Chronograph
Alles über die Stoppfunktion bei Uhren
Im alltäglichen Leben stellen Komplikationen etwas Negatives dar. Nicht so in der Uhrenwelt. Hier handelt es sich bei einer Komplikation um eine Zusatzfunktion, die dem Träger einen Mehrwert bieten soll. Sie macht jedoch das Uhrwerk komplizierter, und die Anzahl der Komponenten steigt. Wie nützlich oder sinnvoll sind Komplikationen? Oft liegt ihre Faszination nicht im reinen Nutzen der Funktion, sondern darin, dass Menschenhände eine mechanische Lösung auf so kleinem Raum realisieren können. Die Chronographenfunktion, also die Möglichkeit zum Stoppen einer Zeitspanne, ist die beliebteste Komplikation der Armbanduhr, wenn man einmal von der allgegenwärtigen Datumsanzeige absieht.
Inhalt:
- Wie funktioniert der Chronograph?
- Chronograph mit Automatik- oder Handaufzug?
- Was ist der Unterschied zwischen einem Chronographen und einem Chronometer?
- Manufakturchronographen
- Unterschiedliche Drückerformen bei Chronographen
- Stichwort Breitling: Wie funktioniert die Rechenschieber-Funktion?
- Aktuelle Chronographen
- Chronographen mit Funktionssteigerungen
Wie funktioniert der Chronograph?
Der Chronograph ist eine Armbanduhr mit Stoppfunktion, das heißt er kann sowohl die Uhrzeit anzeigen als auch eine gestoppte Zeitspanne. Sekunden-, Minuten- und Stundenzähler können eigens gestartet und angehalten werden. Üblicherweise erkennt man einen Chronographen an zwei Drückern, die neben der Krone an der Gehäuseflanke sitzen, und an den kleinen Totalisatoren (Hilfszifferblättern) auf dem Zifferblatt. Sie zeigen üblicherweise die Stunden und Minuten der Stoppzeit sowie die Sekunden der Uhrzeit an, während die gestoppten Sekunden zentral dargestellt werden.
Eine integrierte Stoppfunktion gehört zu den begehrtesten und sinnvollsten Zusatzfunktionen. Wir erklären sie am Beispiel des A. Lange & Söhne Datograph Auf/Ab und seines Werkes (Kaliber L951.6):

Ein Blick ins Uhrwerk:

Aufgrund der hohen Teilezahl, der vielen Federn, Räder und Hebel, ist die Chronographen-Komplikation sehr aufwendig zu realisieren. Der Stoppvorgang wird in der Regel mit dem Betätigen des oberen Drückers an der Gehäuseflanke gestartet und wieder gestoppt. Wenn die gewünschte Zeitspanne gemessen wurde, stellt der Träger über den unteren Drücker die Stoppzeiger auf null. Damit die Nullstellung reibungslos vonstatten geht, drücken Hebel herzförmige Scheiben, die auf der Achse der Zeiger sitzen, in die Ausgangsstellung zurück. Um mit dem mechanischen Chronographen die Zeit stoppen zu können, müssen das Einkuppeln und das Loslassen der blockierten Räder gleichzeitig geschehen. Diese komplexe Chronographenschaltung kann über ein traditionelles Schaltrad oder über eine moderne Nockensteuerung gelöst werden. Worin sich die traditionelle und die moderne Konstruktion unterscheiden, erfahren Sie hier im Download für 0,99 Euro.
Für die Kupplung selbst gibt es ebenfalls verschiedene Lösungen. Die Kupplung bringt die Zahnräder des Basisuhrwerks in Eingriff mit dem Chronographengetriebe. Die klassische – und schönste – Form der Chronographenkupplung ist die horizontale Räderkupplung (Foto unten). Hier liegen die beteiligten Räder gut sichtbar nebeneinander und werden beim Start des Chronographen in Eingriff gebracht. Dazu schiebt der Kupplungshebel, gesteuert vom Schaltrad, das kleine Kupplungsrad (links oben), das immer mit dem Sekundenrad des Gehwerks (darunter) im Eingriff ist, an das Chrono-Zentrumsrad (Mitte) heran.

Moderner ist die vertikale Reibungskupplung, die das unerwünschte Springen des Stoppsekundenzeigers beim Starten des Chronographen verhindert. Sie besteht aus zwei auf einer Achse übereinander liegenden Druckscheiben. Die obere davon steht mit dem Chrono-Zentrumsrad in Verbindung, die untere mit dem Sekundenrad. Bei angehaltenem Chronographen trennt eine Art Zange die beiden Scheiben voneinander. Durch Betätigung des Startdrückers öffnet sich die Zange; jetzt pressen Federn die Scheiben gegeneinander, und der Chronographenzeiger setzt sich in Bewegung.

Die einfachste Art der Kupplung ist das Schwingtrieb. Dabei handelt es sich um einen schräg im Werk stehenden Kolben, der an beiden Enden verzahnt ist. Unten ist das Schwingtrieb ständig mit dem Gehwerk verbunden. Beim Start des Chronographen wird das Bauteil von der schrägen in eine senkrechte Position geschoben und kommt so mit dem auf das Werk aufgesetzten Chronographenmechanismus in Eingriff.
Von der Unruhfrequenz des Werkes hängt die Messgenauigkeit des Chronographen ab. Das El-Primero-Kaliber von Zenith gehört zu den sogenannten „Schnellschwingern” (36.000 Unruh-Halbschwingungen pro Stunde bzw. 5 Hertz) und kann auf die Zehntelsekunde genau messen. Mehr über das El-Primero-Kaliber erfahren Sie hier.

Eine Frequenz von 28.800 Halbschwingungen pro Stunde (4 Hertz) ergibt eine Genauigkeit von einer Achtelsekunde. Bei 21.600 Halbschwingungen pro Stunde (3 Hertz) ist die Stoppzeit auf die Sechstelsekunde messbar, und bei 18.000 Halbschwingungen pro Stunde (2,5 Hertz) ist es noch eine Fünftelsekunde.
Beim Eindrücker-Chronographen erfolgt das Starten, Stoppen und Nullstellen über nur einen Drücker. Frühe Chronographen besaßen einen in die Krone integrierten Drücker. Breitling separierte diesen 1915 erstmals von der Krone und positionierte ihn weiter oben am Gehäuse. Wo auch immer der Drücker saß: Mit ihm ließen sich immer nur die Funktionen Starten, Stoppen, Nullstellen aneinanderreihen. Eine sogenannte Additionsstoppung, also das Unterbrechen und Weiterlaufenlassen einer Zeitnahme, war nicht möglich. Dies schaffte wiederum Breitling im Jahr 1934 mit dem ersten Zwei-Drücker-Chronographen. Obwohl ein einziger Drücker die Funktion einschränkt, nehmen viele Marken diese historische Konstruktion heute wieder auf.

Ein Chronograph mit zwei Totalisatoren bei drei und neun Uhr wird Bicompax-Chronograph genannt. Auch der Schallmauer Automatik-Chronograph von Vandaag ist ein Bicompax-Chronograph. Die Sekunden misst man mit diesem Chronographen über den zentralen Zeiger, die Minuten werden auf dem Hilfszifferblatt bei drei Uhr festgehalten. Der Totalisator bei neun Uhr dient als kleine Sekunde. Weitere aktuelle Bicompax-Chronographen stellen wir in diesem Artikel vor.

Wenn bei der Sechs ein weiteres Hilfszifferblatt hinzukommt, handelt es sich um einen Tricompax-Chronographen. Diese Aufteilung besitzen beispielsweise die Großserienkaliber Valjoux 7753 (Foto Tissot unten) und Eta 2894. Beim häufigsten aller Chronographenkaliber, dem Valjoux 7750 von der Eta, stehen die Hilfszifferblätter dagegen bei sechs, neun und zwölf Uhr; das Zifferblatt ist somit asymmetrisch aufgeteilt.

Chronograph mit Automatik- oder Handaufzug?
Nebensache, Komfortthema, Glaubensfrage: Der Aufzug einer Uhr hat für jeden eine andere Bedeutung. Fest steht, dass eine Automatikuhr weniger Aufmerksamkeit benötigt als ein Zeitmesser mit Handaufzug. Die Automatikuhr nutzt die Bewegungsenergie ihres Trägers, um die Zugfeder zu spannen – sie zieht sich automatisch auf. Die Handaufzugsuhr benötigt Energiezufuhr über die Aufzugskrone. Chronographen mit Automatikaufzug kamen vergleichsweise spät auf den Markt: Die Marke Heuer präsentierte 1969 mit der Armbanduhr Carrera ihren ersten Chronographen mit automatischem Werk. Mehr über die Geschichte der TAG Heuer Carrera erfahren Sie hier.

Das zugehörige Chronographenwerk mit automatischem Aufzug, das Kaliber 11, entstand in Zusammenarbeit mit den Herstellern Breitling, Dubois Dépraz und Hamilton-Büren. Diese Kooperation, die bereits Mitte der sechziger Jahre startete, kann die frühesten Pläne zur Verwirklichung eines Automatik-Chronographen für sich verbuchen. Wenig später arbeiteten aber auch Seiko und Zenith an der Entwicklung ihrer ersten Chronographenwerke mit Automatikaufzug. Das spannende Rennen zwischen den Kontrahenten ging ziemlich unentschieden aus, denn alle drei Uhrwerke konnten 1969 vorgestellt werden. Zenith präsentierte das eigene Chronographenwerk am 10. Januar 1969 (früheste Präsentation), und Seiko konnte seinen Stopper bereits im Mai 1969 in den Handel bringen (früheste Markteinführung).

Was ist der Unterschied zwischen einem Chronographen und einem Chronometer?
Das häufigste Chronographenwerk mit Automatikaufzug ist das 1973 eingeführte Kaliber Valjoux 7750, das seit der Übernahme des Herstellers Valjoux von der Swatch-Group-Werkeschmiede Eta produziert wird. Das Werk ist für seine Verlässlichkeit bekannt und wird auch als Chronometer zertifiziert.

Doch wo liegt der Unterschied zwischen Chronograph und Chronometer? Als Chronograph bezeichnet man eine Uhr mit zusätzlicher Stoppfunktion oder die Stoppfunktion selbst. Ein Chronometer ist eine Uhr, deren besondere Ganggenauigkeit von einem unabhängigen Institut wie der schweizerischen COSC (Contrôle officiel suisse des chronomètres) geprüft und zertifiziert wurde.
Manufakturchronographen
Die hohe Kunst im Chronographenbau ist die Entwicklung eines eigenen Kalibers. Für Luxusmarken wie A. Lange & Söhne ist das nahezu ein Muss. Sie ergänzen die ohnehin schon komplizierte Funktion meist um weitere technische Raffinessen wie eine Kalenderfunktion.

2022 zum 50. Geburtstag der Royal Oak stellt Audemars Piguet einen neuen Royal Oak Chronographen mit dem ebenfalls neuen Manufakturkaliber 4401 vor. Das Uhrwerk verfügt über eine Flyback-Funktion und liefert eine Gangreserve von 7o Stunden – eine deutliche Verbesserung zum Vorgänger mit 30-stündiger Gangreserve.

2009 stellte Breitling sein erstes eigenes Uhrwerk mit Chronographenfunktion vor, das Manufakturkaliber 01 (Automatik), das – für die Marke typisch – als Chronometer zertifiziert ist. Acht Jahre später präsentierte Breitling das Manufakturkaliber B03 mit Automatikaufzug in der Breitling Navitimer Rattrapante (Bild unten). Es ist der erste Schleppzeiger-Chronograph der Marke, wobei das Kaliber B01 den Entwicklern als Basis diente. Das Kaliber B03 ist wie alle Breitling-Werke COSC-zertifiziert und besitzt einen patentierten Auskopplungsmechanismus für den Schleppzeiger, der zur Anzeige von Zwischenzeiten dient. Weitere modifizierte Ausführungen des Kalibers B01 sind unter anderem das Handaufzugwerk B02, das B04 mit GMT-Funktion und das B05 mit Weltzeitindikation.
Einen ausführlichen Test zur Breitling Navitimer Rattrapante finden Sie hier.

Stichwort Breitling: Wie funktioniert das mit der Rechenschieber-Funktion?
Zudem ist die Breitling Navitimer Rattrapante auch mit einer Rechenschieber-Funktion ausgestattet, die das schnelle Lösen von Dreisatzaufgaben ermöglicht. So kann man beispielsweise eine Geschwindigkeit anhand der zurückgelegten Strecke und benötigten Zeit (gestoppt mit dem Chronographen) ermitteln oder Währungen umrechnen, wenn man den Wechselkurs kennt: Wenn beispielsweise eine Währung das 1,7-Fache einer anderen wert ist, kann man auf dem äußeren Ring die 17 auf die innere 10 drehen und bekommt nun rund um das Zifferblatt alle Preise umgerechnet. Auch Multiplikationen und Divisionen sind möglich. Mit Hilfe der Rechenschieber-Lünette kann der Träger eine Größe auf dem äußeren Zahlenring auf beispielsweise eine feststehende Meilen-Markierung am linken Zifferblattrand einstellen. Bei einer weiteren feststehenden Markierung auf zwölf Uhr lässt sich nun auf dem Drehring dieselbe Größe in Kilometern ablesen.
Unterschiedliche Drückerformen bei Chronographen:
So unterschiedlich Chronographen sind, so unterschiedlich können auch die Bedienelemente des Stoppers sein. So gibt es Drücker mit integriertem Schutz, verschraubte Drücker, Formdrücker und Pilzdrücker. Wie die verschiedenen Drücker der Chronographen aussehen, zeigt die nachfolgende Bildergalerie:
Aktuelle Chronographen
Da der Chronograph bei Uhrenfans zu den beliebtesten Funktionen zählt, präsentieren die Uhrenhersteller alljährlich neue Chronographen. Oftmals gibt es ganz neue Modelle, manche werden mit neuen Werken ausgestattet oder heben sich durch außergewöhnliche Eigenschaften von den anderen Zeitmessern ab. Im Trend liegen aktuell Chronographen mit Panda-Zifferblatt, bei denen die Totalisatoren in Schwarz mit den hellen Zifferblättern kontrastieren. Einen Überblick über die Chronographen der aktuellen Saison bietet die nachfolgende Bildergalerie:
Natürlich gibt es bei Chronographen auch noch Funktionssteigerungen:
Mehr über Chronographen mit Flyback-Funktion, Rattrapante und Foudroyante finden Sie hier:
Fortlaufend aktualisierter Artikel, erstmals online gestellt im Januar 2011.
Alles über die kleinen Komplikationen lesen Sie hier.
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