Interview: Wilhelm Schmid, CEO von A. Lange & Söhne

"Walter Lange war die Seele der Marke"

In Glashütte wird gefeiert: Vor 175 Jahren begann die Feinuhrenfertigung in dem Erzgebirgsstädtchen, die mit dem Namen Ferdinand Adolph Lange verbunden ist. Und vor 30 Jahren gründete dessen Urenkel Walter Lange die Marke A. Lange & Söhne neu. Aus diesem Grund enthüllten Marke und Stadt am 18. September ein Denkmal für Walter Lange. Über so viel Tradition – und was sie für uns heute bedeutet, sprach Rüdiger Bucher mit Lange-CEO Wilhelm Schmid.

Wilhelm Schmid, CEO von A. Lange & Söhne
Wilhelm Schmid, CEO von A. Lange & Söhne (Bild: Erik Gross)

1845 begründete Ferdinand Adolph Lange die Uhrmacherei in Glashütte und in der Folge sein eigenes Unternehmen, A. Lange & Söhne. Inwieweit ist er für uns heute noch wichtig? Glashütte wäre heute nicht das Zentrum der deutschen Uhrmacherkunst, wenn nicht Ferdinand Adolph Lange 1845 eine Uhrmacherschule – und daraus erwachsend seine Firma – gegründet und damit nachhaltig Erfolg gehabt hätte. Einen Erfolg, der nicht nur seiner eigenen Marke zugutekam, sondern der die Stadt Glashütte zum Uhrenstandort gemacht hat. Das Talent und den Willen, Uhren zu bauen, hat die Familie Lange gepflegt, bis sie nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet wurde. Beides zeichnet die Marke bis heute aus und hat somit Kriege, Rezessionen und Kommunismus überlebt.

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1991: Günter Blümlein und Walter Lange am Denkmal für Ferdinand Adolph Lange
1991: Günter Blümlein und Walter Lange am Denkmal für Ferdinand Adolph Lange

Welche Eigenschaften dienen Ihnen heute als Inspiration, wenn Sie die Marke A. Lange & Söhne führen? Auch wenn wir rechtlich gesehen kein Familienunternehmen sind, verhalten wir uns doch in vielen Fällen wie eines. Wir sind standortverbunden und agieren gleichzeitig global. Zugleich nehmen wir als Deutsche in der durch die Schweiz geprägten Uhrenwelt eine Sonderrolle ein, die dazu führt, dass wir uns besonders beweisen müssen. Daraus resultiert unsere Mission des „Never stand still“. In ihr drücken sich die Eigenschaften aus, die Ferdinand Adolph Lange, seine Söhne und schließlich Walter Lange (der Enkel des Firmengründers und Neugründer der Marke 1990, d. Red.) und Günter Blümlein (der erste Geschäftsführer der Lange Uhren GmbH und ihr Macher in den 1990er Jahren, d. Red.) in dieser Firma verankert haben und die bis heute weiterleben.

Wofür steht der Claim „Never stand still“? Für das Bemühen, die Dinge jeden Tag ein bisschen besser zu machen als am Vortag, durch alle Bereiche hinweg. Das gilt zum Beispiel auch für interne Arbeitsabläufe: Sie sind prinzipiell festgelegt, werden aber von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand gestellt und, falls nötig, verbessert.

Wie sieht so etwas konkret aus? Um ein Beispiel zu nennen: Wir geben bestimmte Arbeitsschritte vor, erwarten von unseren Mitarbeitern aber, dass sie uns darauf aufmerksam machen, wenn sie einen besseren Weg gefunden haben. Diese Erkenntnis wird dann mit allen geteilt und ersetzt künftig das Bisherige. Das ist ein Teil unserer Unternehmenskultur.

Inwieweit lassen sich die heutigen Uhrmacher und Konstrukteure von A. Lange & Söhne durch sein Schaffen inspirieren? Natürlich tun wir heute Dinge, die damals undenkbar gewesen wären. Aber es kommt schon mal vor, dass wir unsere historischen Uhren anschauen und uns etwa bei bestimmten Dekorationen fragen, ob man das auch heute so umsetzen könnte. Ein Beispiel ist die Veredelung unserer drei Jubiläumsuhren mit ihren gekörnten Brücken und Kloben. Diese granulare Oberfläche, die wir anstelle der klassischen Perlage aufbringen ist inspiriert von der ehemaligen „Qualität Lange 1 A“. So etwas tun wir aber nur in besonderen Fällen, denn die Bearbeitung ist sehr aufwändig und die Oberflächen äußerst anfällig gegen Kratzer.

Sie sprechen von den Jubiläumsuhren zur Feier von 175 Jahren Uhrmacherei in Glashütte. Warum haben Sie sich für so unterschiedliche Modelle wie eine Zweizeigeruhr, für einen Schleppzeigerchronographen und für eine große Komplikation entschieden? Dass die Uhren ansonsten so verschieden sind, liegt daran, dass wir ganz unterschiedliche Arten von Sammlern haben und jedem etwas anbieten wollen, denn nicht jeder hat die gleichen finanziellen Möglichkeiten. Bei jeder Uhr finden Sie etwas Neuartiges: Bei der Zweizeigeruhr 1815 Thin ist es die Kombination aus Emailzifferblatt und flachem Gehäuse. Die 1815 Rattrapante ist die unser erster Schleppzeigerchronograph, bei dem diese Komplikation also in Reinkultur vorhanden ist, der also nicht über eine weitere Funktion verfügt. Und der Tourbograph Perpetual besticht durch ein Zifferblatt, das an Komplexität und dreidimensionaler Wirkung seinesgleichen sucht.

A. Lange & Söhne: Tourbograph Perpetual Honeygold "Homage to F. A. Lange"
A. Lange & Söhne: 1815 Rattrapante Honeygold "Homage to F. A. Lange": Für den Schleppzeigerchronographen hat Lange ein neues Manufakturwerk entwickelt: das Kaliber L101.2 mit Handaufzug. Es sorgt dafür, dass man mit dem Chronographen Zwischenzeiten stoppen kann.

Sie haben dieses Zifferblatt in der Manufaktur selbst gefertigt. Wie kam es dazu? Als die Coronakrise im Frühjahr 2020 begann, konnte unser Zulieferer nichts produzieren. So waren wir gezwungen, das selbst zu machen. Die Idee hatten wir bereits: ein Zifferblatt, das genau wie das Gehäuse aus Honiggold besteht, wobei die Ziffern und Appliken nicht aufgesetzt sind, sondern aus dem Material herauskommen. Das Zifferblatt selbst ist schwarzrhodiniert, das ergibt einen tollen Kontrast und eine eindrucksvolle Dreidimensionalität. Die Zweizeigeruhr mit einem zweiteiligen Emailzifferblatt ist eine Verneigung vor einer klassischen Taschenuhr, kommt aber in einem sehr flachen Gehäuse und mit 72 Stunden Gangreserve – sie ist also in allen anderen Bereichen sehr modern. Ich finde, die Schönheit dieser Uhr liegt genau in diesem Spannungsfeld. Diese Uhr hat mich überrascht und begeistert, als ich sie zum ersten Mal an den Arm gelegt habe. Gerade eine Zweizeigeruhr ist eine Herausforderung für jeden Designer, weil er nicht viele Möglichkeiten hat.

Von A. Lange & Söhne selbst gefertigt: das Zifferblatt des Tourbograph Perpetual Honeygold
Von A. Lange & Söhne selbst gefertigt: das Zifferblatt des Tourbograph Perpetual Honeygold

Alle Uhren gemein ist das Gehäuse aus Honiggold. Was sind seine Vorzüge? Da ist zum einen die wunderbar changierende Farbe. Je nachdem, ob sie sie in natürlichem oder künstlichem Licht sehen, bewegt sich der Farbton zwischen Weißgold und einem sehr leichten Rotgold. Das ist faszinierend zu sehen und macht die Uhr sehr wertig. Und dann ist die Legierung sehr hart und damit besser vor Kratzern geschützt – aber auch entsprechend schwer zu bearbeiten. Nicht nur bei der Herstellung, sondern auch später im Service, wo wir etwa in einer Argonatmosphäre lasern müssen. Daher verwenden wir Honiggold nur für limitierte Modelle.

Am 18. September wurde im Beisein von Glashüttes Bürgermeister Markus Dreßler das Denkmal für Walter Lange enthüllt. Was ist seine bleibende Leistung? Walter Lange hat 1990 die Firma seines Urgroßvaters neu gegründet und damit, zusammen mit Günter Blümlein, die Marke A. Lange & Söhne wieder ins Leben gerufen. Ohne diesen Neubeginn wäre Glashütte heute nicht, was es ist. Er war bis zum Schluss die Seele der Marke und es ist ihm gelungen, diese Seele und die Werte, für die er stand, dauerhaft in der Firma zu etablieren.

Denkmal für Walter Lange an der evangelischen Stadtkirche St. Wolfgang in Glashütte
Lange-CEO Wilhelm Schmid spricht anlässlich der Einweihung des Denkmals für Walter Lange in Glashütte am 18. September 2020
Blickachse: Das Standbild Walter Langes "schaut" auf seinen Urgroßvater F. A.Lange

Welche Werte sind das? Dass wir jedes Jahr neue Auszubildende aufnehmen. Dass man nicht nur an Umsatz denkt, sondern auch an die Menschen. Dass wir eine Vorstellung davon haben, wie die Uhrmacherei in 20 Jahren aussehen soll. Diese Dinge, die er immer eingefordert hat, sind ein Teil unserer Unternehmenskultur geworden.

An was soll das Denkmal die Bewohner und Besucher Glashüttes erinnern? Dass Glashütte die Heimat der Uhrmacherei in Deutschland ist. Dass der Einzelne sehr wohl Einfluss auf den Zustand und die Zukunft so einer Stadt nehmen kann. Und dass die Geschichte, die von der Familie Lange und auch von vielen anderen begonnen wurde, gut weitergeschrieben wird.

Worauf haben Sie bei dem Denkmal besonders geachtet? Wir wollten keine Büste, wie es sie von Ferdinand Adolph Lange gibt, und auch kein Standbild auf einem Sockel. Sondern etwas, das besser zu Walter Lange passt. So kam es zu einer lebensgroßen Abbildung eines leicht schreitenden Walter Lange, der den Menschen auf Augenhöhe begegnet und ihnen die Hand reicht. Und das bildet ihn so ab, wie er war: bodenständig, nicht abgehoben und auf andere zugehend. Und der Künstler, der Hamburger Bildhauer Thomas Jastram, hat die Charaktereigenschaften Walter Langes auf seine Art interpretiert, ohne dabei zwingend eine hundertprozentig fotogetreue Abbildung von Walter Lange zu machen.

Making of: Bildhauer Thomas Jastram kreierte die Bronzestatue von Walter Lange
Making of: Bildhauer Thomas Jastram kreierte die Bronzestatue von Walter Lange

Ist das Denkmal im Auftrag der Stadt oder der Marke entstanden? Das Denkmal ist ein Gemeinschaftsprojekt von beiden. Ohne die Stadt wäre es nicht möglich gewesen, es außerhalb unseres Firmengeländes, aufzustellen. Das aber fanden wir passend, weil für Walter Lange die Stadt Glashütte als Ganzes immer mindestens so wichtig war wie die Marke A. Lange & Söhne. Der Ort für das Denkmal ist der Platz vor der Kirche – die Walter Lange sehr am Herzen lag und die er privat unterstützt hat –, nicht weit weg von der Büste seines Urgroßvaters.

Fragen: Rüdiger Bucher

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Produkt: UHREN-MAGAZIN 4/2020
UHREN-MAGAZIN 4/2020
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