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Interview: Phillips Star-Uhrenauktionator Aurel Bacs über begehrte Sammlermarken

Aurel Bacs: Uhrenauktionator Phillips
© AST PHOTOGRAPHY & DESIGN
Aurel Bacs ist einer der erfolgreichsten Uhrenauktionatoren der Welt. Wir sprachen mit ihm darüber, wie die Pandemie den Markt verändert und warum Uhrensammeln so ein begeisterndes Hobby ist.
Wie haben Sie das Corona-Jahr erlebt?Im März 2020 dachte ich: Das ist das Ende. Ich habe mich gefühlt wie ein Formel1-Fahrer, dem man sagt, dass es im nächsten Jahr kein Benzin mehr gibt. Zu einer guten Uhrenauktion gehört das Publikum im Saal. Natürlich hatten wir auch vorher bei Auktionen immer Kunden, die am Telefon oder online mitboten. Aber dass die über Nacht migriert sind von Saal zu Telefon, schriftlich, online, und nicht nur auf einem gleichen, sondern sogar auf einem höheren Niveau mitbieten, und das, ohne in Genf die Uhren gesehen zu haben, sondern nur über Vertrauen – das war für uns eine tolle Überraschung. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, lediglich 20 oder 50 Kunden im Saal zu haben. Es funktioniert.Viele Händler und Hersteller haben unter den Lockdowns stark gelitten, manche aber auch profitiert. Wie war das bei Phillips?Im Lockdown konnten viele Menschen ihre Hobbys, ihre Yacht oder ihren Sportwagen, nicht pflegen. Das hat entsprechend Geld für den Kauf von Uhren freigesetzt. Und die Uhr als solche hat sich als ein sehr pandemieresistentes Sammlerobjekt erwiesen. Ich hatte sogar Kunden, die mir sagten: "Dank meiner Uhrensammlung bin ich ohne Depressionen durch den Lockdown gekommen."Die Frage, ob eine mechanische Uhr ein gutes Anlageobjekt ist – und wenn ja, welche –, hören Sie bestimmt mehrmals täglich. Was sagen Sie dem, der das fragt?Im Nachhinein ist es immer einfach, über eine Wertentwicklung zu sprechen. Aber selbst mit über 30 Jahren Erfahrung kann ich heute immer noch nicht behaupten, ich wüsste, welches Modell in einem Jahr zehn Prozent mehr oder weniger wert ist. Denn es spielen so viele Faktoren mit. Zunächst einmal gibt es Einflüsse aus der Modewelt – ich kann mir vorstellen, dass die nächste Chanel-Kollektion oder das nächste Mercedes-Cabrio beeinflussen werden, was wir schön finden und was nicht. Dann kann ein berühmter Fußballspieler, der eine Nautilus, Royal Oak oder Richard Mille trägt, andere Menschen auf dem Globus inspirieren, sich auch so ein Modell zulegen zu wollen. Die wirtschaftliche Lage spielt eine Rolle, die Börse, die Frage, welche Rettungspakete uns beschert werden, Kriege, Ölknappheit und so weiter. Aus diesen Gründen gebe ich niemals Tipps für Investitionen oder Anlageberatung. Sondern ich hoffe, dass ich es schaffe, einem Menschen die Uhr zu empfehlen, die für ihn die richtige ist. Damit er in fünf Jahren sagt: Toll, jeden Morgen beim Aufziehen habe ich ein Lächeln im Gesicht. Wenn er dann zusätzlich noch Geld verdient, ist es schön für ihn, aber das soll nicht unser Ziel sein.Ist es aber nicht doch so, dass viele Leute Uhren kaufen, um einen Gewinn zu machen, und nicht, weil sie sie schön finden?Ich glaube, das ist bei unseren Kunden weniger der Fall.Warum?Wenn jemand zu uns kommt, eine alte Patek Philippe in die Hand nimmt und dann beginnt, über Themen wie Kaliber, Referenzen, Zifferblattvarianten zu sprechen, über Fragen wie restauriert/nicht restauriert oder poliert/nicht poliert, dann tut er das, weil er sich wirklich für Uhren interessiert. Den meisten geht es um die Uhr selbst, nicht um einen zu erzielenden Gewinn.In den letzten Jahren sind die Preise auf den Secondhandmärkten für Uhren förmlich explodiert. Woran liegt das?Da kommen verschiedene Aspekte zusammen. Erstens: Die Käuferschicht, die sich eine Uhr für zehn-, zwanzig- oder hunderttausend Dollar kaufen kann, ist seit 20 Jahren stetig gewachsen – dank neuer Märkte wie in Asien, dank vieler zusätzlicher Menschen, die sehr erfolgreich waren. Zweitens: Man kann nichts begehren, was man nicht kennt. Über Publikationen wie Ihre verfügt der Durchschnitts-Weltbürger heute über mehr Wissen über schöne, werthaltige mechanische – neue oder alte – Sammleruhren als etwa vor zehn Jahren. Drittens: Es ist heutzutage schwer, sein Geld gut anzulegen. Die Uhr ist ein guter Hafen, um sein Geld ohne größeren administrativen Aufwand zu „parken“, und die größte Dividende ist die Freude, die man damit hat. Darüber hinaus gibt es weitere Aspekte: Es ist spannend zu sehen, wie viele Berühmtheiten plötzlich per du sind mit Menschen, die sie früher nie kennengelernt hätten, nur weil sie sich auf dem Uhrenniveau austauschen können. Wenn man zu einem Uhrenfan wie dem Gitarristen John Mayer sagen kann: Ich habe die gleiche Handaufzugs-Daytona wie du, ist das etwas anderes, als wenn man ihn nach einem Autogramm fragt. Da ist gleich eine Ebene da, und die führt vielleicht dazu, dass man sich bei einem Bier über Details der Uhr unterhält.
Philippe Dufour: Grande Sonnerie © PR
Ist Uhrensammeln also das perfekte Hobby für das 21. Jahrhundert?Ich denke, ja. Wir haben immer weniger Quadratmeter zum Wohnen zur Verfügung. Wie soll man heute Gründerzeitmöbel sammeln mit Decken, die nicht mehr drei oder vier Meter hoch sind? Immer mehr Menschen, immer weniger Platz. Zudem sind – abgesehen von der Pandemie – die Menschen immer mehr unterwegs. Aber das Möbelstück, das Kunstwerk, das bei mir zu Hause ist, kann ich nicht sehen, wenn ich zwei Wochen unterwegs bin. Die Uhr aber kann ich mitnehmen. Und dann gibt es noch ein eher trauriges Thema: Man hört leider immer wieder von Zwischenfällen, bei denen jemand seinen Bentley oder Maserati in der Innenstadt abstellt, und wenn er zurückkommt, findet er sein Auto mit einem riesigen Kratzer auf der Seite wieder. Mit 100.000 Euro unter der Manschette kann ich viel diskreter durch die Innenstadt gehen. Auch administrativ ist das Kaufen und Verkaufen von Uhren kein großes Problem – kein Vergleich zum Kauf oder Verkauf eines Autos oder Schiffes. Somit bin ich mit der Uhr schneller liquide, wenn ich kurzfristig Geld benötige.Beobachtet man den Auktionsmarkt seit Jahren, konzentriert sich fast alles auf Patek Philippe und Rolex, vielleicht noch Audemars Piguet.Jein. Natürlich gibt es das Bonmot, wonach es nur vier Uhren gäbe, die überleben können: Daytona, Nautilus, Royal Oak – und Richard Mille. Aber die Wahrheit ist nicht ganz so schwarzweiß: Auch einzelne unabhängige Uhrmacher wie F. P. Journe, Philippe Dufour, De Bethune, Voutilainen und andere sind sehr erfolgreich – natürlich bei minimalen Stückzahlen. Aber auch ein Klassiker wie eine Omega Speedmaster ist ein Riesenerfolg. Zur Konzentration auf die von Ihnen genannten Marken tragen sicherlich auch die sozialen Medien bei: Die Zuspitzung auf bestimmte Modelle hängt auch zusammen mit dem Prestige, das man gewinnt, wenn man nicht nur seinem Gegenüber, sondern der ganzen Welt seine Uhr präsentieren kann.
Rolex: Deep Sea Special Bicolor 1960 © Rolex
Was würden Sie jemandem empfehlen, der noch nie auf einer Auktion ge- oder verkauft hat, das aber einmal ausprobieren möchte?Hemmungen braucht niemand zu haben. Sicher gibt es Menschen, die sehen, dass wir eine Rolex Daytona Paul Newman für 17 Millionen versteigert haben und dann befürchten, wir würden uns mit ihnen nicht abgeben, wenn sie "nur" fünf- oder zehntausend Euro für eine schöne alte Rolex oder Omega ausgeben möchten. Das ist aber nicht so. Schreiben Sie uns, rufen Sie uns an! Wir beraten jeden einzelnen Kunden nach bestem Wissen, was die Vorteile der jeweiligen Uhr sind: Für welche Alltagssituationen, für welchen Sport ist sie geeignet? Braucht sie einen Service? Was kostet dieser? Welche Teile sollten ersetzt werden oder wurden schon ersetzt? Wie groß ist die Chance, in sechs Monaten eine ähnliche Uhr zu bekommen, wenn man diese bei der Auktion verpasst? Wie weit würden wir beim Bieten gehen? Die Beantwortung all dieser Fragen gehört zu unserer Beratung, und das in 20 Sprachen und 10 Zeitzonen, rund um die Welt. Insofern agieren wir wie ein gutes Fachgeschäft – mit einer Ausnahme: Wir sind nicht an bestimmte Marken gebunden. Wir haben keine Scheu davor zu sagen, diese Marke oder jene Uhr ist vielleicht doch nicht das Richtige für Sie. Wir helfen unseren Kunden vor der Auktion, sich zu 99 Prozent eine Meinung über die Uhr zu bilden – das letzte Prozent ist dann Geschmackssache. Wir helfen auch beim richtigen Berechnen des Zuschlagspreises.
Rolex: Deep Sea Special Bicolor 1960 © Rolex
Was heißt das konkret?Der Kunde sagt uns, was er maximal ausgeben möchte, bis die Uhr bei ihm zu Hause auf dem Wohnzimmertisch liegt. Von da ab rechnen wir zurück, ziehen Aufgeld und gegebenenfalls Transportkosten oder Steuern ab, sodass er sein Budget kennt.Warum sollte man sich an Sie wenden und nicht zum Beispiel an Chrono24?Wir sind noch relativ altmodisch, was den persönlichen Kontakt angeht. Mein eigener, persönlicher Name steht auf unserem Auktionskatalog. Wo Phillips draufsteht, ist auch Phillips drin. Sie kaufen von uns eine Sammleruhr, nicht von Dritten. Ich habe nichts gegen Transaktionen online, ganz im Gegenteil, aber ich weiß nicht, wie viele Menschen bei Plattformen den persönlichen Kontakt mit international anerkannten Experten vermissen, die seit Jahren für das gleiche Haus arbeiten. Bei uns hat ein Mitarbeiter die Uhr in der Hand gehabt, bei Onlinevermittlern nicht, sondern der Verkäufer. Unsere Experten haben die Vorgeschichte der Uhr recherchiert. Sie wissen von einem unserer Uhrmacher, wann sie zuletzt geölt wurde und welche Teile vielleicht ersetzt werden müssen. Bei jemandem, der fünf- oder sechsstellige Beträge ausgibt, kann ich nicht erwarten, dass er nur einmal mit der Maus klickt und so die Uhr kauft. Ein weiterer Grund, um zu uns zu kommen: 90 Prozent der Uhren, die Phillips verkauft, finden Sie gar nicht auf einschlägigen Websites. Schauen Sie beispielsweise mal online, wo Sie eine Uhr von Philippe Dufour bekommen. Wenn Sie eine Dufour wollen, kommen Sie zu Phillips, denn in unserer Novemberauktion standen dort gleich vier Modelle zum Kauf. Letztlich gibt es für jeden Käufertyp die richtige Lösung: Für manche ist es eine Onlinevermittlerplattform, für manche sind wir es. buc

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