Interview: Meistersinger Gründer Manfred Brassler über Uhren mit nur einem Zeiger

"Ich wollte zurück zu den Anfängen"

20 Jahre Meistersinger: Was Manfred Brassler dazu brachte, Uhren mit nur einem Zeiger zu bauen.

Meistersinger Gründer: Manfred Brassler
Meistersinger Gründer: Manfred Brassler

Die Marke Meistersinger steht seit 20 Jahren für Einzeigeruhren. Warum Einzeigeruhren?
Eine Meistersinger mit ihrer Einzeigertechnik geht zurück auf die Anfänge der Uhrmacherei. Alles hat einmal mit einem Zeiger begonnen. Und nicht nur bei frühen Kirchturmuhren gab es einen einzigen Zeiger: Noch Abraham-Louis Breguet bot mit seiner Subskriptionsuhr, die sich an ein weniger vermögendes Publikum richtete, Ende des 18. Jahrhunderts eine Taschenuhr mit nur einem Zeiger an. Als ich um etwa 1998 zum ersten Mal die Idee zu einer eigenen Uhrenmarke hatte, stand mir das Bild eines ursprünglichen Messinstruments vor Augen. Ich wollte zurückgehen zu den Anfängen: zu einer Uhr, die so einfach und schlicht ist wie möglich. Als es mit der Firmengründung ernst wurde, merkte ich, dass die Idee noch recht vage war. Ich habe mich in der Folgezeit intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, und mir wurde Verschiedenes klar: Zunächst einmal musste der Zeiger sehr klar ausgebildet werden und überdeutlich sein.

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Der große Zeiger ist das, was als Erstes ins Auge fällt. Was sind die wichtigsten Merkmale, die das Meistersinger-Design ausmachen?
Der Nadelzeiger ist der Leuchtturm, das Erkennungszeichen einer jeden Meistersinger. Dank seiner Form mit der feinen Spitze und des Überhangs am Ende erinnert er an Messinstrumente. Das Gleiche gilt für die vorangestellten Nullen bei den einstelligen Stundenzahlen. Ein weiteres Merkmal, das kaum wahrgenommen wird, das aber den Charakter jeder Meistersinger unterstreicht, ist das einseitig gewölbte Saphirglas. Es bewirkt einen leichten Lupeneffekt und führt dazu, dass das Zifferblatt buchstäblich unter das Glas gezogen wird. Zusammen mit dem schmalen Gehäuserand gehört der Blick ganz dem Zifferblatt.
Auch das unterstreicht den Charakter eines Messinstruments. Was das Gehäuse betraf, wollte ich mich nicht weit von herkömmlichen Uhren entfernen. Ich wollte keine typische Designeruhr herstellen, sondern einen eher traditionellen Uhrenkörper mit diesem modernen Gesicht kombinieren.

Meistersinger: Bell Hora
Zu jeder Stunde ein Glockenschlag: Die Bell Hora ist die wichtigste Neuheit für 2021

Wer sich eine Einzeigeruhr kauft, entscheidet sich bewusst für eine Uhr, mit der man die Zeit nicht auf die Minute genau ablesen kann. Bringt diese Uhr einen dazu, sich mit dem Thema Zeit als solchem bewusst auseinanderzusetzen?
Bewusst – oder unbewusst. Jede Uhr übt eine Faszination auf den Käufer aus. Meistersinger steht für Innehalten, Zu-sich-Kommen, Entschleunigung; dafür, dass die Zeit kostbar ist. Eine Meistersinger bringt die Zeit buchstäblich auf den Punkt. Seit der Erfindung des zweiten Zeigers – also etwa seit Beginn der Industriellen Revolution Mitte des 18. Jahrhunderts – wurde alles immer komplexer und komplizierter. Zu dem Augenblick, in dem wir wirklich existieren, haben wir ein zwiespältiges Verhältnis. Dabei ist der Moment unsere einzige Realität. Nie werden wir in der Vergangenheit oder in der Zukunft existieren. Nur dank unseres hoch entwickelten Gehirns haben wir gelernt, uns im Gestern oder Morgen aufzuhalten. Das führt zum Teil so weit, dass wir uns dem Moment komplett entfremden. Doch scheint gerade der Moment der Ort des Glücks zu sein. Das sieht man etwa, wenn man spielende Kinder beobachtet. Jeder Urlaub, jedes Hobby, jeder intensive Sport dient doch dazu, im Hier und Jetzt zu sein, sich selbst näher zu kommen. Für viele unserer Kunden sind die Meistersinger-Uhren ein Symbol für ein Zu-sichselbst- Kommen. Seit Jahren bekommen wir immer wieder Zuschriften von Kunden, die das bestätigen, mit Aussagen wie: „Das ist die erste Uhr, die mir Zeit
schenkt“ oder „Allein auf die Uhr zu schauen, beruhigt mich schon“. So etwas macht mich froh.

Meistersinger: Einzeigeruhr N°03 mit Automatikuhrwerk Sellita SW 200
Der Klassiker: Einzeigeruhr N 03 mit Automatikuhrwerk Sellita SW 200

Ich nehme an, dass für viele Ihrer Kunden die Meistersinger nicht die erste Uhr ist. Aber wie viele kaufen sich nach ihrer ersten Meistersinger eine weitere?
Wir wissen aus Umfragen, dass sich in der Tat viele Menschen eine Meistersinger als Zweituhr kaufen. Manche belassen es nicht bei einer. In Prozent kann ich das nicht ausdrücken. Wenn ich schätzen sollte, würde ich sagen, dass vielleicht ein Viertel unserer Kunden mehr als eine Meistersinger besitzen.

Wahrscheinlich kaufen sich die meisten Ihrer Kunden als Erstes ein klassisches Basismodell. Welche kommt danach? Gibt es so etwas wie eine beliebteste Zusatzfunktion?
Das hängt stark davon ab, was wir in dem jeweiligen Jahr auf den Markt bringen. So unterschiedliche Uhren wie die Jumping Hour oder die Lunascope mit der großen Mondphase haben bei der Neuerscheinung sofort eingeschlagen. Unseren Kunden ist dabei wichtig, dass eine neue Uhr die für Meistersinger typischen Gestaltungsmomente aufweist. Es gab in der Vergangenheit Fälle, wo das nicht so empfunden wurde, und diese Uhren waren deutlich weniger erfolgreich. Aber die Stabilität verleihen Meistersinger die Klassiker, die seit den ersten Jahren keine Ermüdungserscheinungen zeigen: die N°01 – mit ihrer Automatik-Schwester N°03 –, der Perigraph mit der offengelegten Datumsscheibe genauso wie die Pangaea Day Date mit zwei offengelegten Scheiben und nicht zuletzt die Neo, die etwas preisgünstiger ist, aber ebenso alle Insignien der klassisch-schlichten Einzeigeruhr hat – um nur die Wichtigsten zu nennen.

Meistersinger: Perigraph
Keine Ermüdungserscheinungen: Der Perigraph zählt seit Jahren zu den beliebtesten Modellen

Wie kamen Sie auf den Namen Meistersinger?
Als ich begann, war es gerade in Mode, neuen Uhrenmarken französisch klingende Namen zu geben. Ich dagegen stellte mir vor, dass die neue Marke eindeutig in Deutschland verortet sein sollte. Ein Freund kam auf Namen aus dem Umfeld der Wagner-Opern wie Rheingold oder Walküre zu sprechen. Zunächst dachte ich, das käme gar nicht in Frage, aber kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, fielen mir die Meistersinger von Nürnberg ein. Sofort hatte ich das musikalische Thema im Blick, auch die Fermate (das musikalische Ruhezeichen, Red.), die zu unserer Bildmarke wurde. Ich glaube, der Name hat mir am Anfang durchaus geholfen.

Verbindet die Marke Meistersinger über den Namen hinaus noch mehr mit Musik?
Mich begleitet seit jeher die Faszination für die Musik. Ich bin begeisterter Klavierspieler, obwohl ich mich nie als Pianisten auf einer Bühne gesehen hätte.

Am Anfang gab es bei Meistersinger auch herkömmliche Dreizeigeruhren, aber in den letzten Jahren nicht mehr. Was gab für Sie den Ausschlag zu dieser Fokussierung?
Die Einzeigeruhren waren von Anfang an viel begehrter. Dieser Trend nahm stetig zu, und man identifizierte Meistersinger zunehmend mit den Einzeigeruhren. Das führte so weit, dass einige Vertriebspartner im Ausland nur Einzeigeruhren einkauften. 2014 trafen wir schließlich die Entscheidung, uns von den Modellen mit mehreren Zeigern zu trennen – und das wurde unser bis dahin erfolgreichstes Jahr.

Trotzdem gibt es mit der Neo Zeigerdatum auch eine Uhr mit einem zweiten Zeiger. Unter welchen Bedingungen ist für Sie ein weiterer Zeiger akzeptabel?
Wir zeigen die Uhrzeit immer mit nur einem Zeiger an. Wenn eine Zusatzfunktion es erfordert, kann ein zweiter Zeiger dazukommen. Ich erinnere mich gern an unseren Singulator: ein Regulator, bei dem aber nicht wie üblich der Minutenzeiger groß aus der Zifferblattmitte kam, sondern unser Stundenzeiger. Ihn empfinde ich noch immer als eine unserer schönsten Uhren. Bei unserer überaus erfolgreichen Circularis mit Gangreserve wird die Gangreserve auch mit einem Zeiger angezeigt. Überaus naheliegend für Uhren, die einen gewissen Messinstrumentencharakter verkörpern.

Meistersinger: Singulator
Typisch Meistersinger: Auch beim Regulatorzifferblatt des Singulator wies der große Zentralzeiger auf die Stunden

Sie haben seit einigen Jahren auch ein eigenes Uhrwerk, das Kaliber MSH. Worauf kam es Ihnen dabei besonders an?
Das Werk haben wir zusammen mit einem unserer Partnerunternehmen in der Schweiz entwickelt. Es verfügt über zwei Federhäuser und 120 Stunden Gangreserve. Es hat von Anfang an hervorragend funktioniert und erreichte sogar Werte innerhalb der Chronometernorm, obwohl wir das ja aufgrund des fehlenden Sekundenzeigers gar nicht abbilden können. Auch ästhetisch ist es interessant mit seiner unverwechselbaren Werkbrücke und dem Kreisschliff. Als erstes Uhrwerk überhaupt hat es den German Design Award sowie den Red Dot Design Award erhalten. Aber auch abgesehen von unserem eigenen Werk haben wir über all die Jahre interessante Zusatzmodule entwickelt. Angefangen mit dem Ein-Drücker-Chronographen Paleograph über den schon genannten Singulator, eine Jumping Hour bis hin zu einer großen Mondphase. Und für 2021 warten wir mit einer weiteren Besonderheit auf.

Und die wäre?
Im Zentrum des Jubiläumsjahrs steht die Bell Hora: eine Uhr mit „Sonnerie au passage“, bei der zu jeder vollen Stunde ein feiner Glockenton schlägt, den man auch stillstellen kann. Sie ist ein weiteres Beispiel für ein spezielles Zusatzmodul. Die Bell Hora kommt in zwei Zifferblattvarianten. Im Herbst folgt zudem eine limitierte Auflage von 100 Stück mit einem speziellen Taschenuhrenzifferblatt. Die zweite Neuheit ist eine 43-Millimeter-Stahluhr mit integriertem Stahlband und Magnetfeldschutz durch ein Weicheisen-Innengehäuse. Diese Uhr für alle Fälle hat alle Gene einer Meistersinger und zeigt dennoch ihre robusten Qualitäten. Drittens bekommt die elegante Lunascope mit der Stratoscope eine Schwester: wieder die große Mondphase, aber jetzt in einem 43-Millimeter-Gehäuse und mit einem neuen Zifferblatt, dessen Schwarz im unteren Teil in ein bläulich changierendes Lichtspiel übergeht, das an die Polarlichter des Nordens erinnert.

Was ist Ihnen von 20 Jahren Meistersinger am stärksten in Erinnerung geblieben?
Es sind vor allem die Anfangsjahre. Denn der unerwartet große Erfolg setzte mich unter Druck, auch was die Finanzierung angeht. In den ersten vier Jahren führte ich Meistersinger als Einmannbetrieb. Heute genieße ich es, entspannt in einem hoch motivierten Team zu arbeiten. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine ganz klassische Meistersinger mit hoch dekoriertem Unitaswerk und – damals noch machbar – einem Emailzifferblatt.

Meistersinger: Edition 1Z mit Emailzifferblatt
Trotz des hohen Preises waren die 222 Exemplare der Edition 1Z mit Emailzifferblatt schnell ausverkauft

Mitten im Projekt erfahre ich, welch exorbitanten Preis die Zifferblätter haben. Ich muss die auf 222 Stück limitierte Auflage tatsächlich für 2.950 Euro anbieten – während die Standardmodelle im mittleren dreistelligen Preisbereich liegen. Aber die schlaflosen Nächte waren umsonst. Innerhalb kürzester Zeit waren alle 222 Uhren vergriffen. Was mich bei einem Rückblick besonders froh macht, ist die Tatsache, dass es bis heute kaum einen Tag in den 20 Jahren gab, an dem mich die Begeisterung für Meistersinger verlassen hat.

buc

Produkt: Download Chronos Special Meistersinger
Download Chronos Special Meistersinger
Bell Hora Klassische Technik neu belebt: Einzeigeruhr mit Automatikwerk und glockenartiger “Sonnerie au Passage”

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