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Die komplizierteste Uhr der Welt: Vacheron Constantin The Berkley Grand Complication

Vacheron Constantin stellt die komplizierteste Uhr aller Zeiten vor und übertrifft damit den eigenen Rekord, den die Manufaktur erst 2015 aufstellte.
Vacheron Constantin Les Cabinotiers The Berkley Grand Complication Rückseite Aufmacher
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Vacheron Constantin

Eine Uhr mit 63 Komplikationen: Das gab es noch nie. Der Aussage von Vacheron Constantin, dass das für einen Sammler gefertigte Einzelstück die komplizierteste Uhr aller Zeiten sei, dürfte wohl niemand widersprechen. Die Genfer Manufaktur übertrifft damit sich selbst – 2015 hatte sie mit der Referenz 57260 eine Uhr herausgebracht, die mit 57 Funktionen bereits als komplizierteste Uhr galt.

Ein amerikanischer Sammler

Beide Uhren haben einiges gemeinsam: Sie wurden vom selben Sammler in Auftrag gegeben, dem 1946 geborenen US-amerikanischen Milliardär und Philanthropen William R. Berkley, Gründer und Vorsitzender der W. R. Berkley Corporation. Beide Megakomplikationen wurden in mehrjähriger Arbeit von denselben drei Uhrmachern von Vacheron Constantin entwickelt. Im Falle der "Berkley" waren das 11 Jahre, von denen ein ganzes Jahr für die Montage von Uhr und Werk benötigt wurde. Und beide haben als Schwerpunkt eine Vielzahl an ausgeklügelten kalendarischen Funktionen. Im Unterschied zur Referenz 57260 war William R. Berkley diesmal bereit, seine Identität preiszugeben und sogar die Uhr nach sich benennen zu lassen. Er ist einer der größten Sammler von Vacheron-Constantin-Uhren und besitzt unter anderem die berühmte "König Farouk", eine unter Kennern hochgeschätzte Einzelanfertigung für den ägyptischen Herrscher von 1936 bis 1952. Berkley ist besonders interessiert an den kulturell unterschiedlichen Traditionen, den Lauf von Erde, Sonne und Mond mit verschiedenen Kalendersystemen abzubilden. Das Herzstück der Ref. 57260 bildete der jüdische Kalender. Bei der "Berkley" fehlt dieser, stattdessen verfügt sie über einen ewigen chinesischen Kalender – laut Vacheron Constantin ist es das erste Mal, dass dieser in all seiner Komplexität auf einer Uhr dargestellt wird.

Uhrmacher bei der Montage der Vacheron Constantin Berkley Grand Complication

Uhrmacher bei der Montage der Berkley Grand Complication

© Vacheron Constantin

Überblick über die Komplikationen

Zunächst ein paar grundlegende Daten zur Uhr: Die Berkley Grand Complication ist eine Taschenuhr aus Weißgold mit 98 mm Durchmesser und 50,55 mm Höhe, das sind selbst für eine Taschenuhr ungewöhnliche Maße. Auf der Genfer Messe Watches and Wonders 2024 war sie am Stand von Vacheron Constantin in einer Vitrine zu sehen. Das neu konstruierte Handaufzugskaliber 3752 besteht aus 2877 Einzelteilen und bietet 60 Stunden Gangreserve und verfügt über gleich vier Platinen. Allein das Werk hat einen Durchmesser von 72 mm und ist 36 mm hoch.

Die vielen Funktionen werden auf zwei Zifferblättern dargestellt, dabei ist das vordere vor allem dem chinesischen ewigen Kalender gewidmet. Allein schon diesen zu erklären, ist höchst komplex, daher wollen wir mit vertrauteren Themen beginnen.

Vacheron Constantin Les Cabinotiers The Berkley Grand Complication Vorderseite

Die meisten Anzeigen des ewigen chinesischen Kalenders finden sich auf dem vorderen Zifferblatt.

© Vacheron Constantin
Zeitanzeige und Weltzeit

Bei der Vielzahl an Zeigern (19 vorne und 12 hinten!) muss man sie erst mal finden: die Zeiger für Stunden, Minuten und Sekunden. Sie sind auf dem vorderen Zifferblatt nach Regulatorart angeordnet: der Stundenzeiger bei 12 Uhr, der Minutenzeiger zentral und die kleine Sekunde bei 6 Uhr. Sie verläuft retrograd, und damit verbindet sich bereits eine weitere Komplikation: Die Zeit, die der Sekundenzeiger braucht, um von 60 auf null zu springen, wird technisch kompensiert, damit die Präzision der Uhr erhalten bleibt. Zudem befindet sich bei 1 Uhr eine Tag-Nacht-Anzeige und bei 3 Uhr eine Anzeige für die Gangreserve.

Über das Fenster bei 10 Uhr kann eine von 24 Zeitzonen ausgewählt werden. Dazu gehören die Stunden und Minuten im Hilfszifferblatt bei 9 Uhr und die Tag-Nacht-Anzeige für die 2. Zeitzone bei 11 Uhr.

Vacheron Constantin Les Cabinotiers The Berkley Grand Complication Zifferblattdetail Zeitzone

Hinteres Zifferblatt: Anzeige der gewählten 2. Zeitzone und deren Uhrzeit

© Vacheron Constantin
Schleppzeigerchronograph

Auch ihn liest man auf dem vorderen Zifferblatt ab. Sekundenzähler und Schleppzeiger sind übereinander angeordnet und lagern im Zentrum, die gestoppten Minuten bis 60 finden sich bei 9 Uhr, die Stunden bis 12 bei 3 Uhr. Der Drücker für die nacheinander ablaufenden Funktionen Start, Stopp und Nullstellung ist bei 11 Uhr am Gehäuserand platziert.

Vacheron Constantin Les Cabinotiers The Berkley Grand Complication Schleppzeiger Close-up

Zeiger und Schleppzeiger: Der Chronograph der Berkley verfügt über eine Rattrapante-Funktion

© Vacheron Constantin
Tourbillon

Reguliert wird das Kaliber 3752 über ein dreiachsige Armillarsphärentourbillon, das man auf der Rückseite bei 6 Uhr sieht. Durch die besondere Aufhängung nimmt die Hemmung jede denkbare Position ein, um den Einfluss der Erdanziehung auszugleichen. Seine Unruhspirale ist kugelförmig. Alle 15 Sekunden bilden die sich drehenden Elemente des Käfigs das Malteserkreuzemblem von Vacheron Constantin.

Vacheron Constantin Les Cabinotiers The Berkley Grand Complication Tourbillon Close-up

Das dreiachsig gelagerte Armillarsphärentourbillon mit kugelförmiger Spiralfeder

© Vacheron Constantin
Ewiger Gregorianischer Kalender und Himmelskarte

Zu ihm gehören das retrograde Datum bei 12 Uhr, der Wochentag bei 9 Uhr, der Monat bei 3 Uhr, das Schaltjahr im Fenster bei 1 Uhr, die Wochentagsanzeige bei 3 Uhr und und dazugehörige Tageszahl im Fenster bei 2 Uhr – alles auf der Rückseite. Gregorianischer Kalender bedeutet, dass das Ausfallen der Schaltjahre 2100, 2200 und 2300 berücksichtigt wird.

Auf der Himmelskarte (Zifferblattrückseite bei 12 Uhr) sieht man in Echtzeit die Sternbilder, wie sie vom Referenzort Shanghai aus zu sehen sind. Die Himmelsscheibe dreht sich einmal in 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden: einem siderischen Tag. Die Ellipse im unteren Bereich gibt die genaue Position der Sternbilder auf der nördlichen Hemisphäre zum Zeitpunkt des Ablesens wieder. Unterhalb der Himmelskarte befindet sich die Zeitgleichung oder Äquation, links und rechts vom Tourbillon die Zeiten von Sonnenauf- und -untergang sowie die sich daraus ergebenden Tageslängen, jeweils geeicht auf Shanghai. Um die Mondphasen und das Mondalter zu erfassen, richtet sich der Blick wieder auf die Vorderseite: Sie befinden sich in der oberen Hälfte des Unterzifferblatts bei 12 Uhr.

Vacheron Constantin Les Cabinotiers The Berkley Grand Complication Rückseite

Die Rückseite der Berkley Grand Complication ist dem ewigen Gregorianischen Kalender, der Äquation und dem Tourbillon gewidmet

© Vacheron Constantin
Ewiger Chinesischer Kalender

Ein Chinesischer Kalender ist für Westler erst einmal schwer zu verstehen. Als lunisolarer Kalender orientiert er sich sowohl am Sonnenjahr als auch an den Mondmonaten. Entsprechend der Länge einer von 29,53 Tagen sind die Monate in unregelmäßigen Abständen entweder 29 oder 30 Tage lang. Das daraus resultierende Jahr ist 11 Tage kürzer als ein Sonnenjahr, daher wird alle zwei bis drei Jahre ein 13. Monat als Schaltmonat eingefügt. Je nach Lunation hat das chinesische Jahr also 353, 354 oder 355 Tage, das embolische Jahr (mit dem 13. Monat) 383, 384 oder 385 Tage. Die Darstellung eines chinesischen Kalenders in einer Uhr ist also ohnehin schon sehr kompliziert; als ewiger Kalender angesichts all der Ausnahmen und Unregelmäßigkeiten so komplex, dass sich bisher kein Hersteller an das Thema herantraute.

Die drei Uhrmacher von Vacheron Constantin, die mit der Entwicklung der Berkley beauftragt waren, mussten den ewigen chinesischen Kalender erst mit Algorithmen modellieren und diese dann in einen Mechanismus übertragen, der bis ins Jahr 2200 voreingestellt ist. Sie entwickelten drei sogenannte mechanische "Gehirne", die den Mondzyklus, den Sonnenzyklus und den metonischen Zyklus (Darstellung bei 3 Uhr auf der Vorderseite) steuern. Letzterer dauert 19 Jahre; nach seinem Ablauf fallen die Mondphasen wieder auf den gleichen Tag (durch die Schaltjahre kann es allerdings zu zusätzlichen Abweichungen kommen).

Vacheron Constantin Les Cabinotiers The Berkley Grand Complication Zifferblattdetail

Dieses Hilfszifferblatt gibt die Daten des chinesischen Neujahrs bis ins Jahr 2039 an. Außen verläuft die Indikation für den Tag des Mondmonats

© Vacheron Constantin

Um den chinesischen ewigen Kalender von der Uhr abzulesen, muss man zunächst im eckigen Fenster bei 11 Uhr ablesen, ob es sich um ein normales oder embolisches Jahr handelt und ob der aktuelle Monat 29 oder 30 Tage hat (Fenster bei 12 Uhr). Der ewige Kalender mit seinen Indikationen in chinesischen Schriftzeichen gibt das Datum mit einem in einem goldenen Halbmond auslaufenden Zeiger bei 6 Uhr an, die Anzeige des Tages und des Monats liest man von den Fenstern bei 8 bzw. 4 Uhr ab. Mondphasen und Mondalter bei 12 Uhr sind so präzise, dass sie erst nach 1027 Jahren korrigiert werden müssen.

Auf dem Gehäuseboden findet sich zudem die Anzeige der 24 Sonnenperioden des landwirtschaftlichen Jahres, der Monatslängen, Jahreszeiten, Sonnenwenden und Tagnachtgleichen, dargestellt durch einen zentralen Zeiger.

Vacheron Constantin Kaliber 3752 Vorderseite

Vorderansicht des Kalibers 3752 mit den Mechanismen für Schleppzeigerchronograph und ewigen chinesischen Kalender. Zudem erkennt man die Tuben der Hauptkrone oben und der versenkbaren Krone bei 4:30 Uhr.

© Vacheron Constantin
Schlagwerk und Wecker

Neben all den optischen verfügt die Berkley auch über akustische Anzeigen. Man kann wählen zwischen Grande Sonnerie (schlägt alle 15 Minuten Stunden und Viertelstunden) und Petite Sonnerie (schlägt die volle Stunde und alle 15 Minuten die Viertelstunden ohne Wiederholung der Stunden), die Einstellung wird bei 10 Uhr angezeigt. Das Glockenspiel besteht aus fünf Hämmern und fünf Gongs – vier Töne für den Westminsterschlag und ein weiterer Ton für die Stunden. Außerdem lässt sich einstellen, ob immer alle 15 Minuten ein Schlag ertönt (Modus Chime), ob er zwischen 22 und 8 Uhr aussetzt (Modus Night) oder ganz abgeschaltet ist (Modus Silence). Zudem lässt sich die Uhr durch Betätigen des Schiebers am Gehäuserand zwischen 5 und bei 6 Uhr als Viertelstundenrepetition nutzen.

Vacheron Constantin Kaliber 3752 Rückseite

Auf der Rückseite von Kaliber 3752 erkennt man u.a. die sechs Hämmer und die außen herumlaufenden Tonfedern

© Vacheron Constantin

Den Wecker wiederum aktiviert man über einen Schieber bei 1 Uhr. Eingestellt wird die Weckzeit über die Krone, angezeigt vom goldenen Zeiger im Hilfszifferblatt bei 12 Uhr. Für die Alarmfunktion gibt es eine eigene Energiereserve, die über das Aufziehen der bei 5 Uhr im Gehäuserand versenkten Krone erfolgt. Die Anzeige bei 2 Uhr informiert über die Gangreserve des Weckers (A) sowie darüber, wie man den Alarm hören will: durch einen eigenen sechsten Ton (N) oder das Glockenspiel (C).

Vacheron Constantin Referenz 57260 von 2015

Ist jetzt nicht mehr die komplizierteste Uhr: Vacheron Constantin Referenz 57260 von 2015

© Vacheron Constantin

Die Berkley Grand Complication steht in einer Linie mit den großen Megakomplikationen, zu denen neben der Referenz 57260 und der King Farouk von Vacheron Constantin auch die Graves Supercomplication und die Calibre 89 von Patek Philippe zählen. Und wie jener Henry Graves jr. und sein Counterpart James Ward Packard gehört auch William R. Berkley zu den großen Sammlerpersönlichkeiten, die traditionsreiche Schweizer Manufakturen zu neuen Höchstleistungen herausfordern. Sicher muss man nicht ewig warten, bis die ein oder andere Innovation, die in der Berkley Grand Complication verbaut ist, auch in abgespeckteren Komplikationsuhren von Vacheron Constantin zu finden sein wird.

Vacheron Constantin Les Cabinotiers The Berkley Grand Complication 360 Grad

98 mm Durchmesser, 50,55 mm Dicke, zwei Zifferblätter: die Vacheron Constantin Les Cabinotiers The Berkley Grand Complication

© Vacheron Constantin

"Es ist unwahrscheinlich, dass irgendeine andere Maison bereit gewesen wäre, eine solche Herkulesaufgabe zu übernehmen."

William R. Berkley, Sammler und Auftraggeber der gleichnamigen Grand Complication

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