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Longines: CEO Matthias Breschan im Interview

Longines CEO Matthias Breschan
© Longines
Seit 2020 verantwortet Matthias Breschan als CEO die Aktivitäten bei Longines. Neu ist er in der Swatch Group aber nicht, zuvor war er bei Rado und Hamilton in der Managementposition. Als wir Anfang des Monats die Traditionsmarke aus Saint-Imier bei Ihrem Pop-up-Event auf Sylt besuchten, haben wir mit ihm über die Besonderheiten der Marke, die wichtigsten Kollektionen und seine ganz eigene Beziehung zu Uhren gesprochen.

Longines CEO Matthias Breschan im Interview

Hält seit 2020 die Zügel bei Longines in der Hand: Matthias Breschan © Longines
WatchTime: Sie sind 2020 zu Longines gewechselt, eine schwierige Zeit um Neues voranzutreiben. Wie hat sich die Marke trotz aller unvorhersehbaren Schwierigkeiten unter Ihrer Leitung entwickelt?Matthias Breschan: Gut. Die Marke war ja sehr stark und solide, wie ich sie übernommen habe. Man muss immer daran denken, dass es niemals die Marke sein darf, die sich an einen CEO anpassen muss, sondern immer umgekehrt. Der CEO sollte sich immer an die Marke anpassen. Und deshalb lag es ganz an mir, zu erkennen, wo wirklich die Stärken oder sagen wir mal die Eckpfeiler sind, die Longines, so stark gemacht haben, um diese zu verbessern oder zu weiterzuentwickeln. Und um sicherzustellen, dass Longines auch in den nächsten Jahren so stark bleibt. Das ist mit Sicherheit der Punkt Heritage. Longines hat eine unglaubliche, einzigartige und wunderschöne Geschichte. Die ist wirklich authentisch. Wir müssen nicht irgendwelche Geschichten an den Haaren herbei ziehen, wenn wir Modelle neu entwickeln, die Geschichte ist ja da. Dazu hat Longines den Vorteil, gleichermaßen stark im Bereich Sportuhren als auch im Bereich der klassischen Uhren zu sein. Selbst in den letzten Jahren, wo Sportuhren, vor allem Taucheruhren, sich praktisch bei jeder Marke gut verkauft haben, hat ist bei Longines die Master-Familie immer noch die Nummer eins. Natürlich haben wir auch die HydroConquest sehr gut verkauft, aber die Master ist unsere stärkste Linie. Und das gibt uns jetzt einen Riesenvorteil, da wir in diesem Jahr wieder einen Trend in Richtung klassische Uhren sehen. Viele unserer Mitbewerber, die sehr sportlastig sind, haben versucht, klassische Uhren zu entwickeln. Das hat nie richtig funktioniert.Der dritte Bereich, in dem wir wirklich einzigartig stark sind, ist, dass wir genau 50 % an Damen- und Herrenuhren verkaufen. Da gibt es einen großen Unterschied zu den anderen Marken, bei denen die Verteilung auf 80 %, 90% fällt. Vielleicht der letzte Punkt noch liegt in der Positionierung. Wir haben keine Ambitionen, die Marke neu zu positionieren, wir möchten im Preissegment zwsichen 1.000 bis 5.000 Euro bleiben. Wir versuchen dazu wirklich die beste Technologie einzubeziehen, was wir auch geschafft haben, zum Beispiel mit unserer Spirit Flyback, die man ja auch in einer anderen Preiskategorie bringen könnte. Wir machen dazu aber auch keine Kompromisse an der Qualität des Werkes. Das ist uns ganz wichtig, dass wir in dem Preissegment bleiben aber aber keine Kompromisse bei der Qualität eingehen.WatchTime: Die reiche Geschichte der Marke ist demnach eine ständige Inspirationsquelle für die Marke. Wie schafft die Marke den Spagat zwischen Tradition und einem modernen Ansatz?Matthias Breschan: Wir wollen jetzt nicht in den Markt für Certified Pre Owned Watches einsteigen. Für uns sind Vintage-Uhren sehr wichtig, dazu zählen wir Uhren, die über 30 Jahre alt sind. Sie sind Instrumente, um unsere Geschichte zu erzählen. Zum Beispiel, wenn wir eine Ultra-Chron lancieren. Eine Hochfrequenz-Uhr. Wahrscheinlich eine der wenigen Uhren mit einem Hochfrequenzwerk unter 5.000 Euro. Die Geschichte dahinter ist gigantisch, die Uhr hat ja wirklich die Hochfrequenztechnologie geprägt – eine Technologie, die die Zeitmessung bei Sportevents revolutioniert hat. Damit kamen wir als erster im Jahr 1914 auf eine Zehntelsekunde, 1916 dann auf die Hundertstelsekunde. Das ist, was wir in unserem Vintage Corner zeigen wollen. Das neue Modell ist natürlich von dem alten Modell inspiriert. Aber wenn wir zwei, drei alte Uhren auf dem Markt finden, dann kaufen wir die, restaurieren sie und zeigen sie daneben. Das ist wirklich eine Inspiration. Diese Modelle geben einen Bezug zur Vergangenheit.Wir versuchen dann nicht einfach eine Replica Uhr des Originals zu lancieren, sondern diese Uhr samt brandneuem Uhrwerk mit der besten Technologie ins Jetzt rüberzubringen. Das heißt, wir arbeiten mit zeitgemäßen Komponenten wie Siliziumspirale und weiteren aktuellen Materialien. Das ist für uns wichtig, weil es ein Qualitätsmerkmal ist, die beste und aktuellste Technologie zu verwenden für solche Uhren. Wir stellen zwar einen Bezug mit der Vergangenheit her, die durch Design-Codes klar erkennbar sind, aber wir versuchen dann eine Spur Contemporary Design einfließen zu lassen sowie eine State-of-the-art-Technologie.WatchTime: Was unterscheidet das Collectors Corner dann wirklich von den anderen Vintage-Uhren-Angeboten? Wie suchen Sie die Modelle aus, die dann getreut Ihrer eben geannten Philosophie für die Marke stehen?Matthias Breschan: Also ideal ist es, wenn wir Modelle anbieten können im Vergleich zu dem, was wir jetzt entwickeln. Als wir zum Beispiel die Longines Spirit Zulu Time neu aufgelegt haben, wäre es natürlich ideal, wenn wir am Markt dazu Uhren finden, die wir restaurieren können. Ebenso wie bei dem Flyback-Modell. Da haben wir auch ein paar Uhr gehabt, aber die sind auch sofort weg gewesen. Für uns ist es ein Mittel die Geschichte zu erzählen und und den Bezug zu schaffen.WatchTime: Kommen wir zu den aktuellen Modellen, Sie haben vorhin gesagt, dass die Master nach wie vor die meistverkaufte Kollektion ist. Welches sind die wichtigsten Neuheiten für Longines in diesem Jahr?
Longines: HydroConquest GMT mit grünem Sonnenschliff-Zifferblatt © Longines
Matthias Breschan: In diesem Jahr waren es die Pilot Majetek und die Spirit Flyback in der ersten Jahreshälfte. Wir haben jetzt gerade eine HydroConquest GMT veröffentlicht und wir haben ein sehr großes Event in September, wo wir eine weitere wichtige Neuheit präsentieren.
"Wir richten eine unserer Prioritäten wieder auf den deutschen Markt. Da haben wir noch aufzuholen." -Matthias Breschan
WatchTime: Wie spielt dann so eine limitierte und ortsbezogene Sylt Edition in die Kollektionsplanung ein?Matthias Breschan: Ein großer Fehler der Vergangenheit war, dass wir einfach zugelassen haben, dass Einzelhändler, die sehr stark an Touristen verkauft haben, ein Sortiment aufschlugen, das für Touristen gedacht war. Das hätten wir nicht zulassen dürfen. Wenn man unsere Topseller anschaut im Rekordjahr 2019, dann waren das entweder Uhren, die wir an Touristen verkauft haben oder eine HydroConquest. Das war das einzige Modell, das wir im deutschen Markt wirklich an einen lokalen Kunden verkauft haben. Die Master-Kollektion – praktisch nicht existent. Die Linie DolceVita – nicht existent. Das wollten wir radikal ändern. Natürlich wollen wir weiter an Touristen an Urlaubsorten verkaufen. Da werden wir auch alles versuchen, weiter gut zu verkaufen. Aber wir können nicht den einheimischen oder den heimischen Kunden völlig aussperren oder vernachlässigen. Und vor allem nicht nur ein eingeschränktes Sortiment präsentieren. Wir haben ja mehr zu bieten. Und wir haben das Risiko ja erlebt, dass Touristen von einem Tag auf den anderen ausbleiben können. Dieses Risiko dürfen wir nicht mehr zulassen. Wir richten eine unserer Prioritäten wieder auf den deutschen Markt. Da haben wir noch aufzuholen.
Longines Pop-up-Store auf Sylt, vier Wochen zog es die Schweizer auf die Insel © Longines
Ein Beispiel ist, dass wir dieses Verhältnis 50:50 zwischen Herren- und Damenuhren überhaupt nicht in Deutschland gesehen haben. Eine DolceVita, PrimaLuna, GrandeClassique sind weniger im Fokus. Das wollten wir ändern. Als ersten Schritt haben wir uns für die erste deutsche DolceVita entschieden und Sylt als idealen Standort auserkoren. Unser Slogan "elegance is an attitude" wollten wir die Linie auf das „süße Leben“ auf Sylt abstimmen, das die Leichtigkeit, die Eleganz und den zeitlosen Stil vom Leben auf der Insel aufgreift – und das in unserem Pressegment zwischen 1.000 und 5.000 Euro. Denn normalerweise sind es verkleinerte Herrenmodelle, die man dann versucht an Frauen zu verkaufen, aber sonst gibt es wenige solcher Sondereditionen. Dafür sind uns die Händler auch wieder dankbar, da wir hier einen Markt kreieren. Wir bringen ihnen Klientel ins Geschäft, das sie vorher nicht hatten. Das ist, glaube ich, eine Sache, wo wir wirklich einen großen Schritt bereits vorangekommen sind, aber noch nicht fertig sind. Und ganz klar diese Idee, das mit dem Band zu machen, angepasst an die ikonischen Sylter-Strandkörbe.
Longines DolceVita Sylt Edition 2023 © Longines
WatchTime: Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Uhren allgemein beschreiben? Wenn Sie einmal von Ihrer CEO-Rolle wegdenken, sondern bevor Sie überhaupt in die Swatch Group eingestiegen sind?Matthias Breschan: Ich habe mich immer für Uhren interessiert. Ich war ein leidenschaftlicher Swatch Sammler. Ich habe nicht alle gesammelt, sondern mich auf die koonzentriert, die  mir gefallen haben. Ich finde, es ist unwahrscheinlich einfach, sich für Uhren zu begeistern und daraus eine Passion zu entwickelen. Ich habe diese Leidenschaft für Uhren und Schuhe.WatchTime: Was ist für Sie das wichtigste Kriterium bei der Auswahl einer neuen Uhr?Matthias Breschan: Der Bezug zur Vergangenheit ist etwas, was ich sehr emotional finde. Aber noch einmal, dieser muss authentisch sein. Ich hasse dieses Storytelling, von Marken, die einen Schmarrn manchmal daher reden, das ist ja manchmal schon fast kriminell. Eines der besten Beispiele ist, dass man eine andere Marke kauft und die Geschichte von dieser Marke nimmt und für die andere Marke einsetzt. Das ist doch überhaupt das Allerbeste, oder? Dabei machen die Marken ja tolle Produkte. Die kritisiere ich gar nicht, aber die haben einen Komplex, dass sie keine Geschichte haben. Und dann werden Daten herbeigesponnen, das ist unglaublich, gerade im Bereich Aviation. Was dort für Schwachsinn erzählt wird, das ist unglaublich. Da haben wir einfach einen Vorteil. Wir haben eine super coole Geschichte mit ihren Anekdoten und alles ist authentisch. Also das ist mir wichtig. Und natürlich mehr mechanische Uhren als alles andere.
Eine Auswahl aktueller Longines Uhren © Longines
"Sie können nicht hergehen und das gleiche Modell von einem Tag auf den anderen um 50 % teurer verkaufen und sagen: 'das ist Luxus.' Das ist Betrug am Konsumenten." - Matthias Breschan
WatchTime: Das sagen Sie auch als ehemaliger, leidenschaftlicher Swatch-Sammler?Matthias Breschan: Gut. Das war eine andere Zeit. Swatch war für mich einfach das coolste Lifestyleprodukt. Mein Geschmack oder sagen wir meine Beziehung zu Uhren hat sich natürlich auch entwickelt. Dazu muss ich sagen, was Swatch jetzt macht, ist fantastisch. Vor allem die MoonSwatch ist ausgezeichnet, keine Frage. Aber sonst bin ich natürlich jetzt auch beeinflusst von dem, was ich miterleben darf. Ein Punkt, der für mich wahnsinnig wichtig ist, ist ganz klar das Preis-Leistungs-Verhältnis. Ich erschrecke manchmal wirklich, wenn sich Marken repositionieren. Das einzige, was sie ändern, ist der Preis. Sie können im Grunde ja alles repositionieren, aber wenn man eine Marke repositioniert, sollte man nicht nur den Preis ändern, sondern bevor man den Preis ändert, muus die Substanz geändert werden. Dann muss man ein anderess Qualitätslevel aufbauen. Aber Sie können nicht hergehen und das gleiche Modell von einem Tag auf den anderen um 50 % teurer verkaufen und sagen: "das ist Luxus." Das ist Betrug am Konsumenten.WatchTime: Welche Uhr tragen Sie derzeit am häufigsten?Matthias Breschan: Ich trage nach wie vor die Spirit Zulu Time, weil ich mir gesagt habe, ich möchte den Flyback erst dann tragen, wenn wir das Angebot aufgrund von Lieferschwierigkeiten wirklich deutlich verbessert haben. Das wäre mir fast peinlich, jetzt eine Flyback zu tragen. Wenn ich weiß, dass es sehr viele Kunden gibt, die auf die Uhr warten. Die Liefersituation verbessert sich auch, aber wir sind nach wie vor im Rückstand, weil die Uhr sich einfach wahnsinnig gut verkauft hat.WatchTime: Können Sie sich noch an Ihre erste uhr erinnern?Matthias Breschan: Ja, ich habe die sogar noch. Eine Swatch, aber ich muss sagen, ich weiß nicht, wie sie heißt. Eine blaue Plastikuhr. Und ich wache jeden Tag noch mit zwei Swatch Uhren auf. Können Sie sich noch an diese damals lancierte Uhr mit der Internet-Time und den vier Drückern erinnern? Das ist jetzt glaube ich 30 Jahre her, seit ich diese Uhr habe.Vielen Dank für das Gespräch.

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