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Hands-on: Nomos Glashütte Tetra Neomatik 175 Years Watchmaking Glashütte

Nomos Glashütte: Tetra Neomatik, blaues Zifferblatt
© Nomos Glashütte
Mit vier limitierten Modellen schlägt die eckige Nomos Tetra neue Töne an. Hinter den schrillen Fassaden bleibt jedoch das traditionelle Handwerk der Glashütter Manufaktur unantastbar. Wie das zusammenpasst, zeigt der Test.
»O müsfik canavar zihnimizin dibikara kuyusunnda uyuyor...« Als bekennender Fan fällt mir in Betrachtung der neuen limitierten Uhrenedition Tetra neomatik – 175 Years Watchmaking Glashütte augenblicklich die »Bunte Republik Deutschland«, besungen von Udo Lindenberg, ein. »Denn graue deutsche Mäuse, die haben wir schon genug«, heißt es da in einer Zeile.

Der fesche Deutsche im knalligen Outfit und mit kantiger Figur

Dieser Gedanke muss doch den Designer von Nomos Glashütte durch die Köpfe geschossen sein, als sie die neuen, 3.060 Euro teuren, Tetras mit weißem, schwarzem, blauem und rotem Zifferblatt ersannen. Und nicht zuletzt wegen der extraordinären Tetra-Form sind diese limitierten Editionen aus der bunten Republik Deutschland oder besser gesagt »Made in Germany« etwas für – bildlich gesprochen – Menschen mit eckigen Köpfen. Da singt Udo vom »Fachmann für Bolero«. Dem traue ich die rote Ausführung der Tetra durchaus zu oder auch dem »Torero«. Die schwarze passt vielleicht zum »japanischen Sumo-Spezi«, die blaue zum »feschen Deutschen« und die weiße zu »ganzen Jumbos voller Eskimos«. Oh nein, dafür reicht die Auflage nicht, denn von der bekannten Rechteckuhr kommen als Tetra neomatik – 175 Years Watchmaking Glashütte nur jeweils 175 Exemplare in den vier Farben Off-White, Red, Blue und Black, wie Nomos sie – klar, wegen der Globalisierung ganz weltoffen – bezeichnet, heraus.
Eckige Eleganz: Das Tetra-Gehäuse ist nur 7,45 Millimeter hoch und sitzt gut am Handgelenk. © Nomos Glashütte
Farbige Versionen des ausgefallenen, quadratischen Nomos-Klassikers gibt es schon lange. Aber bisher waren es eher zarte Nuancen und zumeist Uhren mit dem Handaufzugkaliber Alpha. Da gibt es die »Unsterbliche Geliebte« mit türkisfarbenem Zifferblatt oder den »Götterfunken« mit kupferfarbenem Blatt. Grenadine hat beim Granatapfel gespickt, Matcha beim grünen Tee. Offenbar hat Nomos Glashütte jetzt genug des sanften Farbenspiels und lässt Tetra beinahe eskalieren – ebenso wie Udo den »Franzosen in seiner bodenlosen Lodenhose ...«. Denn die vier neuen Modelle sind zwar einerseits flache, elegante und – ausgestattet mit dem DUW-Kaliber 3001 – jetzt Automatikuhren, sie schlagen aber mit ihre knalligen Farben beinahe dem sprichwörtlichen Fass den Boden aus. Die sehr klaren Farben werden so auf das Basismaterial aufgebracht, dass auftreffendes Licht von den opaken Oberflächen nicht geschluckt, sondern reflektiert wird. Die besondere Technik erzielt eine Wirkung, die jener des Glasflusses, also der von Emaille, sehr ähnlich ist.Auf diese Weise entsteht eine beeindruckende Farbkraft von großer Klarheit und Tiefe. Die darauf aufgedruckte signifikante Nomos-Typographie erzielt auf jedem Zifferblatt eine andere Wirkung. Mit ihrem leichten Beige-Ton wirkt sie auf dem roten Blatt eher gelblich und auf dem blauen Untergrund fast weiß. Eine Ausnahme macht das weiße Blatt. Hier sind Ziffern, Indexe und Skalen in Blau aufgedruckt. Die dünnen Fadenzeiger kommen, wie bei allen anderen Modellen, stählern daher – bis auf den Zeiger der kleinen Sekunde, der hier – wie beim schwarzen Modell – rot ist, warum auch immer.
Farbakzente setzen der kleine rote Sekundenzeiger und die gebläute Spirale im DUW-Kaliber 3001. © Nomos Glashütte
Und da ist sie wieder, die bunte Republik Deutschland: »Die Uhren sind mutiger als der Sneaker zum Jackett«, behauptet Nomos-Produktchefin Heike Ahrendt: »Ob Business Coach oder NFT-Artist, Polit-Nachwuchs oder YouTube-Star, Molekularforscher oder Interior-Designerin, Nomos Glashütte hat bei diesen Uhren an selbstbewusste, moderne Menschen gedacht, die nicht dem Mainstream folgen. In ihrer Form und Größe sind sie weder feminin noch maskulin, sondern für alle da.«

Das Gehäuse der Nomos Tetra Neomatik 175 Years Watchmaking Glashütte

Na, das ist doch mal ausgesprochen zeitgemäß. Wobei die etwa 33 Millimeter Kantenlänge über die Größe der Tetra nicht hinwegtäuschen sollten. Über die Diagonale gemessen bringt es die eckige Schwester der Tangente auf 46 Millimeter und das ist wahrlich nicht winzig. Durch den schmalen Rahmen des zweiteiligen Gehäuses, dessen geringe Bauhöhe von nur 7,45 Millimetern, die kleine Krone und die feinen, zweistufigen Bandanstöße entsteht die dennoch elegante Ausstrahlung der Tetra. Mit eingepresstem Saphirglasboden ist sie spritzwassergeschützt, also bis drei Bar druckfest.
© Nomos Glashütte

Bodenständigkeit und Kompetenz mit dem Kaliber DUW 3001

Hinter der aufregend-farbigen und kantigen Fassade ist die Tetra aber ganz brav und bodenständig, ja beinahe ein bisschen konservativ. Hier lässt Nomos Glashütte nichts anbrennen und unterstreicht mit dem Automatikkaliber DUW 3001 die mittlerweile gestandene Manufakturkompetenz »Made in Germany«. Mit dem im Jahr 2015 in diesem Uhrwerk erstmals präsentierten hauseigenen Swing-System hatte sich das Unternehmen endgültig von Schweizer Zulieferern emanzipiert. Dessen Nomos-eigene Unruh oszilliert mit drei Hertz und temperaturgebläuter Carl Haas-Spirale aus dem Schwarzwald unter einer stabilen Brücke. Unter der für Glashütter Bauart typischen Dreiviertelplatine verschwindet im Falle des DUW 3001 nicht nur das Laufwerk, sondern auch das Sperrrad sowie das Doppelklinkenrad für den automatischen Aufzug. Bei letzterem handelt es sich um eine komplexe Baugruppe, welche die beidseitige Bewegung des Rotors in eine einseitige zum Spannen der Aufzugsfeder umwandelt. Das effizient arbeitende System baut im Federhaus eine Gangreserve bis zu 43 Stunden auf.
Off-White oder nicht-gerade weiß präsentiert sich diese Tetra ebenfalls sehr farbenfroh. © Nomos Glashütte
Beim Blick durch das runde Saphirglasfenster im eckigen Tetra-Sprengdeckelboden entdeckt man zudem die zahlreichen Glashütte-typischen Veredelungen wie die Nomos-Perlage auf der Grundplatte, Glashütter Streifenschliffe auf den Brücken und dem skelettierten Rotor, temperaturgebläute Schrauben sowie mit goldener Farbe ausgelegte Gravuren, zum Beispiel die der Werkregistrierung, denn bei Nomos werden alle Kaliber einzeln nummeriert. DUW steht für »Nomos Glashütte Deutsche Uhrenwerke«, was die Manufaktur stolz in Versalien auf dem Rotor des nach Chronometerwerten regulierten DUW 3001 vermerkt.

Gangwerte des DUW 3001

Die Frage, ob es wohl an den eckigen Gehäusen liegt, in die flache runde Automatikwerke eingeschalt werden, oder an den aufregenden Zifferblättern, dass jedes Uhrwerk ein bisschen anders tickt, bleibt für uns unbeantwortet. Immer aber bewegen sich die Gangwerte innerhalb der selbst auferlegten Chronometer-Toleranzen, wenn auch mit einigen Schwankungen, mitunter im Minus und manchmal im Grenzbereich. So geht das DUW 3001 in der roten Tetra bei Vollaufzug 5,9 Sekunden vor, das in der schwarzen 2,1 Sekunden nach. Nach 24 Stunden Gangdauer ohne zwischenzeitlichen Aufzug ist aber auch dieses Werk dann mit 2,8 Sekunden im Plus. Die rote Tetra bestätigt ihre Aufregung im Alltag mit einem Vorgang von 5,3 Sekunden am Handgelenk, während die schwarze ganz gelassen nur etwa eine Sekunde am Tag abweicht. So oder so: »Keine Panik auf der Titanic, würde Udo dazu sagen: »Es ist alles im Lot.«
Mut zur Farbe zeigt die Tetra mit roten Zifferblatt. Das braucht wohl auch Mut zum Tragen. © Nomos Glashütte
Nomos zeigt sich stolz darauf, die Tetra neomatik – 175 Years Watchmaking Glashütte, die es nur 175-mal pro Ausführung gibt, was auch jeweils eine Gravur auf dem Gehäuseboden belegt, mit einem Geschenk verbinden zu können: Die Nomos-Druckfaltschließe am rembordierten, von Hand geölten und mit Glaskugeln auf Glanz gestoßenen Band aus Genuine Horween Shell Cordovan, gibt es ohne Aufpreis dazu. Das Einfädeln des Stiftes der Schließe in das feste Lederband verletzt allerdings ein wenig den schönen Pferde-Popo, von dem das gute Stück Leder stammt. Zudem ist die Schlaufe der Schließe nicht fixiert und rutsch schnell mal in den Bereich des einseitig klappenden Verschlussteils. Ist nicht schlimm, kann aber in Eile beim Anlegen der Uhr etwas nerven.
Ganz traditionell zeigt sich die Tetra neomatik – 175 Years Watchmaking Glashütte von hinten – mit dem automatischen Manufakturkaliber DUW 3001. © Nomos Glashütte
Da das Leder vom Hinterteil des Pferdes, welches das Tier weder mit dem Schweif noch mit seinen Zähnen erreicht, besonders dick ist, braucht es auch seine Zeit, bis sich das Band am Handgelenk geschmeidig zeigt. So, wie es vielleicht auch seine Zeit braucht, bis man sich mit der knallig roten oder blauen Rechteckuhr unter die Menschen traut. Das ist sicher nicht jeder und jedem gegeben. »Bizimle digeri arasinda telörgüden görünmez bir cit örüyor.« MaRi

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