TAG Heuer: Uhr ohne Spirale

TAG Heuer hat auf der Baselworld 2010 nach fünf Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit die rein mechanische Konzeptuhr Pendulum Concept vorgestellt, die ohne Spiralfeder auskommt. Stattdessen übernehmen Magnetfelder die Funktion der Feder. Die drei technische Grundprinzipien einer tragbaren Uhr sind seit ihrer Erfindung nahezu unverändert: Der Energiespeicher in Form des Federhauses, die Kraftübertragung über Räder und Triebe und die Gangregulierung über Unruh, Spirale und Ankerhemmung. TAG Heuer hat sich vorgenommen alle drei Bereiche zu revolutionieren. Für die Kraftübertragung ist das mit dem Riemenantrieb der Monaco V4 (Test in Chronos 3.2010, erscheint am 21.5.) geschehen. Nun ist die Gangregulierung dran.
Während TAG Heuer die Ankerhemmung nicht antastete, ließen die Entwickler die Quelle vieler Probleme, die Spiralfeder, einfach weg. Vor allem die Schwierigkeiten die mit der Erdanziehung zu tun haben, machen sich bei der Spiralfeder bemerkbar: Sie ist dadurch nicht in allen Lagen perfekt ausgewuchtet und ändert während sie „atmet” ihren Schwerpunkt. Außerdem können Schläge die Feder beeinträchtigen. Trotz aller Fortschritte bei der Legierung für die Spirale ließ sich auch der schädliche Einfluss der Temperatur auf das Gangverhalten nicht ganz eliminieren. Die Entwickler griffen auf eine einfache Idee zurück: Die Spiralfeder wird weggelassen.
An ihrer Stelle sorgen Magnete für die notwendige Rückholkraft an der Unruh. Es gibt also keine materielle Verbindung zwischen Werk und Unruh, außer der Lagerung der Unruh. TAG Heuer spricht daher auch von einer virtuellen Spirale.
Die Idee, die Spirale durch Magnete zu ersetzen ist so bestechend einfach, dass sicher schon andere darauf gekommen sind. Allerdings ist die Umsetzung das Problem, denn es gibt einige Schwierigkeiten. Vor allem muss die Kraft, die während der Schwingung auf die Unruh wirkt immer gleich groß sein. Die Kraft von Magneten nimmt aber mit der Entfernung exponentiell ab.
Vier Hochleistungsmagnete erzeugen ein komplexes, am Computer vorher berechnetes, dreidimensionales Magnetfeld, das genau so ausgerichtet ist, dass die Kraft auf die Unruh gleich bleibt. Allein diese Simulationen, bei denen TAG Heuer mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne zusammen arbeitete, nahmen drei Jahre in Anspruch.
Durch die Technik sollten Lagefehler der Vergangenheit angehören. Auch eine Feinreguliervorrichtung ist nicht notwendig, da das Magnetfeld viele Jahre nicht schwächer wird. Die geringe Amplitude von 90 Grad erhöht zusätzlich die Präzision und lässt auch hohe Unruhfrequenzen zu. Die Konzeptuhr arbeitet mit 43200 Halbschwingungen pro Stunde (6 Hertz). Aber es wären auch 360000 A/h möglich, mit denen ein Chronograph Hundertstelsekunden stoppen könnte.
Damit der Rest des Uhrwerks nicht dem Magnetfeld ausgesetzt wird, liegt um die Magnete noch ein Ring aus Weicheisen, der das Magnetfeld abschirmt.
Ein Problem bleibt aber bis zum Serieneinsatz noch zu lösen: Die Kraft der Magnete verändern sich bei Temperaturschwankungen. TAG Heuer sucht zur Zeit nach einer Materialkombination für Magnete, die diese Veränderungen kompensiert. Dann aber soll die virtuelle Magnetspirale zumindest bei einigen Uhren für höhere Ganggenauigkeit sorgen. jk