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Die Kultuhr Grand Seiko

Grand Seiko Constant-Force Tourbillon Kodo
© Grand Seiko
Ein halbes Jahrhundert lang war die Luxusuhrenserie Grand Seiko nur in Japan erhältlich. Mittlerweile gibt es sie auch bei uns – zum Beispiel in der Seiko-Boutique in Frankfurt. Und in Hamburg haben die Japaner ebenfalls eine Boutique eröffnet. Was den Reiz der Grand-Seiko-Modelle ausmacht und wieso die Uhr Kult ist, erfahren Sie im folgenden Artikel von Joe Thompson, erschienen in unserem Schwestermagazin Watchtime USA.
Kurz nach einer Recherchereise nach Japan vor einigen Jahren, traf ich in der Schweiz den CEO einer bekannten Schweizer Uhrenmarke. Als das Thema japanische Uhren zur Sprache kam, sagte er spontan: „Seiko fertigt die beste mechanische Uhr der Welt. Ich sage es nicht gern, aber es ist so.“ Er meinte die Grand Seiko. Zwei Tage später unterhielt ich mich mit dem technischen Leiter eines anderen Schweizer Uhrenherstellers über meine Reise, und auch er sagte ganz spontan: „Zu gerne hätte ich eine Grand Seiko.“ Inoffiziell sind solche ketzerischen Äußerungen in der Schweiz, dem Mekka der mechanischen Uhrmacherkunst, nicht selten zu hören. Immer wieder spricht dort jemand ganz offen seine Bewunderung für eine Uhr aus, die eigentlich ein Paradox ist: eine teure, in kleiner Auflage gefertigte mechanische Uhr in Chronometerqualität, die vom weltweit berühmtesten Quarzuhrenhersteller produziert wird.
Ein weiterer Grund ist ihre Seltenheit. Seiko fertigt kaum genügend Exemplare für Japan und ein paar weitere asiatische Märkte. Doch der wichtigste Grund für ihren Kultstatus ist ihre Leistung: Jedes Exemplar durchläuft eine ganze Reihe von Tests, die strenger sind als die der offiziellen Schweizer Chronometerprüfstelle COSC. Seiko nennt diese – selbst durchgeführten – Tests Grand Seiko Inspection Standard. Die Uhrenmarke selbst behauptet nicht wörtlich, dass diese Zeitmesser besser seien als Schweizer Uhren. Aber es gibt nicht wenige Uhrensammler, die sich auf einer Japan-Reise eine Grand Seiko kaufen und sie dann auf verschiedenen Uhren-Websites beschreiben, wie toll sie sie finden.

Grand Seiko ist auf der ganzen Welt begehrt – und mittlerweile auch erhältlich

Mittlerweile müssen Uhrenliebhaber aus westlichen Ländern nicht mehr nach Asien reisen, um das Objekt der Begierde zu bekommen. 2010 brach Seiko mit einem halben Jahrhundert Tradition und verkündete, dass das Unternehmen die Grand Seiko fortan international auf 20 Märkten anbieten würde. In Deutschland ist die Linie aktuell in Aachen, Berlin, Düsseldorf und München erhältlich. Uhrenliebhaber können die Modelle natürlich auch in der im Juni 2015 eröffneten Seiko-Boutique in Frankfurt ans Handgelenk legen und kaufen. Neben Modellen der Baureihen Automatic, Automatic GMT, Prospex und Hi-Beat 36.000 werden auch verschiedene Sondermodelle angeboten.
Die Entscheidung, die Grand Seiko international zu vertreiben, ist der letzte Schritt in Seikos zehnjährigem Bestreben, das Image der Uhrenmarke zu verbessern, indem man auch beim Luxusuhrenbau Kompetenz beweist. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen zu dieser Strategie. „An der Grand Seiko gibt es nur eines zu bemängeln“, sagte der Schweizer CEO, der sie so bewunderte, „ihr Name!“ Denn Uhrenkäufer außerhalb Japan würden seiner Meinung nach trotz aller technischer Vorzüge nur ungern 4.000 Euro und mehr für eine Seiko in Stahl bezahlen.

Seiko steht für erstaunliche Vielfalt und für erstaunliches Know-how

Die Tatsache, dass Seiko mechanische Uhren in Chronometerqualität herstellt, wird viele überraschen, die wissen, dass das Unternehmen im Jahr 1969 die Quarzrevolution startete und darin die führende Rolle spielte. Doch Seiko beherrscht weitaus mehr als die Quarztechnik. Mit Stolz stellt die Seiko Watch Corporation fest, sie sei der weltweit einzige Uhrenhersteller, der vier verschiedene Techniken zur Zeitmessung beherrsche: Mechanik, Quarz, Kinetic und Spring-Drive – wobei die beiden letztgenannten Hybridantriebe ausschließlich von Seiko angewandt werden.
Bei der von Seiko entwickelten Spring-Drive-Technik wird die klassische Hemmung mit Unruh, Anker und Ankerrad durch ein komplexes System aus Quarzkristall, Induktionsspule, Schaltkreis und Gleitrad ersetzt. Das Gleitrad dreht sich kontinuierlich in nur eine Richtung und lässt den Sekundenzeiger fließend statt ruckend laufen. Die Reibung im mechanischen Teil des Werkes wird durch die gleichmäßige Bewegung des Rades so stark minimiert, dass kaum noch Gangabweichungen messbar sind.
Seiko blickt auf eine lange Geschichte als Hersteller von mechanischen Uhren zurück, und heute ist die gigantische Seiko Group eine Manufaktur für mechanische Uhren mit einer Fertigungstiefe von 100 Prozent. Sie stellt mechanische Uhren im gesamten Preisspektrum her, angefangen von preisgünstigen, massenproduzierten Automatikuhren namens Seiko 5 bis hin zur Grand Seiko. Seiko fertigt sämtliche Komponenten und Werke selbst. Die auf der Baselworld 2015 vorgestellte Grand Seiko 62GS (im Bild oben) erinnert an die erste Automatikuhr von Seiko, die vor 50 Jahren erschien.

Die erste japanische Armbanduhr – Vorgeschichte der Grand Seiko

Die Geschichte des Uhrenhersteller Seiko, und damit auch die von Grand Seiko, beginnt 1877. Damals eröffnete Kintaro Hattori mit 18 Jahren sein erstes Uhrmachergeschäft in Tokio, 1881 kam der Handel von gebrauchten Taschenuhren dazu. 1892 folgte ein weiterer Aufkauf, Hattori übernahm eine alte Glasfabrik – geboren war das Seikosha-Werk. Drei Jahre später, 1895, begann Seiko an diesem Standort mit der Fertigung von mechanischen (Taschen-)Uhren. 1913 kam die Laurel, die erste in Japan gefertigte Armbanduhr, die gleichzeitig Seikos erste Armbanduhr war. Die meisten Schweizer Uhrenmanufakturen dagegen, begannen nicht vor Ende des Ersten Weltkriegs mit der Armbanduhrenproduktion. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen gibt Seiko seinen Produkten seit jeher englische Namen. Es ist anzunehmen, dass der Firmengründer Kintaro Hattori bereits künftige Exporte im Sinn hatte.
Die Laurel enthielt höchstwahrscheinlich Komponenten, die vollständig von Seiko selbst gefertigt wurden. Bereits 1913 produzierte Seikosha, wie das Unternehmen damals genannt wurde, seine eigenen Spiralfedern und emaillierte Zifferblätter. Die erste Uhr mit der Markenbezeichnung „Seiko“ war eine 1924 vorgestellte Armbanduhr mit kleiner Sekunde bei der Sechs. 1937 eröffnete Seiko eine zweite Fabrik namens Daini Seikosha (wörtlich „Zweite Seikosha“), ausschließlich für die Uhrenproduktion.

Die 50er-Jahre: Grand Seiko entsteht

Durch den Zweiten Weltkrieg wurde Seikos Uhrenentwicklung und -fertigung stark beeinträchtigt. Die Produktion des Unternehmens konzentrierte sich während des Krieges auf Produkte für das Militär. Nach dem Krieg erholte sich die japanische Uhrenindustrie nur langsam, und erst 1954 erreichte Seiko wieder das Niveau seiner Vorkriegsproduktion von 100.000 Uhren pro Monat. Mitte der fünfziger Jahre jedoch startete das Unternehmen ein Programm, um sein uhrmacherisches Know-how auf Weltniveau zu bringen. Im Zuge dieser Bemühungen wurde auch die Uhrenlinie Grand Seiko entwickelt.
Einen Wendepunkt in der Geschichte der mechanischen Seiko-Uhr markiert die 1956 lancierte Seiko Marvel („Wunderwerk“). Ihr 11,5-liniges Handaufzugskaliber beförderte die Ganggenauigkeit japanischer Uhren in neue Höhen. Mit diesem Modell nahm Seiko an heimischen Uhrenwettbewerben teil, die damals vom Ministerium für Internationalen Handel und Industrie gesponsert wurden. Die Marvel machte ihrem Namen alle Ehre: 1956 erreichte sie die ersten fünf Plätze, und im Wettbewerb von 1957 waren sieben Modelle unter den Top Ten. 1958 belegte die Marvel sogar neun der ersten zehn Plätze. Im darauffolgenden Jahr stellte Seiko das Modell Gyro Marvel mit einem Automatikwerk vor, das eine exklusiv von Seiko entwickelte mechanische Innovation beherbergte, den sogenannten magischen Hebel. Durch diese Vorrichtung wurde die Kraftübertragung zur Zugfeder und dadurch die Effizienz des automatischen Aufzugs verbessert. Die Ingenieure erreichten dies durch die Nutzung sämtlicher Energie, die der Rotor bei seiner Bewegung erzeugt, unabhängig von der Drehrichtung. Seiko nannte diese Neuerung „einen der bedeutendsten Durchbrüche in der Geschichte der modernen Uhrenfertigung“. Bis heute wird der magische Hebel in den meisten Automatikuhren von Seiko verwendet.

Anforderung an die Grand Seiko war, die ideale Uhr zu sein

Zu jener Zeit fertigte Seiko auch Uhren wie die heute von Sammlern begehrten Modelle Cronos und Crown. Nachdem die genannten Produkte so erfolgreich waren, fühlte sich das Unternehmen bereit, es mit den Weltmeistern der Uhrenfertigung, den Schweizern, aufzunehmen. Man stellte ein Team aus den besten Uhrmachern für ein Projekt zusammen, dessen Ziel es war, die „ideale Uhr“ zu kreieren: die genaueste, langlebigste, lesbarste Uhr der Welt mit dem besten Tragekomfort. Diese Uhr war die Grand Seiko. Und der Weg zum Ziel bedeutete unter anderem, die Schweizer Chronometernorm zu übertreffen.
Vorgestellt wurde die Grand Seiko in Tokio am 18. Dezember 1960. Das Originalmodell war mit dem Handaufzugskaliber 3180 ausgestattet, dessen Unruhfrequenz 2,5 Hertz betrug. Es wurde nur bis 1964 verbaut, umso seltener sind die Uhren aus der ersten Serie heute. In gebrauchtem Zustand werden sie stets mit Preisen um 1.000 Euro gehandelt. Damals kostete das Modell im hochwertig vergoldeten Gehäuse 25.000 Yen, was damals dem zweifachen Monatsgehalt eines Beschäftigten mit einem akademischen Abschluss entsprach. Das Design des Modells war schlicht, und auf dem Zifferblatt befand sich die Aufschrift „Chronometer“. Dabei wurden Sie einer Reihe von Tests unterzogen, die noch strenger waren als diejenigen der Schweizer Chronometerprüfstelle COSC. Bis heute umfasst die Prüfung der Grand Seiko mehr Lagen, mehr Temperaturbereiche und mehr Tage als die Chronometerprüfung . Ein paar Jahre später wurden die Zifferblätter nicht mehr mit der Aufschrift „Chronometer“ versehen, da die Testanforderungen an die Uhren den internationalen Standard übertrafen.

Grand Seiko beim Chronometriewettbewerb

Nach langer Bedenkzeit gestattete im Jahr 1963 das Observatorium des Kantons Neuchâtel die Teilnahme Seikos an den Chronometriewettbewerben. Für die Schweizer Hersteller waren diese Wettkämpfe auf Sekundenbruchteile seit langem entscheidend für die Markenwerbung, und schnell wurde klar, dass hier ein ernster Konkurrent am Start war. Die Kaliber 45 aus den Modellen Grand und King Seiko belegten in den späten 60er-Jahren hervorragende Plätze. Ausgestattet mit 25 Rubinlagersteinen arbeitete das Handaufzugswerk mit 36 000 Halbschwingungen pro Stunde – damals üblich waren Uhrwerke mit 21 600 Halbschwingungen oder weniger. Bis heute genießen Uhren mit dem Kaliber 45 einen außergewöhnlichen Ruf bei Kennern – selten kommen solche Uhren allerdings in den Verkauf. Die Preise auf dem Gebrauchtmarkt liegen je nach Zustand zwischen wenigen hundert und über 1 000 Euro. Besonders gesucht sind die V.F.A.-Versionen des Kalibers 45, bei denen nicht nur die einzelnen Komponenten, sondern auch die Uhrmacher handverlesen waren. »Very Fine Adjusted« – besonders einreguliert – verkaufte Seiko die Uhren mit einer zweijährigen Garantie auf eine monatliche Gangabweichung von unter 60 Sekunden. Bis heute ist von keinem anderen Hersteller eine solche Präzisionsgarantie gegeben worden.Die Technik bei allen Modellen aus der Frühzeit ist dabei so solide, dass neben einer neuen Zugfeder nur selten weitere Ersatzteile nötig sind. Mehr Kosmetik brauchen dagegen oft das Gehäuse und das Zifferblatt. Das feuchtwarme Klima in asiatischen Ländern greift diese Komponenten häufig an. Dennoch: Die soliden Werke erleichtern oft die Entscheidung, ein Zifferblatt in einem Fachbetrieb fachgerecht reparieren zu lassen. 1968 belegte das Unternehmen in Genf sieben Plätze unter den ersten zehn – ein imposantes Ergebnis bei einem Chronometriewettbewerb. Anfang der 70er-Jahre stellte Seiko die Fertigung weiter auf Roboter um – die Qualität stieg dabei durch die Ergänzung von maschineller Arbeit mit Handarbeit. Das Kaliber 56 wurde in höheren Stückzahlen nahezu automatisch gefertigt. Die Modelle aus den 70ern gelten deshalb mit den Werken, die wieder auf eine Unruhfrequenz von 28 800 A/h getaktet wurden, unter Sammlern als verlässlichste Form der klassischen Grand Seiko. Auch sind die Einstiegspreise hier etwas niedriger, bei guter Verfügbarkeit von Ersatzteilen.

Niedergang und Wiederkehr der Uhrenlinie Grand Seiko

Die erste Generation der Grand Seiko wurde von 1960 bis 1975 produziert. Den Niedergang der Modelllinie verursachte Seiko selbst: Die Pionierleistungen des Unternehmens in der Quarztechnik brachten die Nachfrage nach mechanischen Uhren zum Erliegen. 1975 wurde die Fertigung der mechanischen Grand Seiko eingestellt, und in den frühen 1980er-Jahren praktisch die gesamte Produktion mechanischer Uhren.
Das Comeback erfolgte zehn Jahre später im Zuge der Mechanik-Renaissance. 1991 nahm Seiko die Produktion wieder auf und lancierte 1998 eine zweite Generation mechanischer Grand Seikos mit den neuen Automatik- und Handaufzugswerken der speziell für diese Linie gefertigten Kaliberserie 9S5. Bereits 1988 hatte es eine Neuauflage mit Quarzwerken gegeben, und heute noch umfasst die Linie Grand Seiko in Japan Quarz- und Spring-Drive-Modelle. Im Jahr 2006 schließlich folgte ein weiterer mechanischer Fortschritt in Form der Kaliberserie 9S6 mit 72 Stunden Gangautonomie.
Seit 2016 führt Seiko in ihrer eleganten Grand-Seiko-Kollektion auch eine sportliche Linie: die Grand Seiko Black Ceramic Limited Edition. Zu dieser gehört auch das Sondermodell Grand Seiko Black Ceramic Limited Edition Spring Drive GMT SBGE039. Angetrieben wird die Uhr vom hauseigene Spring-Drive-Kaliber 9R16. Seiko stattet dieses zusätzlich mit einer zweiten Zeitzone aus. Geschützt wird das Kaliber von einem Gehäuse mit 46,4 Millimetern Durchmesser, dessen Außengehäuse und die Lünette aus Keramik bestehen; das Innengehäuse aus Titan.

Besuch in den Ateliers von Seiko

Um herauszufinden, weshalb die Grand Seiko so besonders ist, fährt man von Tokio aus rund 550 Kilometer nach Norden in die Präfektur Iwate, eine bergige Region an Japans Nordostküste. Inmitten der Präfektur befindet sich die Stadt Morioka mit großartigem Blick auf den nahe gelegenen Berg Iwate. Die Stadt Shizukuishi vor den Toren Moriokas ist die Heimat von Morioka Seiko Instruments Inc., einem Produktionszentrum der Firma Seiko Instruments Inc. Die 30.000 Quadratmeter große Produktionsstätte in Morioka mit 550 Beschäftigten produziert monatlich zehn Millionen Uhren. Das sind die Quarzuhren, die Seiko weltberühmt gemacht haben.
Im Innern von Morioka Seiko Instruments Inc. tut sich einem jedoch auch eine ganz andere Welt auf, genannt Shizukuishi Watch Studio. In diesem Uhrenatelier stellen etwa 60 hochqualifizierte Uhrmacher und Ingenieure Zeitmesser in traditioneller Art und Weise her. Es ist eine vollwertige Manufaktur, die einzige in Japan. Hier fertigen derzeit 19 Uhrmacher mechanische Uhren von Hand – an makellosen Werkbänken in einem makellosen Raum. Jeder der großen Arbeitstische ist für den jeweiligen Uhrmacher maßgefertigt. Die lackierten Holztische und -schränke in diesem Atelier sind nach traditioneller Art handwerklich gefertigte Möbel der Firma Iwayado Tansu und eine Spezialität der Region Iwate.
Die Uhrmacher finissieren die Komponenten, bauen die Werke zusammen und regulieren sie. Mit speziell gefertigten Pinzetten korrigieren sie die Biegung von Spiralfedern mit einer Stärke von nicht mehr als 0,03 Millimetern aus einer exklusiv von Seiko entwickelten Legierung namens Spron. Dann werden die Werke geprüft: Der erste Prüfabschnitt umfasst 300 Stunden, danach wird erneut feinreguliert. Dann sind die Werke bereit für den 400 Stunden dauernden Grand-Seiko-Test. Nur wenn sie ihn bestehen, werden sie in die vorgesehenen Gehäuse eingeschalt. Jedes Stahl-, Gold- oder Platingehäuse wird nach einer speziellen, aufwendigen Technik namens Zaratsu mit Hilfe einer Drehscheibe von Hand poliert. Zum Schluss folgt eine Endkontrolle der Uhren. Insgesamt wird jede einzelne Grand Seiko über 1.000 Stunden lang geprüft und erhält ein Zertifikat für den bestandenen Grand-Seiko-Test.

Flaggschiff-Werke für die Grand Seiko

Im Uhrenatelier von Shizukuishi werden über 20 verschiedene mechanische Werke in zwei Kaliberfamilien gefertigt, den Serien 68 und 9S. Die Werke der Serie 68 werden in hochwertige mechanische Uhren eingebaut, die Seiko in Japan unter dem Markennamen Credor vertreibt. Es sind ultraflache Handaufzugskaliber mit Höhen ab 1,98 Millimeter. Seit 2016 sind Credor-Modelle auch in Deutschland verfügbar. Zu den ersten in Deutschland verfügbaren Credor-Modellen gehören die beiden Edelstahluhren GCLP993 und GCLP995. Sie werden allerdings nicht von einem Werk der Serie 68 angetrieben, sondern vom hauseigenen Spring-Drive-Kaliber 7R87. Dieses ermöglicht eine Gangreserveanzeige bei zehn Uhr und ein Großdatum bei fünf Uhr.
Die Werke der Serie 9S, die Seiko sein Flaggschiff nennt, kommen ausschließlich in Grand-Seiko-Modellen zum Einsatz. Aufgrund der vielen von Hand ausgeführten Arbeitsschritte bei der Fertigung dieser beiden Kaliberserien ist die Jahresproduktion gering. Zahlen nennt Seiko nicht, aber japanische Quellen siedeln die Zahl im vierstelligen Bereich an.

Entstehung der Kaliberserie für die Grand-Seiko-Kollektion

1998 entwickelte Seiko die Kaliberserie 9S für die Neulancierung der mechanischen Grand-Seiko-Kollektion. Das erste Werk der Serie war das 9S55, ein hochmodernes Automatikkaliber mit 50 Stunden Gangautonomie. Um den hohen Ansprüchen des Grand-Seiko-Ideals zu entsprechen, wollte Seiko, dass die Uhr im unbewegten Zustand ein ganzes Wochenende laufen sollte, ohne stehen zu bleiben. Dies erreichte das Unternehmen 2006 mit der neuen Kaliberserie 9S6. Sie hält nach Vollaufzug 72 Stunden durch. Laut Seiko ist die verbesserte Gangautonomie das Ergebnis zweier bedeutender Fortschritte, die Morioka Seiko Instruments in den vergangenen Jahren bei der Komponentenfertigung erzielt hat: die Einführung der Mikrosystemtechnik zur Produktion der Bauteile und die Verbesserung von Spiral- und Aufzugsfedern. Letztere werden bei Seiko aus Spron gefertigt, einer äußerst elastischen, von Seiko Instruments entwickelten Legierung. Laut Morioka Seiko Instruments sorgt Spron, ein eingetragenes Markenzeichen der Seiko Instruments Inc., für ein verbessertes Drehmoment und eine höhere Stoßfestigkeit.
Die Werke der Serie 9S6 haben eine längere, breitere und flachere Aufzugsfeder aus Spron 510, welches eine Verbesserung gegenüber Spron 200 darstellt, das für die Aufzugsfedern der Serie 9S5 verwendet wurde. Die Spiralfedern werden aus Spron 610 gefertigt, das noch stoßfester ist und einen besseren Magnetfeldschutz bietet – bis 10.000 Ampere pro Meter.

Was die Kaliber der 9S-Serie auszeichnet

Diese Kaliber besitzen auch ein neues Hemmungsrad und einen neuen Anker, beide mit Hilfe der Mikrosystemtechnik gefertigt, die im Vergleich zur traditionellen Maschinenfertigung leichtere, präziser geformte und langlebigere Komponenten mit glatteren Flächen hervorbringt. Und dies hat, so Seiko, eine verbesserte Ganggenauigkeit zur Folge. Dieselbe Technik wendet Seiko auch bei der Fertigung der 2010 lancierten Grand Seiko Hi-Beat 36.000 an. Seiko ist somit neben Zenith der einzige Uhrenhersteller, der ein Serienwerk (allerdings keinen Chronographen) mit einer Frequenz von zehn statt der gängigen acht Halbschwingungen pro Sekunde fertigt. Uhren mit einer hohen Unruhfrequenz weisen theoretisch eine höhere Ganggenauigkeit auf. Der Nachteil ist eine geringere Gangautonomie und Lebensdauer. Das Seiko-Kaliber 9S85 jedoch bietet eine Gangautonomie von 55 Stunden. Wie bei den anderen Werken der Serie 9S sind auch hier Hemmungsrad und Anker mit Hilfe der Mikrosystemtechnik gefertigt, und die Spiralfeder besteht aus Spron 610. Die Aufzugsfeder wird aus der neuen Legierung Spron 530 produziert, die Seiko Instruments in Zusammenarbeit mit dem Labor für Metallforschung der Tohoku-Universität im japanischen Sendai entwickelt hat.

Die Grand-Seiko-Taucheruhren

Das Taucherflaggschiff stellt die Grand Seiko Hi-Beat 36000 Professional 600m Diver’s mit Schnellschwingerkaliber dar. Das stattliche 47-Millimeter-Titangehäuse verfügt über eine Magnetfeldabschirmung. Daneben gibt es Taucheruhren in Stahl mit 200 Metern Wasserdichtheit, die entweder ein Quarzwerk (40 mm) oder ein Spring-Drive-Werk (44 mm) antreibt.

Die Quarztechnik von Grand Seiko

Die genauesten Uhren von Grand Seiko weichen mit ihrem 9F-Quarzkaliber lediglich zehn Sekunden im Jahr ab. Dank Thermokompensation, künstlich vorgealterten Schwingquarzen und einer bei Quarzwerken sonst nicht vorhandenen Reguliervorrichtung laufen sie sogar genauer, als es die Schweizer Chronometernorm für Quarzwerke fordert. Zudem unterbindet ein Regulierungsrad, das mit einer Feder ausgestattet ist, das Spiel zwischen den Rädern und verhindert so das unschöne Nachschwingen des Sekundenzeigers.

Die Preise

Die Preise starten bei 2.200 Euro für die Quarzuhren mit 37 Millimetern Durchmesser. Der mittlere Bereich reicht von den mechanischen Modellen mit 39,4 Millimetern für 4.300 Euro und Spring Drive-Uhren in 41 Millimetern für 5.000 Euro bis zu den Schnellschwingern mit 6.000 Euro. Deutlich mehr muss man mit 9.800 Euro für die mechanische Taucheruhr und mit 14.900 Euro für den Spring-Drive-Chronographen mit Stahl-Keramik-Gehäuse bezahlen. Als teuerstes Modell kostet die auf zehn Stück limitierte und mit Diamanten verzierte Handaufzugsuhr SBGD205 mit Spring-Drive-Werk 195.000 Euro.

Neuestes Modell von Grand Seiko

2020 feierte das erste Modell von Grand Seiko 60 jährigen Geburtstag. Zum Jubiläum zeigen die Japaner das neue Schnellschwingerkaliber 9SA5 im Modell 60th Anniversary Limited Edition, das für Grand Seiko den Beginn einer neuen Ära darstellt. Dank verschiedener patentierter Lösungen bietet das Automatikwerk eine höhere Gangreserve von 80 Stunden sowie eine geringere Bauhöhe als der bekannte Grand-Seiko-Schnellschwinger 9S, der seinen Dienst bereits 1998 antrat. Eine neuartige Doppelimpulshemmung bietet eine höhere Effizienz, weil jeder zweite Impuls direkt vom neu designten Ankerrad kommt. Dazwischen gibt jeweils der Anker einen Impuls, wie es auch in einer traditionellen Hemmung geschieht.
Des Weiteren hat Grand Seiko eine neue Unruh mit variablem Trägheitsmoment entwickelt. Dank vier Reguliergewichten am Reif lässt sich nun der Gang langanhaltender justieren, und Schläge wirken sich weniger auf den Gang aus als bei herkömmlichen Systemen, die die aktive Länge der Spiralfeder verändern. Ebenfalls neu ist die Spirale mit hochgebogener Endkurve, die in ausführlichen Tests eine größere Gangstabilität in allen Positionen bewies als die flache Spirale des Kalibers 9S. Zu guter Letzt konnte Grand Seiko die Bauhöhe des Kalibers um 15 Prozent verringern, indem die Räder wo immer möglich nebeneinander statt überlappend angeordnet wurden. Zwei in Reihe geschaltete Federhäuser und ein augenblicklich springendes Fensterdatum runden die technischen Vorzüge ab.Das neue Uhrwerk feierte seine Premiere in der 40 Millimeter großen und 11,7 Millimeter hohen Gelbgolduhr 60th Anniversary Limited Edition und lässt sich hier durch einen Saphirglasboden betrachten. Die 100 Exemplare kosten je 45.000 Euro. Es folgte eine limitierte Stahlversion mit blauem Zifferblatt für 10.000 Euro.
Danach präsentierte Grand Seiko mit der Referenz SLGH005 eine Version in Stahl mit einem Zifferblatt, dessen Struktur von den Birken rund um die Manufaktur in Shizukuishi inspiriert ist. Dieses neue Model kostet 9.500 Euro.
Noch neuer sind diese zwei Modelle, die Grand Seiko ab 2021 nur in Europa verkauft und die dem in Japan wichtigen Thema Licht und Schatten gewidmet sind.
In der traditionellen japanischen Architektur werden Fenster und Türen mit Papier bespannt, um das harte Licht zu streuen. Die Uhren nehmen mit der Zifferblattmuster die Struktur des Papiers auf. Während das eine Modell vom hellen Morgenlicht inspiriert ist, erinnert das andere Modell an das warme Licht der Abenddämmerung. Beide besitzen ein 37,3 Millimeter großes Edelstahlgehäuse mit hoch gewölbten Saphirglas. Durch den Glasboden kann man das Manufakturkaliber 9S64 mit Handaufzug und 72 Stunden Gangreserve betrachten. Ab Oktober gibt es die zwei Modelle mit den Referenzen SBGW267 und SBGW269 für 4.800 Euro.

Constant-Force Tourbillon Kodo

Grand Seiko zeigt 2022 seine erste Uhr mit Komplikation, ein Konstantkraft-Tourbillon. Dabei geht es dem Constant-Force Tourbillon Kodo vor allem um eine höhere Genauigkeit, also einem zentralen Wert von Grand Seiko.
Der Konstantkraft-Mechanismus sorgt für eine gleichmäßige Energieverteilung auf die Hemmung, unabhängig davon, wie stark die Aufzugsfeder aufgezogen ist. Die Konstruktion von Grand Seiko verfügt über einen vollständig integrierten Konstantkraft-Mechanismus in Kombination mit dem Tourbillon auf derselben Achse. Das Tourbillon eliminiert den durch die Schwerkraft verursachten Präzisionsabfall, indem die Hemmungsteile und die Unruh in einem rotierenden Käfig untergebracht sind. Allein diese beiden Mechanismen erfordern außergewöhnliche Konstruktions- und Fertigungstechniken. Die gegenseitige Integration der Mechanismen ist eine patentierte Konstruktion und das Tourbillon verfügt sogar über einen Sekundenstopp. Das Kaliber 9ST1 schlägt mit 28.800 Halbschwingungen und kommt auf eine Gangreserve von 72 Stunden. Die Ganggenauigkeit testet Grand Seiko hier in sechs Lagen, bei drei unterschiedlichen Temperaturen und je Lage 48 Stunden statt 24 Stunden. Insgesamt dauert allein die Überprüfung der Ganggenauigkeit 34 Tage. Dabei darf die Abweichung pro Tag -3 und +5 Sekunden nicht übersteigen.
Das Werk ist komplett skelettiert und auch das Zifferblatt für die Stunden und Minuten lässt Einblicke auf die Mechanik. Unten dreht sich das Tourbillon, links gibt es noch eine Gangreserveanzeige. Das 43,8 Millimeter große Gehäuse mit den durchbrochenen Bandhörnern besteht aus Platin und einer eigenen Titanlegierung.  Das Kalbslederarmband wurde wie früher die Lederteile der Rüstung von Samurai behandelt und mit Urushi-Lack von Hand angemalt. 20 Exemplare zum Preis von 370.000 Euro will Grand Seiko bauen.Mehr über die Zukunftspläne der Marke bezüglich Grand Seiko erfahren Sie in diesem Kurzinterview mit CEO Shinji Hattori.Fortlaufend aktualisierter Artikel, ursprünglich online gestellt im Juli 2012.

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