Breitling setzt auf die Connected Watch
Breitling setzt auf seine Connected Watch Exospace B55 und verbessert gleichzeitig seine Mechanikwerke: In Hamburg traf Chronos-Chefredakteur Rüdiger Bucher den Vizepräsidenten von Breitling, Jean-Paul Girardin.

Herr Girardin, an Ihrem Arm sehe ich keine mechanische Uhr, sondern die Exospace B55: die Connected Watch, die Sie 2015 vorgestellt haben. Wie kommt’s? Ich persönlich trage sie seit Monaten, und wenn ich sie nicht trage, merke ich, wie sehr sie mir fehlt. Die Exospace bietet eine perfekte Kombination in Sachen Präzision, Leistung und Design: Zunächst einmal ist sie ein typischer Breitling-Chronograph mit typischem Breitling-Design. Dazu bietet sie viele nützliche Funktionen wie das Speichern von Rundenzeiten, Count-up und Count-down, zwei Alarme, eine zweite Zeitzone und eine Geschwindigkeitsanzeige. Hier findet sich das, was wir bei Breitling immer anstreben: emotional, nützlich und einfach zu bedienen. Angesichts ihrer Nutzerfreundlichkeit ist die Exospace für mich der beste elektronische Chronograph.
Kann man sie als Smartwatch bezeichnen? Nein, sie ist keine Smartwatch im herkömmlichen Sinn. Sie ist nicht direkt mit dem Internet verbunden und dient nicht als Interface zum Smartphone. Das ist eine richtige Uhr, die aber mit dem Smartphone verbunden wird, um dort alle wichtigen Einstellungen vorzunehmen. Das ist bequemer als auf dem viel kleineren Display der Uhr. Sie können theoretisch aber alles auch an der Uhr selbst einstellen.
Breitling ist eine Marke für Piloten. Bietet die Uhr auch Funktionen für Flieger? Ja. Ein Beispiel: Ein Pilot muss ein Logbuch führen. Er muss aufschreiben, wie lange er geflogen ist, wann er die Parkposition verlassen hat, wann er losgeflogen und wann er gelandet ist und wann er die Parkposition, also Block-on wieder erreicht hat. Diese ganzen Daten können Sie mit der Exospace ganz einfach eingeben. Sie müssen nur in den Chronoflight-Modus gehen und den Drücker bei zwei Uhr betätigen: Block-off, Take-off, Landing und Block-on. Ich mache das, wenn ich selbst mit dem Hubschrauber von unserem Hauptsitz in Grenchen zu unserer Werkemanufaktur in La Chaux-de-Fonds fliege. Sehen Sie: Hier habe ich die letzten Flüge gespeichert. (zeigt die Daten auf seiner Uhr) Diese Daten können Sie auch per E-Mail schicken. Sie brauchen also nichts extra aufzuschreiben, was immer mühsam ist. So etwas ist eine sinnvolle Weiterentwicklung der klassischen Chronographenfunktionen.

Wie sieht so ein eine Uhr in fünf Jahren aus? Da die Uhr rund 8.000 Euro kostet, haben wir darauf geachtet, dass die im Inneren verwendeten elektronischen Komponenten eine entsprechend lange Lebensdauer haben. Die Uhr ist ausgestattet mit einem Titangehäuse, sie ist wasserdicht, die Kontakte sind rostfrei, und sie verfügt über ein Fenster auf dem Zifferblatt, durch das die Antenne senden kann.
Ich meinte, ist sie dann nicht veraltet? Nein. Die Uhr wird mit dem Träger zusammen älter, sie wächst mit ihm, sie veraltet nicht. Es gibt Updates, sowohl für die Apps als auch für die Firmware der Uhr. Das Uhrenupdate kann man direkt über Bluetooth herunterladen; man muss dazu nicht in ein Kundendienstcenter gehen. Die Uhr funktioniert mit Android und iOS. Und schließlich funktioniert die Uhr eben auch ohne Smartphone.
Ist das die Zukunft der Uhr oder eher ein Zwischenschritt? Ich kann nicht für andere Hersteller sprechen. Für uns war es klar, dass die energiesparende Bluetooth-Verbindung gut zu Breitling passt. Letztlich geht es darum, die Bedienung von Chronographen einfacher zu machen. Das hat Tradition bei Breitling: Denken Sie nur daran, dass wir 1915 als erster Hersteller den unabhängigen Drücker beim Chronographen und 1934 den zweiten Drücker bei 4 Uhr eingeführt haben, mit dem die Nullstellung von der Start-Stopp-Funktion getrennt wurde. 1942 folgte die Rechenschieberlünette, zunächst beim Chronomat, 1952 dann beim damals eingeführten Navitimer. Und 1995 brachten wir mit der Emergency die erste Uhr, die Signale an Satelliten senden kann. All diese nützlichen Funktionen finden Sie bis heute in unseren Uhren. Das ist nichts, was veraltet. Wir haben aber nicht vor, eine richtige Smartwatch zu bauen.
Breitling lässt seit 1999 alle Uhrwerke von der COSC testen. Jetzt gibt es Konkurrenzmarken wie Omega, die darüber hinausgehen und fertige Uhren testen. Fühlen sie die Notwendigkeit, hier auch etwas Neues zu machen? Die ausnahmslose COSC-Zertifizierung ist für uns sehr wichtig, das ist die Qualitätsphilosophie von Breitling. Wir lassen 100 Prozent unserer Produktion zertifizieren. Für uns bedeutet das, wenn ein Werk nicht zertifiziert wird, kommt es zu uns zurück, wir müssen es neu einstellen und wieder zurück zur COSC schicken. Das ist ein Riesenaufwand. Wir müssen also im eigenen Interesse zusehen, dass die Werke von vornherein so gut sind, dass das nicht passiert. Dafür müssen wir die komplette Produktion entsprechend im Griff haben. Wir profitieren aber auch von der COSC: Die Werke sind 15 Tage lang dort und laufen. Wir erhalten von der COSC sämtliche Gangergebnisse und nutzen diese Daten, um unsere Produktionsprozesse zu optimieren. Das funktioniert aber nur, weil eben lediglich Werke getestet werden. Mit kompletten Uhren wäre das viel zu aufwendig. Allein das Logistikproblem, die nötigen Versicherungen für die Golduhren!

Aber nach dem Einschalen der Werke ins Gehäuse können sich die Gangwerte ändern. Ja. Hier kommt die Verantwortlichkeit der Marken ins Spiel. Sie müssen gewährleisten, dass das Werk eingeschalt genauso gut läuft wie zuvor beim COSC-Test. Wir setzen daher viel früher an. Schon bei der Konstruktion achten wir darauf, dass Werk und Gehäuse so beschaffen sind, dass sich die Ganggenauigkeit durch das Einschalen nicht verändert. Zum Beispiel darf das Werk nicht so eingebaut sein, dass es zu sehr unter Spannung steht.
Die COSC erlaubt Werte zwischen –4 und +6 Sekunden Abweichung pro 24 Stunden. Ja, aber wir schicken grundsätzlich nur Werke zur COSC, die zwischen 0 und +6 Sekunden liegen. Eine Breitling-Uhr soll nicht nachgehen! Das prüfen wir auch nach dem Einschalen. Zu unserer Philosophie gehört es auch, dass eine Uhr, wenn sie nach Jahren in ein Breitling-Servicecenter kommt, wieder so reguliert werden kann, dass sie ähnlich präzise geht wie am Anfang, als sie neu war.
Wie sehen sie das Thema Magnetismus? Ist das eine große Bedrohung für die Uhr? Ja, es gibt mehr und mehr Magnetismus überall im Alltagsleben. Alle unsere Uhren befinden sich innerhalb der jetzt gültigen Normen.
Die allerdings nicht sehr hoch sind. Wir sind an diesem Thema dran. Mit unserer Abteilung Chronoworks haben wir den ersten Schritt gemacht: Wir haben unser Chronographenwerk B01 umgebaut. In der Chronoworks-Version bestehen Anker und Ankerrad sowie das gesamte Räderwerk aus Silizium, wodurch sie leichter und amagnetisch werden. In Zukunft werden wir noch mehr in dieser Richtung machen.

Das erste Chronoworks-Kaliber gibt es derzeit nur in einer limitierten Sonderedition für gut 37.000 Euro. Wie geht es weiter? Sollen Chronoworks-Werke eines Tages die bisherigen Chronographenwerke ersetzen? Nein, das muss man sich eher vorstellen wie eine Rennabteilung bei einem Automobilehersteller. Mit Chronoworks können wir neue technische Lösungen und Innovationen testen. Das sind dann aber keine Konzeptuhren, die es nur ein- oder zweimal gibt, sondern echte Serien von chronometerzertifizierten Uhren, die wir verkaufen – wie die von Ihnen angesprochene Superocean Heritage Chronoworks. Später können wir diese Innovationen in die größeren Serien einbringen.
Ist Chronoworks eine Abteilung oder ein Projekt? Beides. Die meisten Leute, die bei uns für Chronoworks arbeiten, sind in der Abteilung Forschung und Entwicklung sowie im Labor tätig. Das sind unsere besten Konstrukteure, die Ingenieure, die unsere Werke entwickeln, die besten Laboruhrmacher. Dabei sind auch Mathematiker, die numerische Simulationen durchführen, und Chemiker, die an Ölen und Fetten arbeiten. Sie untersuchen alle Details am Werk und schauen, was man verbessern kann. Wir haben bereits einige Ansätze entdeckt: So besitzt das erste Chronoworks-Kaliber ein Platinenmodul aus Keramik, in die man die Zapfen der Räder direkt einsetzt, ohne Lagersteine zu benötigen. Für die Hemmung haben wir eine neue Geometrie entwickelt, dazu gibt es eine neue Unruh und elastische Zähne für die Kupplung zwischen Basiswerk und Chronograph. Sie bewirken, dass man den Chronographen problemlos mitlaufen lassen kann, ohne dass sich die Gangreserve verringert. Diese Dinge könnten wir ziemlich schnell in die Serienproduktion einführen.
Sie müssen also entscheiden, welche Elemente sie in die Serienproduktion einführen. Die Keramikplatinen zu verarbeiten und in Serie zu produzieren, wird nicht einfach. Das werden wir in absehbarer Zeit noch nicht in die Produktion einführen. Beim Kupplungsrad ist es wiederum einfacher.

Bei Ihrem Chronographenwerk B01 haben Sie fast alle wichtigen Zusatzfunktionen gebracht: eine zweite Zonenzeit, Weltzeit, 24-Stunden-Anzeige. Es gibt neben der Automatikversion auch eine mit Handaufzug. Was noch fehlt, ist ein Schleppzeigermechanismus. Geduld! Nächstes Jahr wollen wir auf der Baselworld auch noch etwas zeigen! (lacht)
Ein Schleppzeiger würde in Ihre Philosophie passen? Unser Slogan heißt „Instruments for Professionals“ – was wir anbieten, muss wirklich nützlich sein. Ein Schleppzeiger gehört dazu, ein Foudroyante, also eine blitzende Sekunde ist dagegen für Breitling nicht nötig.
Wer verantwortet eigentlich das unverkennbare Breitling-Design? Letztlich unser Inhaber und Generaldirektor, Theodore Schneider. Für die Arbeit am Detail haben wir einen Designer, aber Herr Schneider ist persönlich immer sehr stark involviert und trifft alle Entscheidungen. Das ist der Vorteil einer kleinen Firma.
Die Fragen stellte Rüdiger Bucher.