Interview: Jean-Claude Biver über Hublot, TAG Heuer und Zenith
LVMH-Uhrenchef über aktuelle Entwicklungen seiner drei Marken
Jean-Claude Biver, der Uhrenchef des Luxusugüterkonzerns LVMH, sagt im Interview mit Rüdiger Bucher, wie es mit seinen drei Marken Hublot, TAG Heuer und Zenith läuft, welcher Erfolg seiner Laufbahn ihm am meisten bedeutet und welche Herausforderungen Zenith lösen muss.

Die Uhrenbranche hat gerade wieder einmal ein, zwei Krisenjahre hinter sich. Jetzt spürt man allerorten Optimismus. Wie ist das bei Ihren Marken?
Es läuft genauso wie für den Großteil der Schweizer Uhrenindustrie: sehr gut. Aber wenn es allen gut geht, weiß man nicht mehr, wer erfolgreich ist wegen seiner Substanz und Stärke und wer nur wegen des allgemeinen Trends erfolgreich ist. In Krisenzeiten ist es für uns leichter, Marktanteile zu gewinnen. Von 2015 bis 2017 hat TAG Heuer kumuliert 39,5% zugelegt. Die Industrie hat während dieser Zeit 12% verloren.
Woran liegt es, dass TAG Heuer diese Marktanteile gewonnen hat und so viel stärker geworden ist?
Wenn es schlecht läuft, verlässt viele Marken der Mut. Sie fangen an zu sparen: in der Entwicklung, im Marketing. Wir tun genau das Gegenteil. Unsere Marke ist plötzlich viel dynamischer geworden. Früher wäre es bei TAG Heuer gar nicht denkbar gewesen, mit jungen Künstlern wie Alec Monopoly oder Cara Delevingne zusammenzuarbeiten oder sich im Fußball zu engagieren. Ähnlich wie Zenith, für die die Tradition fast zu einem Gefängnis wurde. Jetzt haben wir Zenith mit neuen Konzepten konzeptuell mit der Zukunft verknüpft. Das betrifft die Produkte genauso wie die Kommunikation sowie Forschung und Entwicklung.
Sie haben im Lauf Ihrer Karriere mit verschiedenen Marken Erfolge gefeiert: Blancpain, Omega, Hublot, TAG Heuer. Welcher ist Ihnen am meisten wert?
Hublot ist mein größter Stolz. Und mein größter Erfolg
Noch mehr als Blancpain?
Ja. Und was den Erfolg noch größer macht, ist die Tatsache, dass Hublot weiterhin konstant wächst, obwohl ich seit sechs Jahren nicht mehr CEO bin. Ich habe mit dem operativen Geschäft nichts mehr zu tun. Was Ricardo Guadalupe und sein Team machen, ist bemerkenswert. Sie entwickeln die Marke genau in die Richtung, die ich auch eingeschlagen hätte. Nur ein Beispiel von vielen ist die Big Bang Red Magic mit ihren Gehäuse aus dieser fantastischen knallroten Keramik. Diese Farbe ließ sich früher mit Keramik nicht realisieren. Jetzt hat Hublot es nach jahrelanger Arbeit geschafft. Darauf bin sehr stolz.

Wie sehen Sie die Entwicklung von Zenith?
Auch hier bin ich sehr zufrieden! Zenith ist wieder auf den Beinen. Auch dort kann ich mich zurückziehen, seitdem Julien Tornare das Ruder übernommen hat.
Und bei TAG Heuer? Wie lange wollen Sie die Marke noch führen?
Bis ich 70 bin. Also noch anderthalb Jahre.
Sie haben das Entwicklungs- und Forschungsinstitut der LVMH-Uhrendivision gegründet. Arbeitet das für alle drei Marken: Hublot, TAG Heuer und Zenith?
Im Prinzip ja. Allerdings besitzt Hublot seine eigene Entwicklungsabteilung. Daher kommen die Aufträge für das Institut fast alle von Zenith und TAG Heuer. Es ist natürlich denkbar, dass auch Hublot plötzlich einer Technik bedarf, die die Manufaktur nicht selbst entwickeln kann. So war es zum Beispiel bei der Big Bang Referee 2018, der Smartwatch für die Fußball-Weltmeisterschaft. Da konnte Hublot auf die Erfahrungen, die TAG Heuer mit seiner Connected gemacht hat, zurückgreifen. Grundsätzlich entwickelt das Institut Dinge, die für alle Marken interessant sind, zum Beispiel eine neue Spiralfeder. Dort arbeiten Ingenieure, Mathematiker, Experten für Metallurgie. Für das Institut haben wir in Mittel in der Größenordnung von acht bis neun Millionen Schweizer Franken investiert; das ist vor allem für eine kleinere Marke wie Zenith interessant, die solche Mittel allein nicht bereitstellen könnte.
Sie arbeiten auch mit Universitäten zusammen.
Ja, mit der Harvard Business School und mit den Universitäten von Delft und Lausanne.
Zenith hat 2017 ein Uhrwerk mit einer völlig neuartigen Hemmung vorgestellt, das bisher nur in den zehn Uhren einer Limited Edition tickt. Wie lange dauert es, bis das entsprechende Modell, die Defy Lab serienmäßig herausbringen können?
Ende 2018 soll es so weit sein.

Welche Schwierigkeiten galt es zu überwinden?
Verschiedene Bestandteile des Werks, etwa die aus Silizium, bauen nicht wir selbst. Sie werden vom CSEM hergestellt, einem Forschungs- und Entwicklungszentrum in Neuchâtel. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Zu Beginn waren im Werk bestimmte Räder vorgesehen, die aus Stahl bestanden, nicht aus Silizium. Doch die Metall- und die Siliziumteile haben, vereinfacht ausgedrückt, nicht optimal miteinander harmoniert. Daher müssen wir nun einige Teile, die ursprünglich nicht aus Silizium bestanden, auch aus diesem Material fertigen. So eine Umstellung setzt unter anderem voraus, dass alles neu berechnet werden muss. Dazu kommt, dass die Wissenschaftler des CSEM nicht nur für uns arbeiten. All das kostet Zeit, die man sich bei der Entwicklung so einer bahnbrechenden Technik nehmen muss. Wir versuchen jetzt, bis Ende 2018 zwischen 1.000 und 3.000 Werke zu fertigen.
Eignet sich das neue Zenith-Kaliber auch dazu, mit Zusatzfunktionen versehen zu werden?
Ja. Das war für uns bei der Entwicklung ein wichtiger Punkt. Funktionen wie eine Mondphasenindikation oder ein Chronograph lassen sich damit realisieren.
Zenith feiert 2019 50 Jahre El Primero. Wie kommt da das Thema Zukunft ins Spiel?
Indem wir ein neues El Primero 1969 machen. Also weitere Entwicklungen. Wir bringen (jetzt) ein El Primero Flyback. Das ist eine interessante sinnvolle Ergänzung. Was ebenfalls Sinn machen würde, ist ein Schleppzeiger-Chronograph.
buc
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