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Carl Moritz Grossmann: Gründungsvater der sächsischen Uhrenindustrie

Carl Moritz Grossmann
© Deutsches Uhrenmuseum Glashütte, René Gaens
Wenn es um die Geschichte Glashüttes geht, darf ein Name nicht fehlen: Carl Moritz Grossmann (1826–1885). Er zählt zu den Gründungsvätern der sächsischen Uhrenindustrie, war maßgeblich am Aufbau der Deutschen Uhrmacherschule beteiligt und engagierte sich auch abseits von Werkbank und Lehrpult für das Gemeinwohl. Auf den Spuren eines passionierten Uhrmachers und Menschenfreunds.
Carl Moritz Grossmann wird am 27. März 1826 in Dresden geboren, sein Vater ist Briefsortierer beim Königlichen Hofpostamt in Dresden. Moritz wächst in bescheidenen Verhältnissen auf, doch dank seiner exzellenten schulischen Leistungen erhält er eine sogenannte »Freistelle« und studiert – ebenso wie Jahre vorher Ferdinand Adolph Lange – zwei Jahre lang an Dresdens Technischer Bildungsanstalt, dem Vorläufer der heutigen Technischen Universität. Im Jahr 1842 beginnt Grossmann bei Gottfried Friedrich Kumme (sen.) in Dresden eine Lehre als Uhrmacher, die er aufgrund seines Talents vorzeitig beenden darf. Nebenbei lernt er Englisch, Französisch und Italienisch. Während dieser Zeit freundet er sich mit dem elf Jahre älteren Uhrmacher Lange an. Beide sind ehrgeizig und haben große Visionen. Grossmann schwebt die »einfache, aber mechanisch vollkommene Uhr« vor.
Mit der Tremblage ließ Moritz Grossmann die gleichnamige historische Gravurtechnik neu aufleben. © Moritz Grossmann
Seine Wanderschaft führt den Dresdner 1847 zunächst zum Chronometermacher Moritz Krille nach Altona, dann zum Hofuhrmacher Josef Bierganz nach München. Wenig später zieht es ihn in die Schweizer Uhrenmetropole La Chaux-de-Fonds. Weitere Stationen der Wanderjahre sind England, Frankreich, Dänemark und Schweden. Erst 1854 kehrt er nach Dresden zurück, kurze Zeit später holt ihn Lange in das 30 Kilometer entfernte Glashütte, wo er mit Unterstützung der Regierung seine Vision von einer erfolgreichen Uhrenproduktion in Sachsen verwirklicht. Dort entwickelt er den »Glashütter Drehstuhl«, später konzentriert er sich auf den Ankergang der Uhren und die optimale Konstruktion der Chronometerwippe. Sein Tatendrang ist unerschöpflich. Er fertigt Präzisionswerkzeuge, Gangmodelle, feine Taschenuhren, Präzisionspendeluhren und Seechronometer. Unterstützung erhält er von Gleichgesinnten: Es gelingt ihm, ein Spezialistenteam mit den Uhrmacher-Koryphäen Ludwig Strasser und Carl Maucksch nach Glashütte zu holen. Das lässt ihm Zeit für die anderen Aspekte seiner Arbeit.

International anerkannter Experte und Fachautor

So hält er Vorträge, schreibt Aufsätze für in- und ausländische Fachzeitschriften und übersetzt Fachliteratur wie beispielsweise Claudius Sauniers mehrbändiges Standardwerk »Lehrbuch der Uhrmacherei«. 1866 gewinnt Grossmann in London als erster Deutscher überhaupt einen vom British Horological Institute ausgeschriebenen Wettbewerb mit dem Werk »Der freie Ankergang«. Darüber hinaus engagiert er sich auch sozial sehr vielseitig, gründet die Freiwillige Turnerfeuerwehr, den Glashütter Militärverein und setzt sich für eine Eisenbahnverbindung ins Müglitztal ein. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratet er 1871 erneut. Aus dieser Ehe gehen drei Kinder hervor. 1876 wird er Abgeordneter im Königlich-Sächsischen Landtag. Er initiiert, konzipiert und gründet 1878 die Deutsche Uhrmacherschule in Glashütte, wird ihr erster Aufsichtsratsvorsitzender und findet noch Zeit, Mathematik und verschiedene Sprachen zu unterrichten.Am 23. Januar 1885 stirbt Grossmann in Leipzig nach seinem Vortrag »Die Einführung der Weltzeit«, ein Thema, das im Kontext der Internationalisierung und der Zunahme des öffentlichen Transports von immenser Bedeutung war, an einem Gehirnschlag. Er wurde – wie übrigens auch sein Freund F. A. Lange – nur knapp 60 Jahre alt. Nach dem plötzlichem Tod wird die Manufaktur aufgelöst.
Der hochmoderne Firmensitz beherbergt alle Abteilungen für die Konzeption und Fertigung von Manufakturuhren in Luxusqualität. © David-Brandt.de
Dass der Name des großen Uhrmachers heute wieder in neuem Glanz erstrahlt, ist Christine Hutter zu verdanken. Die gelernte Uhrmacherin gründete 2008 mit einem Kreis Schweizer Investoren die Grossmann Uhren GmbH. Unter der Ägide der Branchenexpertin entstehen heute wieder hochwertige sächsische Zeitmesser mit einem bemerkenswerten Anteil an Wertschöpfung – von der ersten Skizze bis hin zum fertigen Produkt –, die an das Erbe anknüpfen und es im Kontext der Gegenwart interpretieren. Sie verstehen sich als eine Hommage an einen Mann, der sich mit Herz und Verstand für die Glashütter und die Uhrenindustrie einsetzte. sz

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