Email-Zifferblätter von Chronoswiss

Mit der Übernahme von Chronoswiss durch das Schweizer Ehepaar Oliver und Eva Maria Ebstein im Sommer 2012 hat für die 1982/83 von Gerd-Rüdiger Lang gegründete Marke ein neues Kapitel begonnen. Der Firmensitz befindet sich jetzt in Luzern, der Heimat der Ebsteins, und dort wird auch bald die gesamte Produktion stattfinden. Die erst 2007 in Karlsfeld bei München eröffnete Fabrik fertigt nur noch bis zum Ende dieses Jahres. Damit ist Chronoswiss, passend zum Firmenamen, eine richtige Schweizer Marke.

Oliver Ebstein, der ein Faible für feine Handwerkskünste besitzt, hat bereits den ersten Markstein gesetzt: Auf der Baselworld 2013 stellte Chronoswiss die ersten Modelle der neuen Artist’s Collection vor. Dabei handelt es sich um Uhren mit wunderschönen, von Hand guillochierten und emaillierten Zifferblättern. Das Email, das in mehreren Schichten aufgetragen wird, ist transluzent, sodass man die Guillochierung auf dem Zifferblatt durchscheinen sieht. Das ergibt eine einzigartige Optik.
Ich hatte die Gelegenheit, mir das kleine Atelier, das Chronoswiss in Luzern bereibt, anzuschauen. Hier wird, auf wenigen Quadratmetern, gearbeitet wie in der guten alten Zeit. Was es braucht, sind ein Mitarbeiter, ein Brennofen und mehrere alte Guillochiermaschinen. Der Meister an den Maschinen ist Maik Panziera, ein gelernter Goldschmied, der das Emaillieren während seiner 18-jährigen Tätigkeit für die Pforzheimer Firma Victor Mayer (Fabergé-Uhren) gelernt hat. Hört man ihm zu, begreift man, dass allein die Beschaffung der Maschinen — die älteste ist Baujahr 1924 — ein Abenteuer war. Hergestellt werden diese Gerätschaften schon lange nicht mehr, er musste also fleißig suchen.

Das Guillochieren hat er sich letztlich selbst beigebracht. Viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl sind vonnöten, denn jeder kleine Fehler führt dazu, dass das bearbeitete Teil in den Müll wandert. Ich durfte selbst eine Guillochiermascine bedienen. Schon wenn man den Hartmetallstichel gegen das Zifferblatt presst, darf der Druck, den man selbst mit dem Daumen bestimmt, weder zu hoch noch zu niedrig sein. Anschließend wird der Stichel mit einer Handkurbel von der Zifferblattmitte nach außen geführt. Neben dem Druck spielt hier auch die Geschwindigkeit eine Rolle, sie darf nicht zu hoch und nicht zu niedrig sein. Drei-, viermal folgt man derselben Linie, dann dreht man an einem anderen Rad, sodass das Zifferblatt ein kleines bisschen verschoben wird, und das Spiel beginnt von vorn. Panziera verrät mir nicht, wie lange er für ein Zifferblatt braucht, aber es ist klar, dass der ganze Prozess ungeheur aufwendig ist.


Genauso verhält es sich mit dem Emaillieren. Angeliefert wird gemahlenes Glas; aus diesem Rohmaterial stellt Panziera unter Zugabe von Wasser schließlich das Email her. Dabei muss er ständig durch vorsichtiges Abgießen und Aufsaugen mit Papier dafür sorgen, dass das flüssige Email sauber ist. Dann trägt er es in mehreren, meist sieben Schichten aufs Zifferblatt auf. Die Schichten selbst müssen sehr dünn sein, weniger als ein Zehntelmillimer, damit kleine Luftbläschen, die entstehen, besser nach oben steigen und entweichen können. Nur so wird das Email hinterher schön rein und durchsichtig. Insgesamt beträgt die fertige Emailschicht etwa 0,4 Millimeter. Da das Email durchsichtig ist, nimmt Chronoswiss Zifferblätter aus Silber — Gold würde dem Email eine gelbliche Färbung geben. Anschließend wird das Email für ein, zwei Minuten im Ofen gebrannt. Die Temperaturen betragen, je nach Farbe, zwischen 750 und 900 Grad Celsius. Nach dem Brennen beginnt das Bangen, denn während der nächsten drei, vier Tage kann das Emailzifferblatt Risse bekommen. Dann war die ganze Arbeit umsonst. Ich schätze, dass ungefähr 40 Prozent aller Zifferblätter Ausschuss sind; unter anderem das macht es so teuer und wertvoll.

Und Panziera kümmert sich nicht nur um die Zifferblätter. Er skelettiert auch die Uhrwerke, verziert sie mit Perlierung und Guillochage, schleift Zahnräder und bläut Schrauben. So wird aus einem alten Handaufzugswerk vom Kaliber Unitas 6425 ein richtiges Kleinod.

So viel Handwerkskunst hat ihren Preis: Die Uhren aus der Artist’s Collection liegen bei 33000 Euro. Aber dafür bekommt man echte Handwerkskunst, wie sie heute nicht mehr oft geboten wird. Wer sich dafür interessiert, kann dem Meister künftig auch über die Schulter schauen: Nach dem Umzug ins neue Firmengebäude im Frühsommer 2014 will Chronoswiss-Chef Oliver Ebstein das Atelier öffentlich zugängig machen.

buc