Uhren aus Frankreich: Die Hintergründe
Die französische Uhrenindustrie produziert zurzeit rund 1,5 Millionen Uhren pro Jahr. Historisch gesehen, gehört das Land zwischen Kanal, Atlantik und Mittelmeer zu den wichtigen Schauplätzen der Uhrenentwicklung. Die Kathedrale von Beauvais war bereits um 1300 mit einer der ersten bekannten Zeigeruhren ausgestattet – auch wenn sie nur einen Zeiger hatte: den Stundenzeiger. 100 Jahre später gab es in Städten wie Paris, Reims, Lille, Poitiers oder Rouen bereits schmiedeeiserne Turmuhren mit Gewichtsantrieb. Die Verkleinerung der Technik verdankte sich nicht zuletzt dem Interesse gekrönter Häupter sowie der französischen Aristokratie: Zum Besitz Philipps des Schönen (1268–1314) gehörte eine aus Silber gefertigte Standuhr. Im 18. Jahrhundert arbeiteten in Paris berühmte Uhrmacher wie Ferdinand Berthoud, Abraham-Louis Breguet (beide gebürtig aus der Schweiz), Jean Antoine Lépine oder die Brüder Lepaute an ihren innovativen und zum Teil komplizierten Taschenuhren. Nach dem Aufstieg der Schweizer Uhrenfertigung ergaben sich für die grenznahen Uhrmacher im französischen Jura und in Besançon beste Voraussetzungen zu einem Aufschwung, die sie auch nutzten: Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Besançon über 300.000 Uhren pro Jahr hergestellt, bei Frédéric Japy in Beaucourt sogar eine halbe Million. Im 20. Jahrhundert wurde die ebenfalls aus Besançon stammende Firma Lip zu einer der bekanntesten französischen Marken. Mit dem nach der Quarzkrise der 1970er Jahre folgenden globalen Wiederaufstieg der mechanischen Uhr in den 1990er Jahren brachten kreative Uhrenbauer und -unternehmer wie Alain Silberstein, Emile Péquignet, Michel Herbelin und andere französische Uhren wieder nachhaltig ins Gespräch.
Im folgenden stellen wir 5 wichtige aktuelle Modelle verschiedener französischer Marken vor.

Herbelin: Cap Camarat Square in Blau
Herbelin#1: Herbelin Cap Camarat Square Automatic Skeleton
Die von Michel Herbelin 1947 im 25 km nördlich von La Chaux-de-Fonds gelegenen Juraort Charquemont gegründete Marke kannte man in der Vergangenheit vor allem für ihre mit maritimen Konnotationen versehene Kollektion Newport. Inzwischen hat die Marke den Vornamen des Gründers abgelegt und macht neben der Newport durch weitere attraktive Uhren von sich reden. So etwa durch die Cap Camarat Square, deren 40,5 mal 40,5 mm großes Edelstahlgehäuse sich als abgerundetes Quadrat präsentiert. Die markante Neo-Vintage-Uhr kommt nun erstmals mit einem skelettierten Automatikwerk: dem Sellita SW200-1 SC, das über 41 Stunden Gangreserve verfügt. Das kobaltblaue Zifferblatt mit French-Navy-Muster ist bei der Cap Camarat Square Automatic Skeleton auf einen reinen Rahmen reduziert, sodass man einen ungehinderten Blick auf Brücken, Federhaus, Räder und sonstige Werkbestandteile erhält, von denen einen nur das Deckglas aus Saphirkristall trennt. Dank des verschraubten Gehäusebodens (mit Sichtfenster) und der mit Krone mit Doppeldichtung erreicht die Uhr eine Wasserdichtheit bis 100 Meter. Die Uhr ist dank silberfarbener Stabzeiger mit Leuchtmasse auch bei Dunkelheit gut ablesbar und wird an einem kobaltblauen Kautschukband getragen. Neben der blauen Variante gibt es auch eine mit schwarzen Farbakzenten – beide zum Preis von 2.300 Euro.

Serica: Reisechronometer Ref. 8315 in Desert Red
Serica#2: Serica Reisechronometer Ref. 8315 Desert Red
Grenzen überschreiten: Das ist eines der Ziele, die Jérôme Burgert und Gabriel Vachette, die französischen Gründer der 2019 ins Leben gerufenen Marke Serica, antreibt. Der Markenname bezieht sich auf den Begriff, den die antiken griechischen und römischen Geographen dem östlichsten ihnen noch bekanntesten Landstrich gaben. Nach heutigen Begriffen befände sich Serica wohl in Nordwestchina. Obwohl die Uhren der französischen Marke, die in der Schweiz produziert werden, recht preisgünstig sind, sind sie nicht nur hochwertig gemacht, sondern haben alle einen besonderen Twist. So überrascht die Reisechronometer genannte GMT-Uhr durch die Gestaltung ihrer drehbaren 24-Stunden-Lünette, und zwar gleich doppelt: Zum einen verläuft der farbliche Übergang von dunkel (Nacht) zu hell (Tag) bewusst nicht durch die Zahl 6, zum anderen beziehen sich die Wörter "Ante Meridiem" (Vormittag) und "Post Meridiem" (Nachmittag) nicht auf das gesamte Farbfeld, auf dem sie stehen, sondern auf den Punkt für 12 Uhr und die nachfolgenden Stunden bis zur nächsten 12. Die 39 mm große und 12,3 mm hohe Edelstahluhr (Horn zu Horn 46,5 mm) ist mit dem chronometerzertifizierten Automatikkaliber C125 COSC von Soprod ausgestattet und bietet 42 Stunden Gangreserve. Ein aus der Mitte kommender GMT-Zeiger in Lollipopform weist auf den aus Keramik gefertigten Zahlenring auf der Lünette und zeigt so die Zeit in einer zweiten Zeitzone an. Für beste Nachtablesbarkeit sorgt die Beschichtung von Zeigern und Indexen mit Superluminova C3. Serica verkauft die ästhetisch sehr gelungene GMT-Uhr für 1.890 Euro.
Eine ganz andere Seite von sich zeigt Serica mit der neuen Parade.

Jacques Bianchi: Taucheruhr JB300
Jacques Bianchi#3: Jacques Bianchi JB300
Jacques Bianchi ist in Marseille beheimatet und setzt ganz auf Taucheruhren. Die Geschichte der Marke reicht zurück in die frühen 1980er Jahre, als der gleichnamige Firmengründer Taucheruhren für die französische Marine baute. 2021 wurde die Marke von Mitgründer Fabrice Pougez reaktiviert, CEO ist Simo Tber. Bislang bestand die Kollektion vor allem aus dem Modell JB200, einer bis 200 Meter wasserdichten Taucheruhr, die es in vielen Varianten gibt, mit Krone links genauso wie mit Krone rechts. Während die Militär-Taucheruhren der Achtziger mit Quarzwerken ausgestattet waren, verwendet Jacques Bianchi heute vorwiegend Schweizer Automatikwerke, aber auch Seiko-Kaliber wie das ebenfalls selbstaufziehende NH35. Die Preise sind demokratisch und liegen meist deutlich unter 2.000 Euro. Ende November 2024 haben die Franzosen nun die nächste Stufe erklommen und ihre bis 300 Meter wasserdichte JB300 vorgestellt. Ihre herausragende Eigenschaft neben der erhöhten Druckfestigkeit sind die übergroßen Zähne am Lünettenrand: Sie stellen sicher, dass man sie auch mit Taucherhandschuhen gut bedienen kann. Auch die JB300 ist einem historischen Modell von Jacques Bianchi nachempfunden, in diesem Fall aus den 1990er Jahren, wenngleich sie mit ihrem 42 Millimeter großen Edelstahlgehäuse und seinen geschwungenen, aber markanten Linien keinen direkten Nachbau darstellt. Im Gegensatz zur JB200 hat sie ein Fensterdatum bei drei Uhr und wird vom Automatikkaliber Soprod P024 mit rund 40 Stunden Gangreserve angetrieben, einem Klon des Eta 2824, das in den Uhren der neunziger Jahre tickte. Die Uhr wird mit einem Kautschukband und einem zusätzlichen Perlonband für 990 Euro verkauft.

Lebois Heritage Chronograph
Kirill Slabonov#4: Lebois & Co Heritage Chronograph
Dass die 1934 gegründete französische Marke Lebois & Co wieder aktiv ist, verdanken wir dem Niederländer Tom van Wijlick, der die Rechte vor knapp 11 Jahren kaufte und daran ging, unter dem Label wieder wunderschöne Chronographen zu fertigen. Ein beeindruckendes Beispiel für den Vintage-Charme und die gelungenen Proportionen, die Zwei-Zähler-Chronographen aus den 1930er- und 1940er Jahren oft auszeichneten, gibt der Heritage Chronograph, der in drei Zifferblattfarben erhältlich ist. Die Blätter unterscheiden sich darüber hinaus durch ihre Beschriftungen. Unser Bild zeigt die lachsfarbene Referenz 324.478, die mit Tachy- und Telemeterskala geschmückt ist, was man bei Chronographen der damaligen Zeit häufig fand. Ihre gebläuten Blattzeiger und die aufgesetzten Ziffern runden das Bild ab. Mit einem Durchmesser von 39 mm hat die Uhr eine dezente Größe; insgesamt gefällt sie durch ihre leisen Töne. Zugleich fällt ihre Bauhöhe mit 10,75 mm niedrig aus. Dafür verantwortlich ist unter anderem das Handaufzugskaliber LC-450 von La Joux-Perret, auf das man durch den Saphirglasboden blickt. Es verfügt über ein blaues Schaltrad und gewährt 60 Stunden Gangreserve. Wer diesen schönen Zeitmesser erwerben will, sollte 3.075 Euro bereithalten.

Yema: Skin Diver Slim CMM.20 Limited Edition
Yema#5: Yema Skin Diver Slim CMM.20
Die unabhängige Manufaktur Yema, ansässig im französischen Juraflecken Morteau, wurde 1948 von Henry-Louis Belmont gegründet. Toolwatches hatten es dem talentierten Uhrmacher früh angetan, da diese durch ihre besondere Fertigung und robuste Bauweise extrem widerstandsfähig waren und widrigen Bedingungen standhalten konnten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Yema auf die Herstellung solcher Uhren spezialisierte. Schon bald nach der Jahrhundertmitte erreichte die jährliche Produktion 130.000 Exemplare. Der schnell zum führenden Uhrenexporteur Frankreichs aufsteigende Hersteller präsentierte 1967 mit der Superman eine der ersten Taucheruhren mit verriegelbarer Lünette, die bald bis 300 Meter Tiefe vor Wasser geschützt war. Die französische Luftwaffe ernannte Yema zum offiziellen Zulieferer, auch der legendäre Rennfahrer Mario Andretti vertraute auf die Uhren. Seit 2009 zeichnet sich Ambre France, eine französische Uhrmachergruppe, für die Produktion der Yema-Uhren verantwortlich, die sogar im Weltraum getragen wurden. 2023 stellte Yema schließlich sein erstes Manufakturkaliber CMM.20 vor, das zugleich das erste Mikrorotorwerk Frankreichs ist. Das ultrafache, nur 3,7 mm hohe Automatikwerk ist auf eine Präzision von –3/+7 Sekunden pro Tag sowie 70 Stunden Gangreserve ausgelegt.
Dieses Werk tickt auch in der Skin Diver Slim CMM.20, eine Retro-Taucheruhr, die an Yemas Skin-Diver-Modelle aus den 1960er Jahren erinnert. Ihr starker Look ergibt sich aus dem grauen Zifferblatt mit den markanten Indexen und den auffällig gestalteten Ziffern, dem komplett mit Saphirglas überzogenen Ring der einseitig drehbaren Lünette und den schuppenförmigen Bandgliedern, die es in ähnlicher Form schon in den Sechzigern gab. Superluminova Grade A auf Zeigern, Indexen und Lünettenmarkierung und eine Wasserdichtheit bis 300 Meter runden die Features der 39 mm großen Taucheruhr aus Edelstahl ab. Sie wird in einer limitierten Auflage von 500 Stück gefertigt und ist für 2.249 Euro erhältlich.
Mitarbeit: Johannes Beer