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Lesedauer 6 Min.

Replica-Uhren: „Es existieren mehr Kopien als Originale“

Von der Schweizer Zollbehörde beschlagnahmte Replica Uhren kurz vor ihrer Vernichtung.
© PR
Das Gebäude rundet sich im sachlich Zurückhaltenden etwas von der Ecke eines Platzes unweit des Bieler Hauptbahnhofes ab. Der Hauptsitz des Schweizer Uhrenindustrieverbandes, kurz FH, ist von der sachlichen Nüchternheit geprägt, wie man sie von einer eidgenössischen Interessenvertretung nicht ganz zu Unrecht erwartet. Beim Betreten ahnt niemand, dass sich direkt hinter schlichten Bürotüren die Kampfzone gegen den Betrug mit gefälschten Uhren, auch bekannt als Replica-Uhren, befindet.

Der Schweizer Uhrenindustrieverband FH identifiziert Replica-Uhren – und dokumentiert Beweise

Wir betreten ein kleines Büro mit einer Einrichtung, die uns bekannt vorkommt. Tatsächlich sind hier die Uhrmacherin Anne-Laure Droz und der Uhrmachermeister David Luther damit beschäftigt, Replica-Uhren als solche zu erkennen und beweiskräftig und gerichtsverwertbar zu dokumentieren. David Luther legt uns ein sehr schönes Exemplar unter seine hochauflösende Kamera, die mit seinem Monitor verbunden ist. Tatsächlich ist es in diesem Beispiel auch ihm erst gelungen, die Fälschung nach Öffnen des Keramikgehäuses als solche zu erkennen.
Uhrmachermeister David Luther untersucht eine vermutliche Fälschung.
Uhrmachermeister David Luther untersucht eine vermutliche Fälschung. © PR
Das Modell eines Schweizer Nobelherstellers wurde gezielt auf einem Online-Portal eines sogenannten Replica-Anbieters erworben, um es hier eingehend zu untersuchen. Nach der Begutachtung des Werkes ist schnell klar, dass es sich, trotz des nachgeahmten, mit felgenähnlichen Strukturen des Originals versehenen Rotors um ein schlichtes Sea-Gull-Werk handelt. Dieser dank des mittlerweile ausgelaufenen Patentschutzes völlig legale Nachbau des 2824 ist weit verbreitet und entspricht in den Abmessungen und Zeigerpositionen dem ETA 2824. Durch eine eingestanzte ETA-Punze wird der legale Nachbau jedoch zu einer kriminellen Fälschung die, wie viele andere Replica-Uhren, mehr zu sein vorgibt, als sie ist.

Replica-Uhren werden miteinander verglichen, um sie Quellen zuzuordnen

Unser Fachmann scannt die Punze hochauflösend ein und sucht in seiner umfassenden Datenbank – jährlich werden 600 bis 800 solche Untersuchungen hier durchgeführt – nach einem Pendant aus einer anderen Fälschung. Hier werden nicht Originale mit Fälschungen verglichen, sondern Fälschungen untereinander auf Gemeinsamkeiten untersucht, um festzustellen, welche Replica-Uhren aus den gleichen Quellen kommen. Das sei oft vor Gericht wichtig, erläutert uns Yves Bugmann, der Justitiar der FH. Denn vor Gericht behaupten die Fälscher oft dreist, das sei ihre erste Fälschung, weil sie gerade mit ihrem Betrugsgeschäft begonnen hätten. Mit dieser Ermittlungsmethode gelingt es jedoch nachzuweisen, dass entsprechende Replica-Uhren bereits seit Jahren auf dem Markt sind.
Schweizer Uhrenindustrieverband FH: Yves Bugmann, Justitiar, und Jean-Daniel Pasche, präsident
Schweizer Uhrenindustrieverband FH: Justitiar Yves Bugmann und Präsident Jean-Daniel Pasche (rechts). © PR
Dem gleichen Zweck dient auch der nächste Kontrollschritt. Diesmal gelangt der Schriftzug »Automatic« auf dem Zifferblatt der Fälschung ins Raster der Fahnder. Er wird vergrößert und nach typischen Fehlern untersucht, welche der verwendeten Druckmaschine eigen sind. Wie früher der Erpresserbrief einer bestimmten Schreibmaschine zugeordnet werden konnte, identifizieren die Fachleute der FH typisch wiederkehrende Merkmale und ordnen so die Fälschungen verschiedener Modelle einer bestimmten Quelle zu.
Spurensicherung: Fälschungen lassen sich einzelnen Maschinen zuordnen
Der Fachmann der FH erkennt, auf welcher Maschine die Replica-Uhr angefertigt wurde. © PR

Einige Replica-Uhren kommen den Originalen erschreckend nah

Die meisten Replica-Uhren bewegen sich in drei bis vierstelligen Preisbereichen, aber in einer kleinen Vitrine zeigt man uns einige spektakuläre Fälschungen, welchen man die Zerstörung erspart hat, um sie als Anschauungsobjekte einzusetzen. Es sind bekannte Modelle aller Schweizer Marken darunter.
Die Vitrine beherbert besonders eindrucksvolle Replica Uhren.
Die Vitrine beherbergt besonders eindrucksvolle Replica-Uhren. © PR
Besonders spektakulär ist ein funktionales Tourbillonmodell einer Schweizer Marke. Von erstaunlicher Qualität ist auch ein sehr hochwertig gestaltetes Tourbillon einer Glashütter Firma. Zu letzterem fehlt allerdings ein Original, da das Modell mehr der Fantasie des Fälschers entspringt. Sehr nahe am Original ist wiederum ein populäres Taucheruhrenmodell. Dieses ist sehr aufwändig kopiert, bis hin zum Kautschukband mit patentierter Tauchverlängerung in der Edelstahlfaltschließe. Und dieses Modell, erläutert uns Jean-Daniel Pasche, der Präsident der FH, der uns bei unserem Rundgang begleitet, fiel den Fahndern bereits drei Monate nach der Vorstellung des Modells auf der Baselworld in die Hände.

Replica-Uhren werden zunehmend über soziale Plattformen angeboten

Beeindruckt von der detektivischen Kleinarbeit begeben wir uns einige Türen weiter in die sogenannte »Internet-Zelle«. Hier beobachtet Carole Aubert, Leiterin der Internet Unit, gemeinsam mit Yves Brouze das weltweite Geschehen im Internet-Handel. Auch hier hat die FH in den vergangenen Jahren sowohl bei der Aufklärungsarbeit wie bei der Bekämpfung der Angebote respektable Erfolge erzielt. Dennoch sind die Fälscher überall aktiv, wo es Geld zu verdienen gibt. Zunehmend auch über soziale Plattformen wie Youtube, Instagram oder Facebook. Allein bei Youtube wurden bereits 23 900 Videos geschlossen, in denen zum Kauf von Replica-Uhren aufgerufen und verlinkt wurde. Eine stolze Zahl, da bei Youtube aber je Sekunde 60 Minuten Videomaterial hochgeladen werden, erkennt man, welcher Macht man gegenübersteht. Dennoch, so erläutert uns Carole Aubert, überwacht man mit einer speziell programmierten Monitoring-Software weltweit alle Plattformen. Durch intensive, auch juristische Prozesse, letztlich aber vor allem durch vorgeschaltete Filterfunktionen seitens der Anbieter bekannter Verkaufs- und Auktionsportale wie Ebay, sind diese zumindest von offensichtlichen Replica-Uhren nahezu frei. Seither, so Aubert weiter, habe sich das Geschehen stark nach Asien verlagert. Dort ist die Rechtsverfolgung der Anbieter schwieriger, aber die Handelsplattformen selbst sind der Zusammenarbeit gegenüber aufgeschlossen, da sie am Umsatz verdienen und erkannt haben, dass Fälschungen auch ihrem Geschäftsmodell schaden. Im Jahr 2013 hat man insgesamt rund 280.000 Auktionen gestoppt. Allein im Januar 2014 waren es 40.000. Das zeigt, wie dynamisch dieser Bereich wächst.

Websites mit Replica-Uhren und verdächtige Mailadressen werden markiert

Das globale Monitoring verfolgt auch die Hoster entsprechender Seiten, diese befinden sich mit auffälliger Häufigkeit in Estland, Holland und Malaysia. Die Internet Unit hat rund 6.000 Webseiten auf dem Schirm, welche Replica-Uhren anbieten. Gerade ist eine erste Seite auf Arabisch aufgetaucht. Diese Seiten erhalten durch die FH einen Score, das heißt je mehr Fälschungen auftauchen, desto genauer wird die Seite beobachtet. Aber auch verdächtige Mailadressen, über die entsprechende Käufe häufig erfolgen, werden erfasst und verfolgt. Vor allem die Zusammenarbeit mit den Kreditkartenunternehmen habe sich zudem deutlich verbessert. Wer über diese seine kriminellen Geschäfte abwickelt, dem kündigen die Institute nun die Zusammenarbeit. Das erweist sich als sehr wirksames Mittel, da die Kunden mittlerweile durch die Aufklärungsarbeit keine Bargeldanweisungen mehr tätigen.
Gekaperte Seite mit Replica Uhren: www.replicaswisswatches.com
Gekaperte Seite mit Replica Uhren: www.replicaswisswatches.com © PR
warnung-auf-website-mit-replica-uhren
Warnung auf Website mit Replica Uhren. © PR
Bei manchen Seiten in den USA gelingt es, auf juristischem Weg der Seite Herr zu werden und sie zu »kapern«. Statt der gesuchten Uhren findet der eventuell zum Fälschungskauf geneigte Kunde dann Warnhinweise der FH, welche in der Optik dem ursprünglichen Angebot angepasst sind und dem potenziellen Käufer noch einmal die Gefahren seines Verhaltens und den dadurch verursachten Schaden deutlich machen. Ein anschauliches Beispiel findet sich unter www.replicaswisswatch.com.

Wer Replica-Uhren kauft, unterstützt kriminelle Interessen – und schadet sich selbst

Neben der Tatsache, dass er Kriminellen sein Geld zukommen lässt, hat er im Zweifelsfall auch den Schaden. Untersucht der Zoll den Inhalt seines bestellten Päckchens, wird die Uhr einbehalten und kostenpflichtig zerstört. Das bereits überwiesene Geld für seine Fälschung sieht er vermutlich vom Versender auch nicht wieder. Das typische Publikum für Replica-Uhren, weiß FH-Präsident Pasche aus seiner Beobachtung in der Schweiz, »ist überwiegend männlich und eher jung.« Und er vermutet, dass es sich in Deutschland ganz ähnlich verhält. Dieser Klientel, stimmt er auf Nachfrage zu, geht es dabei meist um das Zurschaustellen von Uhren, die man sich gar nicht leisten kann, im Freundeskreis. Um Replica-Uhren in großem Stil frühzeitig abzuwehren, erfahre ich auf meine eher scherzhaft gemeinte Frage, stehe man als Uhrenindustrieverband wortwörtlich selbst mit an der Grenze. Und zwar als Sachverständiger, wenn der Zoll beispielsweise vor der Baselworld die Uhreneinfuhren zur Messe oder zu den Veranstaltungen in den umliegenden Hotels kontrolliert. Hier bewähre sich die enge Zusammenarbeit mit den Fahndern. Ein sogenannter Antifälschungsdienst bearbeitet im Jahr zudem 600 bis 1.000 Uhren, bei denen Zweifel über die Herkunftsbezeichnung bestehen. Für viele Marken übernimmt der Verband auch die Vertretung, wenn Zweifel bei der Rechtmäßigkeit von »Swiss Made«-Bezeichnungen auftauchen. Aber auch in ausländischen Märkten ist der Verband tätig. So hat man im letzten Jahr in den Vereinigten Arabischen Emiraten 150.000 Replica-Uhren vernichtet. In China waren es sogar 860.000 Stück. 2014 rückt Lateinamerika in den Fokus der Ermittlungen, schon wegen der WM in Brasilien.
Vernichtungsaktion in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Vernichtungsaktion in den Vereinigten Arabischen Emiraten. © PR
Jean-Daniel Pasche ist sich sicher, dass auf dem Markt mehr Kopien als Originale unterwegs sind. Immerhin gelingt seinem Verband allein die Zerstörung von einer Million Replica-Uhren pro Jahr. Dazu bildet man in Kursen eigens Spezialisten bei den Zollbehörden in aller Welt aus, um sie für die Problematik zu sensibilisieren. Doch trotz aller Anstrengungen ist dem Problem der Fälschungen auf die Art nicht Herr zu werden. »Wo es einen Markt gibt, gibt es Fälschungen« resümiert Jean-Daniel Pasche. Worauf die FH setzt, ist vor allem Aufklärungsarbeit. Es geht darum, das Bewusstsein beim Verbraucher zu schärfen, dass man durch den Kauf von Replica-Uhren ausschließlich kriminellen Interessen dient. Man würde ja auch kein Geld für eine Probefahrt in einem gestohlenen Porsche bezahlen. tw Fotos: FH, Uhren-Magazin

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