Komplikationsuhren: Was kann Patek Philippe?

Mechanische Zusatzfunktionen von der Mondphase bis zur Grande Complication

Die Schweizer Uhrenmanufaktur Patek Philippe steht für höchste Uhrmacherkunst und feine Handverzierungen. Steigern lässt sich der Luxus mit Komplikationen, mechanischen Zusatzfunktionen, die das Werk zu einem faszinierenden Labyrinth von Rädern, Hebeln und Federn machen.

Patek Philippe: Grandmaster Chime in Weißgold
Komplizierteste Armbanduhr von Patek Philippe: Grandmaster Chime in Weißgold

Normalerweise mögen wir es ja einfach: Je leichter und mit weniger Schritten wir beispielsweise ein Navigationssystem bedienen können, desto besser. Komplikationen wollen wir weder bei Operationen noch bei Raketenstarts. Bei Uhren verhält es sich etwas anders: Hier ist die Komplikation erwünscht, denn sie erfüllt meist eine Funktion.

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Eine Minutenrepetition schlägt beispielsweise die Zeit auf Tonfedern, was an sich schon faszinierend ist. Aber mehr noch als die Funktion lieben wir den extrem komplexen Mechanismus dahinter, weil sich hier meisterliche Handwerkskunst offenbart. Nur wenige erfahrene und geschulte Uhrmacher können einer mechanischen Uhr das akustische Schlagen der Zeit beibringen, denn das erfordert bei Planung, Fertigung, Bearbeitung, Zusammenbau und Einstellung enorme fachliche Kenntnisse und viel Fingerspitzengefühl. Auch moderne Techniken, wie die Konstruktion am Computer oder das CNC-Fräsen, können die traditionelle Handarbeit nur ein Stückweit unterstützen. Komplikationsuhren stellen also die höchste Form der traditionellen Uhrmacherkunst dar.

Ein solches mechanisches Wunderwerk zu besitzen, ist bis heute ein Privileg, das den Uhrenliebhaber mit Stolz erfüllt. Nur wenige Manufakturen können alle großen Komplikationen wie Tourbillon, ewigen Kalender und Minutenrepetition selbst bauen. Patek Philippe gehört zu den bekanntesten Vertretern.

Inhalt:

Komplizierte Uhren gehören zur Tradition von Patek Philippe. Vor allem in der zweiten Hälfte des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts folgte ein Rekord in diesem Bereich dem nächsten. Patek Philippe präsentierte 1923 die erste Armbanduhr mit Schleppzeigerchronograph. 1925 folgte die erste Armbanduhr mit ewigem Kalender und 1937 die erste Armbanduhr mit Weltzeitanzeige.

Komplikationsuhren gehören bei Patek Philippe zur Historie

Eine besondere Herausforderung stellt die Kombination von mehreren Komplikationen dar. Dabei addiert sich die Schwierigkeit nicht einfach, sondern sie potenziert sich: Die Mechanismen müssen teilweise nebeneinander ins Werk integriert werden und besonders platzsparend konstruiert sein. Auch der Zusammenbau und das Einstellen einer Komplikation wird durch jede weitere erschwert.

Wo es Schwierigkeiten zu überwinden und Rekorde zu erreichen gibt, findet sich meist auch jemand, der mit Ehrgeiz an dieser Aufgabe arbeitet. So wetteiferten die beiden US-Unternehmer James Ward Packard und Henry Graves um die komplizierteste Uhr der Welt. Beide gaben bei Patek Philippe mehrmals Uhren in Auftrag. Zwischen 1900 und 1927 bestellte allein Packard 13 komplizierte Zeitmesser. Die zuletzt ausgelieferte besaß die meisten Zusatzfunktionen: eine Minutenrepetition mit Carillon (drei Tonfedern), einen ewigen Kalender mit Mondphase, Sonnenauf-und -untergangszeiten, eine Zeitgleichung und eine Anzeige des Sternenhimmels.

Die Henry Graves Supercomplication von Patek Philippe
Die Henry Graves Supercomplication von Patek Philippe war 1933 die komplizierteste Uhr der Welt

Nur fünf Jahre später, 1932, stellte Patek Philippe die noch kompliziertere sogenannte Supercomplication für Graves fertig. Die Taschenuhr verfügte über Minutenrepetition, Sonnerie mit Westminsterschlag, ewigen Kalender mit Mondphase, Schleppzeigerchronograph, Wecker, Sternzeit, Sonnenauf- und untergangszeit, Zeitgleichung und Sternkarte. 2014 erzielte die Supercomplication bei einer Sotheby’s-Auktion mit 23,237 Millionen Schweizer Franken den höchsten Preis, der jemals für eine Uhr gezahlt wurde.

Die Patek Philippe Calibre 89 mit 33 Komplikationen

Als komplizierteste Uhr übertroffen wurde sie erst 1989, als Patek Philippe zum 150. Jubiläum die Taschenuhr Calibre 89 mit 33 Komplikationen vorstellte. Die Uhr besitzt zwei Zifferblätter, acht Anzeigenscheiben, 24 Zeiger und ein Uhrwerk aus 1.728 Einzelteilen. Die Vorderseite verfügt über einen säkulären ewigen Kalender mit vierstelliger Jahreszahl, Mondphase und Mondalter, einen Schleppzeigerchronographen und eine zweite Zeitzone. Die Rückseite offenbart astronomische Anzeigen wie Sternzeit, Zeitgleichung, Sonnenauf- und -untergangszeiten, Jahreszeiten, Sonnenwenden sowie Tag- und Nachtgleichen, die Sternzeichen und eine rotierende Sternenkarte. Zu den akustischen Indikationen gehören eine Grande und Petite Sonnerie, eine Minutenrepetition auf vier Tonfedern und ein Alarm auf einer fünften Tonfeder.

Patek Philippe: Calibre 89
Die Patek Philippe mit den meisten Funktionen: Calibre 89

Der Uhr wurden mehrere Patente erteilt: Für die Anzeige des Osterdatums, das nach kirchlichem Kalender um mehr als vier Wochen variieren kann, sowie für den säkularen ewigen Kalender, dessen Datum auf einem 400-Jahres-Zyklus basiert und bis in das 28. Jahrhundert keine Korrektur benötigt. Während die Uhren für Graves und Packard stets Einzelstücke waren, baute Patek Philippe von der Calibre 89 immerhin vier Exemplare.

Patek Philippe: Sky Moon Tourbillon
Astronomische Anzeigen: Patek Philippe Sky Moon Tourbillon (1,38 Millionen Euro)

Die Genfer Manufaktur setzte die Serie von extrem komplizierten Taschenuhren im Jahr 2000 mit der Star Caliber 2000 mit 21 Funktionen fort – darunter ein ewiger Kalender, Sonnenauf- und -untergangsanzeige, Zeitgleichung sowie eine Sternenkarte. Im Jahr darauf zeigte Patek Philippe mit dem Sky Moon Tourbillon eine ultrakomplizierte Armbanduhr mit vorderem und rückseitigem Zifferblatt, die bis heute die Kollektion bereichert. Das Modell verfügt über ewigen Kalender, Minutenrepetition, Tourbillon, Sternzeit, Sternenkarte, Mondphasen und -winkelbewegungen.

Grandmaster Chime – die komplizierteste Uhr von Patek Philippe

Der nächste Rekord folgte 2014, als Patek Philippe mit der Grandmaster Chime seine komplizierteste Armbanduhr lancierte. Das beidseitig tragbare Modell mit zwei Zifferblättern beherbergt 20 Funktionen, und das Uhrwerk besteht aus 1.366 Einzelteilen.

Patek Philippe: Ref. 5175 Grandmaster Chime
Patek Philippe: Ref. 5175 Grandmaster Chime

Die Uhr besitzt allein fünf Schlagwerkfunktionen: Grande und Petite Sonnerie, eine Minutenrepetition, eine neuartige patentierte Datumsrepetition und einen Alarm mit Zeitschlag. Daneben gib es einen ewigen Kalender mit Mondphase und eine zweite Zeitzone.

Das Uhrwerk der Patek Philippe Grandmaster Chime
Patek Philippes kompliziertestes Uhrwerk arbeitet in der Grandmaster Chime

Innovative Komplikationen von Patek Philippe

Auch Patek Philippe entwickelt innovative Komplikationen: So haben die Genfer 1996 den Jahreskalender erfunden. Für die 2017 vorgestellte Aquanaut Travel Time Ref. 5650G Advanced Research verbesserte Patek Philippe die Zeitzonenfunktion. Bei dem neuartigen System zur Einstellung der Ortszeit über zwei Drücker ersetzt ein komplex geformtes Stahlteil mehrere Federn und Hebel und reduziert damit Reibung, Abnutzung, Fehleranfälligkeit und Kraftverbrauch. Außerdem fällt der Mechanismus deutlich flacher aus.

Patek Philippe Aquanaut Travel Time Ref 5650G Advanced Research
Patek Philippe Aquanaut Travel Time Ref 5650G Advanced Research

Komplikationen in der Nautilus-Linie

Heute baut Patek Philippe zahlreiche Armbanduhren mit kleinen oder großen Komplikationen und mit mehreren Funktionen. Auch mit den kleinen Komplikationen sieht es bei Patek Philippe gut aus: In der sportlicheren Nautlius-Linie kann man eine Mondphase mit Gangreserveanzeige bekommen. Und die Calatrava Pilot Travel Time besitzt eine zweite Zeitzone. Berühmt ist Patek Philippe aber besonders für zwei Komplikationen: die Weltzeitanzeige und den Jahreskalender. Daneben finden sich in der Kollektion noch Chronograph, Schleppzeigerchronograph, Chronograph mit Jahreskalender, Minutenrepetition, Chronograph mit Weltzeit, Miuntenrepetition mit Weltzeit, ewiger Kalender, Chronograph mit ewigem Kalender und Minutenrepetition mit ewigem Kalender. Als Triple Complication bezeichnet Patek Philippe die Uhren mit Minutenrepetition, ewigem Kalender und Chronograph. Grande Complication heißen bei der Manufaktur alle Modelle mit einer großer Komplikation wie einem ewigen Kalender.

Typisch für Patek Philippe: Weltzeituhr
Typisch für Patek Philippe: Weltzeituhr (42.850 Euro)

Ein Tourbillon bekommt man aktuell bei Patek Philippe kurioserweise nur zusammen mit einer Minutenrepetition. Als weitere Besonderheit gibt es die Anzeige des sichtbaren Sternenhimmels mit Winkelbewegung und Phasen des Mondes aus dem Sky Moon Tourbillon auch allein in einer Uhr, der Referenz 6102. Die sportlichen Modelle werden ebenfalls bedacht: Die Nautilus baut Patek Philippe mit Mondphase, Jahreskalender, Chronograph sowie mit ewigem Kalender. Die Aquanaut erhielt 2018 einen Chronographen.

Patek Philippe: Nautilus Ewiger Kalender, Referenz 5740/1G
Patek Philippe integriert bei der Nautilus Ewiger Kalender, Referenz 5740/1G eine Mondaphsenanzeige in das kleine Zeigerdatum bei der Sechs (107.125 Euro)

Die Preise der Komplikationsuhren

Patek Philippe ist eine Manufaktur der absoluten Luxusklasse. Das trifft auf Verarbeitung, Verzierung von Hand und auf die hier beschriebenen Zusatzfunktion zu. Die Preise fallen entsprechend hoch aus. So kostet bei Patek Philippe die zweite Zeitzone mit einfacher Bedienung über zwei Drücker in der Aquanaut Travel Time 30610 Euro in Stahl. Einen Jahreskalender in Gold gibt es ab etwa 35.000 Euro, den neuen Aquanaut Chronographen in Stahl für 39.381 Euro. 42.850 Euro kostet die Weltzeituhr, die die Manufaktur nur in Gold baut. Für einen ewiger Kalender werden mindestens 76.520 Euro fällig. Und für die Minutenrepetition mit Tourbillon ruft Patek Philippe 573.000 Euro auf. Das Sky Moon Tourbillon kostet 1,38 Millionen Euro. Die Preisskala endet mit der Grandmaster Chime bei atemberaubenden 2,42 Millionen Euro.

Jahreskalender: Referenz 5396G (43.156 €)
Jahreskalender: Referenz 5396G

Komplikationsuhren zeigen sich als faszinierende mechanische Mikrokosmen – als Steigerung der mechanischen Uhr. Patek Philippe bietet den Superlativ dieser Steigerung: die kompliziertesten und teuersten Uhren – ein bewegliches mechanisches Labyrinth, in dem man sich gerne verläuft. jk

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Produkt: Download Artikel: Wie die Uhr an den Arm kam
Download Artikel: Wie die Uhr an den Arm kam
Der Erste Weltkrieg verschaffte der Armbanduhr ihren Durchbruch. Den Soldaten in den Schützengräben leisteten Uhren am Handgelenk wertvolle Dienste. Warum das so war und wie die Armbanduhren im Ersten Weltkrieg aussahen erfahren Sie hier!

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Das sind reine “must have Uhren”. Völlig überzogen im Preis und die Qualität der Werke bezüglich der Gangwerte sind hingegen katastrophal. Ewige Kalender sind um die 20.000,- zu haben, siehe IWC.
    Aber wenn es glücklich macht!!

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  2. Mann kann ein Bentley continental coupe fahren oder auch ein VW. Beide Autos fahren und bringen den Besitzer ans Ziel. Qualität hat nun mal sein Preis.

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