Patek Philippe: Zu Besuch in Manufaktur und Museum
Dritter und letzter Tag der UHREN-MAGAZIN-Leserreise

Wer die Chance nutzen möchte, Patek Philippe zu besuchen, der muss früh aufstehen. Um 7:15 Uhr stand unser Bus abfahrbereit vor der Hoteltür, um die Teilnehmer der UHREN-MAGAZIN-Leserreise Schweiz 2017 pünktlich nach Plan-les-Ouates zu bringen. Der Genfer Vorort ist Produktionssstandort vieler Luxusmanufakturen, aber der gewaltige Rohbau der neuen Patek-Philippe-Manufaktur ist schon aus der Ferne zu erkennen. 450 Millionen Schweizer Franken investiert das Genfer Familienunternehmen in einen Neubau, der auf sechs Ober- und vier Untergeschossen im Jahr 2018 den Firmensitz um 50.000 Quadratmeter erweitern wird. Doch wir betraten die Manufaktur, indem wir unter der gewaltigen Edelstahlspirale hindurchschreiten, welche sich über dem Haupteingang erhebt.

Daniel Jaquet, langjähriger Leiter der Komponentenfertigung, erwartete uns bereits, und nachdem wir uns in kleidsame Besucherkittel gewandet hatten, ging es direkt in die Produktion. Das ehemalige Lagergebäude ist eine Zwischenlösung, bis die neue Produktion steht. Hier werden Platinen, Brücken und Räder für die Patek-Philippe-Kaliber gefertigt. Die Leserreise-Teilnehmer, teilweise selbst in verantwortlichen Positionen in der Produktion, waren sichtlich beeindruckt. Alle Arbeitsschritte werden sorgsam dokumentiert und der Materialfluss ist durchdacht organisiert.

Im linken Teil entstehen die Brücken, im rechten die Platinen und dazwischen werden Räder aus langen Metallstangen geschnitten, zentriert, verzahnt und veredelt. Besonders die Veredelungsschrittte dienen nicht nur der Optik, sonder sorgen dafür, dass das Material an der Oberfläche verdichtet wird und im Inneren gleichzeitig flexibel bleibt. Räder, welche mehr als 15 Hundertstel Millimeter dick sind, werden sogar beidseitig an ihren Schenkeln und Innenseiten angliert, also von Hand abgeschrägt. Dünnere Räder nur einseitig. Die Profile der Zahnräder werden poliert, die Achsenenden abgerundet. Dieser hohe Aufwand sorgt später für einen reibungsloseren Kraftfluss im Räderwerk.

Die Fertigungstiefe bei Platinen und Brücken ist nicht weniger eindrucksvoll. Von übermannsgroßen Rollen werden die Metallstreifen den Stanzen zugeführt. Den weitere Transport von Platinen und Brücken bewältigen kleine Transportbehälter, die sich wie Puzzleteile miteinander zu lange Reihern zusammen stecken lassen. So wird jede weitere Maschine mit einheitlich fixierten Werksteilen bestückt.

Zurück im Hauptgebäude und durch eine kleine Kaffeepause gestärkt besuchten wir die Uhrmacher, welche die vielen Komponenten zu kleinen Kunstwerken zusammenfügen. Bertrand Vallet ist im Haus zuständig für alle historischen Taschenuhren. Hier und heute war er aber die am meisten beneidete Person im Raum. Denn der Uhrmachermeister durfte die kostbaren Minutenrepetitionen präsentieren. Und das ging im Wortsinn Schlag auf Schlag. Während die Modelle in Roségold mit einem helleren Ton bezaubern, liefern Repetitionsuhren in einem Platingehäuse ein tiefer gestimmtes Zeitsignal. Etwa in der Mitte positionieren sich Uhren im Weißgoldgehäuse. Im direkten Vergleich konnten wir uns auch akustisch davon überzeugen. Die gezeigten Uhren stammten aus der Produktion und stehen vor der Auslieferung an die Kunden, deswegen war Fotografieren nur zum privaten Zweck erlaubt. Doch vor der Auslieferung steht die Qualitätskontrolle. Eine Minutenrepetition verlässt die Manufaktur nicht, bevor nicht einer der beiden Eigentümer, Henry oder Thierry Stern, die Uhr persönlich einer akustischen Abschlussprüfung unterzogen hat.
Bevor wir zur Mittagspause nach Genf aufbrachen, besuchten wir noch den Kundenservice. Denn zu den Qualitätsversprechen der Manufaktur, niedergelegt im Patek-Philippe-Siegel, gehört auch, dass jede der Uhren, welche jemals von Patek Philippe produziert wurde, hier auch wieder repariert wird. Dafür ist ein erhebliches uhrmacherisches Know-how notwendig – und mehrere gut sortierte Schränke mit Ersatzteilen. Wir bekamen einige so eindrucksvolle wie abschreckende Beispiele von Reparaturversuchen an Uhren zu sehen, bevor die hier angelangten. Neben Unruhen, welche mit Hilfe von Allesklebern “ausgewuchtet” wurden und durch untaugliche Öffnungsversuche verschrammte Monoblocgehäuse, bleibt uns vor allem das Beispiel eines Taschenuhrwerks in Erinnerung, in dem der Chronographenhebel durch eine zweckentfremdet zurechtgebogene Büroklammer ersetzt wurde. “Kreativ”, kommentierte der Uhrmacher trocken. Anschließend bekamen wir demonstriert, dass bei einer Revision vor allem darauf geachtet wird, die Uhr so weit wie möglich im Urzustand zu belassen. Sollte das nicht möglich sein, weil eine Komponente gebrochen oder verloren ist, werden die Ersatzteile auf kleinen handbetriebenen Drehbänken hergestellt. Also mit den gleichen Werkzeugen wie das Originateil.

Dermaßen beeindruckt setzten wir die UHREN-MAGAZIN-Leserreise im Patek-Philippe-Museum fort. Daniel Jaquet war uns auch hier ein kundiger Begleiter, welcher uns einige ausgewählte Höhepunkte aus fünf Jahrhunderten Uhrmacherkunst zeigte. Neben der Firmengeschichte beeindruckte vor allem die unglaublich breit angelegte Sammlung an historischen Uhren: von Sonnenuhren angefangen über erste eiserne Zeitmesser und kunstvoll und mit unglaublicher Detailtreue gefertigten Porträts auf Schmuckuhren bis hin zu wie lebendig wirkenden Automaten und Pistolen, aus denen beim Abfeuern statt eines Knalls ein kleines Vögelchen zwitschernd aus dem Lauf hüpft. Den Abschluss machen die Armbanduhren und die Exponate der aktuellen Patek-Philippe-Kollektion.

Mit aufrichtigem Dank und sichtlich beeindruckt verabschiedeten wir uns sowohl vom Museum als auch der Manufaktur von Patek Philippe. In den drei Tagen der UHREN-MAGAZIN-Leserreise sind auch viele individuelle Kontakte zwischen den Teilnehmern entstanden, und wer weiß, ob man sich nicht bei einer zukünftigen Leserreise wieder trifft. Das erste Mal wäre es nicht. tw
Wie die UHREN-MAGAZIN-Leserreise begann:
Hier finden Sie den Bericht zum Tag 1, Besuch bei Jaeger-LeCoultre.
Hier finden Sie den Bericht zum Tag 2, Besuch bei Audemars Piguet.
Sie haben auch Interesse an einem Besuch der Schweizer Uhrenmanufakturen?
Wir informieren Sie gerne über die im nächsten Jahr stattfindenden Leserreisen in die Schweiz im Mai und Juni 2018.
Ansprechpartnerin für Fragen jeder Art, Buchung und Organisation ist Frau Bettina Rost.
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