Ulysse Nardin: InnoVision 2
Zweite Generation der Hightech-Uhr mit Siliziumwerkteilen
Zehn Jahre nach der bahnbrechenden Konzeptuhr InnoVision zündet Ulysse Nardin nun die zweite Evolutionsstufe in Sachen Siliziumtechnik.

Mechanikfans, die sich um die Innovationskraft von Ulysse Nardin Sorgen gemacht haben, dürften nach der Vorstellung der InnoVision 2 auf dem Genfer Uhrensalon 2017 beruhigt sein. Die neue Konzeptuhr erschien zum zehnjährigen Jubiläum der ersten InnoVision und beinhaltet wie diese zehn neue Techniken, die Ulysse Nardin teilweise in zukünftigen Serienmodellen einsetzen will. Das war bereits der Grundgedanke hinter der ursprünglichen InnoVision, die Ulysse Nardins Vorreiterrolle in der fotolithografischen Komponentenfertigung unterstrich. In der Uhr arbeiteten Werkteile aus Silizium, die in damals exotischen Verfahren wie DRIE (Deep Reactive Ion Etching, Ionen-Ätzverfahren) und LIGA (Lithografie, Galvanik und Abformung) entstanden. Zwei technische Highlights waren die Spirale und die Stoßsicherung aus Silizium, die heute beide Standard bei Ulysse Nardin sind.
Tatsächlich kommen heute acht von den damaligen zehn Innovationen in der einen oder anderen Form bei Ulysse Nardin zum Einsatz. Das zeigt, dass es sich nicht um einen – teuren – Marketing-Gag handelte. Die Innovationen sollten in eine neue Version des avantgardistischen Modells Freak gepackt werden. Die erste Freak war bereits 2001 erschienen. Sie hatte weder Zifferblatt noch Zeiger noch eine Krone. Stattdessen zeigte das rotierende Uhrwerk selbst die Zeit an: Die Stundenanzeige saß auf dem Federhaus, und die Hemmungsbrücke diente als Minutenzeiger. Sie war die erste Uhr mit Werkkomponenten aus Silizium. Als Anschauungsobjekt für die Experimentierfreudigkeit von Ulysse Nardin nutzt die Marke die Freak immer wieder als Konzeptuhr. Das neueste Modell beinhaltet die folgenden zehn Innovationen:
Innovation #1: „Grinder“-Selbstaufzug
Der völlig neue Aufzugsmechanismus namens Grinder war der eigentliche Anlass, eine neue Konzeptuhr vorzustellen. Die Technik umfasst einen Zentralrotor mit Kugellager und drei darunter liegenden, kleineren Kugellagern. Letztere arbeiten auf einem flexiblen Trägerrahmen, der schon bei der geringsten Drehung des Handgelenks in Bewegung gerät und den Rotor antreibt. Außerdem verwendet Ulysse Nardin statt der herkömmlichen zwei Klinken, die in die Verzahnung des Aufzugsrads eingreifen, vier Klinken, die die Aufzugseffizienz deutlich steigern.

Innovation #2: Dual-Constant-Hemmung
So heißt die neue Konstantkraft-Hemmung, die immer die gleiche Energie ans Räderwerk abgibt und somit die Präzision über annähernd die gesamte Gangdauer sichert. Ulysse Nardin hat sie aus der Dual-Direct-Hemmung der 2001 vorgestellten Freak weiterentwickelt und nun mit der markeneigenen Ankerhemmung von 2014 kombiniert. Das System besitzt eine komplexe Struktur mit Blockierelementen und flexiblen Siliziumklingen. Letztere sind essenziell für die konstante Kraftabgabe, da sie sich unabhängig von der Federspannung immer gleich stark bewegen und somit ihre Kraft völlig gleichmäßig weitergeben.

Innovation #3: Direktes Silizium-Bonding
Ulysse Nardin fertigt die Dual-Constant-Hemmung aus flachen Scheiben monokristallinen Siliziums, sogenannten Wafern, im DRIE-Verfahren. Aufgrund der dreidimensionalen Struktur des Bauteils produziert die Marke es aus zwei getrennten Komponenten. Zum ersten Mal hat sie Silizium verbunden, und zwar durch einen selbst entwickelten Oxidationsprozess. Das Verfahren eröffnet neue Möglichkeiten zur Herstellung komplexer Siliziumbauteile mit verschiedenen Materialstärken.
Innovation #4: Neue Siliziumunruh
Die neue Unruh besteht, wie auch die Spirale, aus Silizium. Eine weitere Besonderheit: Der Reif trägt zahlreiche paddelförmige Speichen, die Luftverwirbelungen glätten und so den Gang in verschiedenen Positionen konstant halten sollen. Der Erhöhung des Trägheitsmoments dienen vier Goldgewichte mit UN-Schriftzug und dem markentypischen Anker.

Innovation #5: Saphirbeschichtete Siliziumbrücke
2007 präsentierte Ulysse Nardin ein Verfahren zum Beschichten von Siliziumkomponenten mit synthetischem Diamant, der die Haltbarkeit der Bauteile erhöhen sollte. Neu – und günstiger – ist nun die Beschichtung mit Saphir, dem zweithärtesten verfügbaren Material. Sie wird einen Tausendstelmillimeter dick auf die Minutenradbrücke aufgebracht, um deren Festigkeit und Oberflächenhärte zu erhöhen.
Innovation #6: Hartgoldräder
Die Räder der InnoVision 2 bestehen nicht aus dem traditionellen Material Messing, sondern aus Hartgold, das im LIGA-Verfahren hergestellt wird. Laut Ulysse Nardin bewirkt Gold eine effizientere Kraftübertragung, was die Gangdauer erhöht.
Innovation #7: Stoßsicherung aus Glas
Vor Jahrzehnten hat Ulysse Nardin Schiffschronometer produziert, deren Unruhspiralen aus Glas bestanden. Bei der neuen Konzeptuhr besteht das komplette Stoßsicherungssystem aus Glas. Bei der InnoVision von 2007 war diese Komponente noch aus Silizium gefertigt. Nun verwendet Ulysse Nardin Glas wegen seiner Stabilität und Flexibilität. Denn das Material ist laut Unternehmen bei Weitem nicht so zerbrechlich wie gemeinhin angenommen.
Innovation #8: Optische Effekte
Ein weiterer Grund für die Verwendung von Glas ist dessen Transparenz: Man kann in das Material jede beliebige Form lasern – oder auch Kanäle, die sich mit Leuchtmasse füllen lassen. So trägt die gläserne Unruhbrücke der InnoVision 2 die Initialen UN in einem Rahmen, der im Dunkeln stark leuchtet.

Innovation #9: Komplexe Strukturen dank Laserschnitt
Der übergroße dreidimensionale Minutenzeiger besteht ebenfalls aus Glas. Die Herausforderung war hier, die komplexe Form aus einem einzigen Stück exakt zu fertigen. Die Lösung lag im Laserschnitt, der eine Präzision auf drei Tausendstelmillimeter ermöglicht. Für erhöhte Stabilität bei Stößen hat Ulysse Nardin das filigrane Glaskonstrukt auf einen Metallrahmen gesetzt.
Innovation #10: Neue Zeitanzeige
Während der ersten zwölf Stunden des Tages erscheinen in den Ausschnitten am Werkrand die Zahlen eins bis elf. Mittags dreht sich der Ring mit den Stundenzahlen, sodass die Zahlen 13 bis 23 sichtbar werden.
Für die zehn neuen Techniken der InnoVision 2 wurden insgesamt elf Patente angemeldet beziehungsweise bereits erteilt. Wie viele der Neuerungen sich tatsächlich in Serienmodellen nutzen lassen, ist noch offen. In jedem Fall zeigt die neue Konzeptuhr, dass das Streben nach technischer Innovation eine Kernkompetenz von Ulysse Nardin ist.
Die Ulysse Nardin InnoVision ist zehn Jahre alt. Chronos bereits 25 – und feiert dies mit dem Jubiläumsheft 25 Jahre Chronos – Ausgabe 5.2017. Zur Feier gibt es übrigens eine Tutima Grand Flieger zu gewinnen, wenn man ein praktisches Chronos AboPlus abschließt. Weitere Informationen dazu hier.
Text: Joe Thompson
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Uhren von Ulysse Nardin in der Datenbank von Watchtime.net