt der Preis eine wichtige Rolle. Ich will, dass jemand, der pro Monat 50 Euro zur Seite legt, sich nach einem Jahr eine Stowa leisten kann. Also muss ich Uhren ab 600 Euro anbieten.

Wird die neue Uhr eine Fliegeruhr sein?
Ja. Es soll eine richtig gute Alltags-Gebrauchsuhr sein, mit Leuchtzeigern, Datum, hoher Wasserdichtheit. Und vom Design her soll sie eine typische Stowa sein. buc
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