Interview: Thomas Meier, CEO von Glashütte Original, über die Prioritäten seiner Marke
Viele nützliche Funktionen, kein l'art pour l'art
Thomas Meier, CEO von Glashütte Original, erklärt im Interview mit Rüdiger Bucher, auf welche Art von Funktionen er bei seinen Uhren setzt und was für Glashütte Original weniger wichtig ist.

Herr Meier, wenn ich über die Messe laufe, sehe ich, dass bei vielen Marken das Thema Nutzwert eine große Rolle spielt. Wie ist das bei Glashütte Original?
Wir haben gerade in diesem Bereich viel anzubieten. Das beginnt beim ewigen Kalender, den wir gerade in einer skelettierten Variante präsentieren. Dann haben wir eine zweite Zeitzone für den, der viel reist – die finden Sie in unserer Senator Cosmopolite im Stahlgehäuse. Diese Uhr bietet sehr viel: zwei Tag-Nacht- und eine Gangreserveanzeige, ein Panoramadatum, das mit der Lokalzeit verbunden ist und vorwärts wie rückwärts schalten kann. Dazu natürlich die 36 Zeitzonen. Auch die Mondphase ist eine durchaus nützliche Funktion, vor allem in Markten wie China, wo der Mond für viele Menschen eine wichtige Rolle spielt. Unser Mond ist so präzise, dass man ihn theoretisch erst nach 122 Jahren korrigieren muss. Im Übrigen zähle ich auch einen Chronographen zu den nützlichen Funktionen. Wichtig für den Kunden ist auch eine lange Gangreserve. Bei uns finden Sie 70 Stunden im Chronographenkaliber 37 und sogar 100 Stunden im Automatikwerk 36.

Wie stehen Sie zum Thema Magnetfeldschutz?
Wir erfüllen weitaus mehr als die DIN-Norm, und die verlangt 4.800 Ampère/Meter. Tiefer sind wir in das Thema noch nicht eingedrungen.
Wollen Sie tiefer eindringen?
Möglicherweise. Wir könnten es in unsere Neuentwicklungen einfließen lassen. Im Moment haben wir das noch nicht intensiv genug untersucht.
Wie sieht es mit Silizium aus?
Alle Werke, die wir jetzt neu entwickeln, werden mit Siliziumspiralen ausgerüstet. Auch die älteren Kaliber werden wir nach und nach damit ausstatten.
Nur die Spirale, nicht auch Anker und Ankerrad aus Silizium?
Wir wissen, dass andere Hersteller auch das machen, aber meiner Meinung nach ist das nur bei schnell schwingenden Kalibern sinnvoll, damit man den Gewichtsvorteil richtig nutzen kann. Wir arbeiten aber bei unseren Kalibern mit vier Hertz, das stellt für uns ein gewisses Optimum dar.
Sie stehen also nicht auf dem Standpunkt, dass eine klassische Uhrenmarke nur klassische Materialien verwenden sollte.
Nein. Wir blicken auch deshalb auf eine lange erfolgreiche Geschichte zurück, weil wir technisch immer an vorderster Front waren. Wir haben schon immer die klassischen Konstruktions- und Veredelungsprinzipien mit modernen Funktionen und Materialien kombiniert.
Ein weiteres Feld rund um die Nützlichkeit ist das Thema Kratzfestigkeit. Spielt das für Sie eine Rolle, zum Beispiel im Hinblick auf Keramiklünetten?
Grundsätzlich ist so etwas für uns denkbar, aber im Augenblick nicht. Wir sind im Prestigebereich tätig, arbeiten viel mit 18-karätigem Gold, da ist letztlich die Schönheit wichtiger als die Kratzfestigkeit.
Luxusmarken leben in erster Linie von der Emotion. Wie sehen Sie das Spannungsfeld zwischen Nutzwert und Emotion?
Wir definieren uns über Sachlichkeit und Nutzwert: über unsere technische Kompetenz; über unsere Historie, die man in unserem Museum nachvollziehen kann; über die Möglichkeit, dass der einzelne Kunde unsere Manufaktur besuchen und sich davon überzeugen kann, dass wir 95 Prozent der Teile selbst fertigen. Bei uns ist das Produkt die Emotion: Wir müssen sie nicht zusätzlich von außen hineintragen. In unseren Uhren finden Sie keine Funktion, die nur dem l’art pour l’art dient.
Nicht zuletzt speist sich Emotion auch durch Farben.
Unsere Sixties mit grünem Zifferblatt ist der Star dieser Baselworld, sie ist der Bestseller.

Hat Sie das überrascht?
Eigentlich nicht. Wir hatten vor einem Jahr auf der Berlinale 2017 die Sonderserie Sixties Square Iconic mit fünf außergewöhnlichen Zifferblattfarben. Damals war die grüne Variante die erste, die ausverkauft war, und damit hatte zu jener Zeit niemand gerechnet.
Wo unterscheidet sich Glashütte Original generell von vergleichbaren Schweizer Luxusuhrenmarken?
Zunächst einmal sind wir glücklich, in einem Schweizer Konzern zu sein. Die Swatch Group hat uns nicht nur geholfen, ein erstklassiges weltweites Vertriebsnetz aufzubauen. Wir allein könnten auch keine Fertigung von Siliziumteilen aufziehen. Was Schweiz und Deutschland eint: beide bauen schöne, hoch präzise Uhren auf dem neuesten Stand der Technik. In Glashütte haben wir unsere eigenen, aus der Historie abgeleiteten Konstruktionsprinzipien wie die Dreiviertelplatine; zum Teil arbeiten wir im Werk mit Chatons, was man in den Schweizer Konstruktionen auch nicht findet. Dazu kommen Details wie die Schwanenhals-Feinregulierung. Bei Glashütte Original finden Sie außerdem das Panoramadatum ohne Mittelsteg, was ebenfalls kein anderer Hersteller hat. Ansonsten liegt der größte Unterschied im Design.
Wie würden Sie die Designunterschiede charakterisieren?
Das Schweizer Design ist durch den starken französischen Einfluss vielleicht etwas verspielter als das klare deutsche Design. Ich höre oft, dass unsere Uhren aufgeräumt sind, klar strukturiert, gut ablesbar, klar in der Formensprache. Darüber hinaus spielt das German Engineering eine wichtige Rolle.
Wie definieren Sie das?
Laut bestimmten Untersuchungen ist „Made in Germany“ das Gütezeichen, mit dem sich die höchsten Wertvorstellungen verknüpfen, besonders in den Kategorien Zuverlässigkeit und Langlebigkeit. buc
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Uhren von Glashütte Original in der Datenbank von Watchtime.net