Hands-On: King Seiko Vanac
Die King Seiko Vanac im Hands-On: Design, Haptik, Werk
An einer Uhr wie der King Seiko Vanac scheiden sich die Geister. Ihre massige Form, ihr ungewöhnliches Aussehen, die spiegelnde Oberfläche und ihr schieres Gewicht: Sie hat jede Menge Eigenschaften, die dem einen als "too much" erscheinen, während der andere sie gerade wegen ihres Nonkonformismus ins Herz schließt.
Modellname: Kurz und eindeutig
Das erste, was mich an der Vanac faszinierte, war ihr Name. Ein Kunstname aus 5 Buchstaben, das kennt man von Markennamen wie "Rolex". Aber als Modellnamen kann man lange nach etwas Vergleichbarem suchen. Der kurze Name signalisiert Unvergleichlichkeit: Namenszusätze zur Abgrenzung innerhalb der Modelllinie sind überflüssig. Diese Uhr ist keine "Vanac Grande 41 mm Cushion-Shaped Sans Lunette Hommage à xy" und keine "Vanac 70th Anniversary Polished Stainless Steel Limited Edition" oder ähnliches. Sie ist nicht einmal eine Vanac bzw. eine King Seiko mit 3 Buchstaben und 3 Ziffern. Sie ist einfach die Vanac.
Die Gesamthöhe inklusive dem herausstehenden Deckglas liegt bei 14,5 mm.
WatchTimeDesign: Ein bisschen Brutalismus
Dann ist da ihr Gehäuse. Die Vanac ist auf einzigartige Weise gestaltet. Ihre Architektur erinnert an den Baustil des Brutalismus. Dessen Name leitet sich zwar vom französischen Wort für Sichtbeton (beton brut) ab, steht aber auch für große, flächige, teils kantige Formen, die schwer und gewaltig wirken. Im Uhrendesign ist der Stil sehr selten, kommt aber bei manchen Marken vor. Im Falle der Vanac gibt es freilich ein konkretes Vorbild im eigenen Haus: die zwischen 1972 und 1976 gebaute Vanac, auf die sich das heutige Modell bezieht. Damals brachte Seiko – und zwar wie heute unter dem Label King Seiko – unterschiedliche Varianten heraus. Mal mit runder, mal mit sechseckiger Lünette, teilweise mit facettiertem Deckglas, aber immer mit betont kantigen Gehäusen.
Geschwungene Linien: Seitenansicht der King Seiko Vanac
SeikoGehäuse: Spiegelnde Polituren
Die Vanac von 2025 atmet den Geist ihrer Vorgängerinnen, ahmt ihre Formen aber nicht nach. Vor allem hat sie keine Lünette, sondern lässt ihr rundes Saphirglas im Box-Stil weit aus der Gehäusebohrung herausragen. Die dreidimensionale Grundform des Gehäuses erinnert an ein Kissen. Ins Auge fallen vor allem die großen seitlichen Flächen. Sie sind spiegelblank poliert. Zwar nicht ganz im markentypischen Zaratsu-Stil, aber doch so, dass man die Objekte in ihrer Umgebung darin erkennen kann. Diese glatte Optik ist ein Hauptmerkmal der Vanac und verleiht ihr ihren ganz eigenen Charakter. Zwar gibt es genauso satinierte Flächen, doch die polierten sind so prominent, dass sie mich ein bisschen an die berühmte Rado DiaStar von 1962 erinnern. Deren aufs Basisgehäuse aufgestülpte, riesige Lünette ist zwar nicht kantig, aber ebenso prominent. Und ebenso spiegelglatt. Zurzeit kommen polierte Gehäuseoberflächen wieder in Mode – man sieht das etwa bei der Tudor Black Bay 54 Lagoon Blue aus diesem Sommer oder bei der Junghans Pilot Chronoscope von 2024. Kommen allerdings Fingerabdrücke auf die Fläche, ist es mit der schönen Optik vorbei. Das muss man wissen. Und dann fleißig putzen.
Statement am Handgelenk: King Seiko Vanac
WatchTimeHaptik: Massiv, aber gut zu tragen
Als ich die Vanac zum ersten Mal in die Hand nehmen konnte, überraschte mich aber etwas ganz anderes. Denn was die Haptik angeht, stiehlt das breite, sehr massive Band dem Gehäuse fast die Show. Die Vanac bringt nicht weniger als 192 Gramm auf die Briefwaage, und das liegt vor allem am stählernen Gliederband. Es fließt organisch aus dem Gehäuse heraus und beginnt bei einer Anstoßbreite von 27 mm, bevor es sich zur Schließe hin auf 21 mm verjüngt. Viele andere Uhren beginnen schon am Gehäuse bei 20 mm. Trotzdem trägt sich die Vanac gut. Das Band zwickt nicht, hält den Uhrenkopf an der richtigen Stelle und ist hochwertig verarbeitet. Die facettenreichen, teils satinierten, teils polierten Glieder sind von Form und Finish des Gehäuses inspiriert. Die Schmetterlingsfaltschließe lässt sich leicht öffnen und schließen, dabei ist es egal, welche Seite man zuerst schließt – ein Umstand, den ich wichtig finde.
Massives Band: Die Breite verjüngt sich von 27 mm am Gehäuse auf 21 mm an der Schließe.
WatchTimeZifferblatt: Dezentes Blau
Man kann sich lange mit Gehäuse und Band beschäftigen, aber im Alltag ist das Zifferblatt das, was zählt. Seiko hat die King Seiko Vanac im März 2025 mit 5 verschiedenen Zifferblättern präsentiert. Für das Hands-On habe ich die Referenz SLA085 mit marineblauem Blatt bestellt. Anders als bei vielen Seiko-Automatikuhren ist das Blau hier sehr dezent. Man sieht es nur bei ausreichendem Lichteinfall, sonst wirkt es fast schwarz. Bei Licht sieht man auch das waagerechte Streifendekor. Es wird wieder aufgenommen von den feinen Erkerbungen auf der Minuterie, ein aufgesetzter Kranz auf einer 12-eckigen Basis. Ganz im Gegensatz dazu präsentieren sich die wappenförmigen 5-Minuten-Indexe sehr breit. Der größte von ihnen sitzt bei der 12. Er ist mit einem feinen waagerechten Schliff versehen, zwei polierte Einkerbungen links und rechts der mit Leuchtmasse versehenen Fläche lassen an ein V wie Vanac denken. Nur unter der Lupe sieht man, dass die Leuchtmasse nicht exakt mittig aufgebracht ist, was aber die Gesamtästhetik der Uhr nicht stört. Das Gegengewicht des zentralen Sekundenzeigers jedenfalls ziert ein klar erkennbares V. Alle drei Zeiger sind mit Leuchtmasse belegt, sodass man die Uhrzeit auch bei Dunkelheit gut ablesen kann.
Fließender Übergang von Gehäuse zu Armband: King Seiko Vanac
SeikoKritikpunkt: die Krone
Kritisieren muss ich die Haptik an einer anderen Stelle: der Krone. Ihre Kanten passen zwar optisch gut zu Gehäuse und Band, fassen sich beim Aufschrauben, Ziehen und Drehen aber nicht sehr angenehm an. Ihre jeweils acht Ein- und Auskerbungen ergeben eine sehr breite Kannelierung, deren Ecken und Kanten man deutlich spürt. Schnell werden die Finger rau, und man freut sich, dass ihr Werk automatisch und nicht von Hand aufgezogen wird.
Das Werk: Blick aufs 8L45A
Das Automatikkaliber 8L45A bietet eine hohe Gangreserve von 72 Stunden und ist auf eine tägliche Gangabweichung von –5 bis +10 Sekunden einreguliert. Dem Blick durch die Lupe hält das Werk stand. Zwar findet man keine anglierten Kanten, aber sonst ist es sehr fein verziert. Der Streifenschliff auf Brücken und Platine ist mit zusätzlich einem noch feineren Wellendekor veredelt, was sehr ansprechend aussieht. Wenn das Licht im richtigen Winkel aufs rückseitige Saphirglas fällt, erkennt man zudem wie bei einem Wasserzeichen den Schriftzug "King Seiko" und das schildförmige King-Seiko-Logo, das sich auch auf der Krone findet.
Unter dem mit dem King-Seiko-Logo geschmückten Glasboden tickt das Seiko-Kaliber 8L45A.
SeikoFazit zur King Seiko Vanac
Mit dem von Seiko errechneten Durchmesser von 41 mm, der von meiner Schieblehre gemessenen Höhe von 14,5 mm und dem mächtigen Armband ist die King Seiko Vanac am Handgelenk sehr präsent. Doch aufgrund des 34-mm-Durchmessers des Deckglases und der vielen Facetten wirkt sie gar nicht so gewaltig. Eine Uhr, die bei genauer Betrachtung nicht wirklich provokativ wirkt und dennoch polarisieren wird. Angesichts des ausgefeilten Designs und des hochwertigen Uhrwerks geht der Preis von 3.400 Euro in Ordnung. Wenn die Vanac ein Erfolg wird, wird es sie bald vielleicht auch mit Zusatzfunktionen geben. Und dann werden die Modellnamen doch länger.