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Junghans und die Quarzuhr

Junghans: 1. Quarzuhr Präsentation
© PR
Mag die Quarzuhr in der Welt der Mechanik heute als persona non grata gelten, so stellte sie vor einem halben Jahrhundert die Speerspitze der Mikrotechnologie dar. Weltweit lieferten sich die Hersteller ein Wettrennen um das erste Armbanduhren-Kaliber, welches Seiko 1969 gewann. Aber auch hierzulande konnte man bereits 1971 ein Ergebnis vorweisen – das Junghans-Kaliber W666. Ein Blick zurück.
Während wir heutzutage ganz selbstverständlich auf unserem Smartphone herumtippen, lässt sich die Errungenschaft der Ingenieure und Wissenschaftler, die vor über 50 Jahren die Grundlagen für neue Formen der Zeitanzeige am Handgelenk legten, nur schwer ermessen. Zwar wurde die Quarztechnologie bereits 1927 von den Ingenieuren Joseph W. Horton und Warren Alvin Marrison entwickelt, doch die Mikrotechnologie steckte in den 1960er-Jahren noch in den Kinderschuhen. Die Unternehmen, die sich damit beschäftigten, waren noch weit davon entfernt, die mikroelektronischen Komponenten und Elemente in der Größe herzustellen, dass sie in ein kleines Armbanduhrengehäuse passen würden, geschweige denn eine Batterie mit ausreichender Kapazität. Obwohl ihr Antrieb elektronischer Natur ist, stand die Quarztechnologie vor der gleichen Herausforderung, die seit Jahrhunderten die Uhrmacher zu immer neuen Spitzenleistungen antrieb – der Miniaturisierung. Um sie im großen Stil kommerziell nutzbar zu machen, lieferten sich die Hersteller ein Wettrennen um und mit der Zeit.
Zu den Konkurrenten zählten Seiko und ein Konsortium von 20 Schweizer Firmen unter dem Dach des Neuchâteler Centre Electronique Horloger (CEH). Das von den Ebauches SA und dem Schweizer Uhrmacherverband gegründete Institut wurde von Roger Wellinger, einem Schweizamerikanischen Wissenschaftler, geleitet. Wie wir heute wissen, ging Seiko als Sieger hervor. 1969, im geschichtsträchtigen Jahr der Mondlandung, kam mit der Astron 35 SQ erstmals eine elektronische Uhr ans Handgelenk. Der Preis, 450.000 Yen, entsprach in etwa dem eines kleinen Neuwagens. Auch hierzulande arbeitete man auf Hochtouren an der neuen Technologie:

Die Entwicklungen der Quarzuhr in Deutschland

Junghans, PUW, Para und Bifora hatten sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Junghans erhielt Fördermittel des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums, da die Firma unter den deutschen Herstellern die höchsten Investitionen in die neue Technologie getätigt hatte. Die Mühe lohnte sich: Nach vier Jahren Entwicklungszeit präsentierte die Uhrenfabrik am 14. April 1971 der Presse im Hotel Intercontinental in Frankfurt die Astro Quartz. Sie stellte einen technologischen Meilenstein für Junghans dar und bildete die Grundlage für viele Generationen von Quarzuhren. »Noch nie in der vielhundertjährigen Geschichte der Zeitmesstechnik gab es eine Armbanduhr mit der Vollkommenheit der Astro-Quartz«, jubelten die Schwarzwälder. Die kühn designte Armbanduhr wich nur eine Zehntelsekunde am Tag beziehungsweise eine Minute pro Jahr von der Zeit ab. Nicht weniger als ein Quantensprung, belief sich die Abweichung bei einer mechanischen Uhr bereits auf eine Minute pro Woche. Die Entwicklung des ersten Quarzwerkes W666 für Armbanduhren hatte bei Junghans bereits Mitte 1967 begonnen und orientierte sich am Großquarzwerk W610. In den ersten Prototypen verwendeten die Ingenieure eine Quarzstimmgabel.

Die Herausforderungen der Technik

Junghans entwickelte und fertigte die Mehrzahl der Komponenten und auch die Stimmgabelquarze selbst. Mit dem Quarzoszillator betrat das Unternehmen jedoch Neuland und musste »erhebliches Lehrgeld« bezahlen, wie Dokumente aus jener Zeit belegen. Der größte Ausschuss entstand beim Planschleifen und Läppen. Bei einer Vorserie von 25 Exemplaren verwendete das Unternehmen noch die eigenen Stimmgabelquarze, kaufte für die Serienproduktion dann aber preisgünstigere Balkenquarze zu. Eine weitere Herausforderung stellte der Integrierte Schaltkreis (IC) dar, der den Quarz auf seine Nennfrequenz erregt und dann die Zahl der Schwingungen auf eine pro Sekunde reduziert. Nachdem die Zusammenarbeit mit Siemens im laufenden Prozess abrupt endete, fand man in Motorola einen neuen Partner für den Quarzresonator. Insgesamt wurden etwa eine Million W666 und W667 in Schramberg gefertigt, ab 1977 auch chronometerzertifiziert.
Wie heute allseits bekannt, hat die Quarztechnologie eine der schwersten Krisen in der Uhrenbranche ausgelöst und für viele Hersteller mechanischer Zeitmesser das Aus gebracht. Junghans, damals eine Tochter des Diehl-Konzerns, stellte 1976 die Produktion mechanischer Werk komplett ein und setzte in den folgenden Jahren mit innovativen Quarz-, Funk-, Multifrequenzfunk- und Solartechnologien Maßstäbe. Heute machen diese um die 50 Prozent desgesamten Portfolios aus. Die andere Hälfte tickt mechanisch. sz

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