Die 7 kompliziertesten Komplikationen einer Uhr
Was sind die am schwierigsten zu realisierenden Zusatzfunktionen?
Zusätzliche Funktionen, die über die reine Anzeige der aktuellen Uhrzeit hinausgehen, machen die mechanische Uhrmacherkunst besonders reizvoll. Sie alle erhöhen den Nutzen der Uhr, technisch gesehen gibt es aber große Unterschiede. Die Palette reicht von der einfachsten und häufigsten Komplikation, der Datumsanzeige, bis zur Uhr mit Schlagwerk und/oder Repetition. Im Folgenden stellen wir die 7 kompliziertesten Komplikationen vor.
Uhren, die besonders viele verschiedene Funktionen in sich vereinen, finden Sie hier.
Komplizierte Komplikation #1: Minutenrepetition
Jaeger-LeCoultre: Reverso Tribute Minute Repeater
Jaeger-LeCoultreDie Minutenrepetition gilt vielen als die anspruchsvollste Komplikation in der Uhrmacherei. Ihre Kunst besteht darin, die Zeit nicht (nur) optisch, sondern akustisch wiederzugeben. Und zwar nicht allein, wie bei einer Uhr mit Schlagwerk, sondern auf Befehl. Der besteht klassischerweise im Betätigen eines Schiebers, manchmal auch eines Drückers. Beide findet man im Regelfall am linken Gehäuserand. Als Ergebnis wird der Mechanismus in Gang gesetzt setzen sich zwei Hämmer in Bewegung, die auf zwei Tonfedern schlagen. Eine typische Minutenrepetition gibt zunächst mit dem ersten Ton die verstrichenen vollen Stunden, dann mit einem Zweiklang die verstrichenen Viertelstunden und zum Schluss die seit der letzten vollen Viertelstunde vergangenen Minuten dar. Die längste Klangfolge kommt somit um 12.59 Uhr zustande: Erst 12 Einzelschläge, dann drei Doppelschläge, anschließend 14 weitere Schläge in dem anderen Ton als dem der Stunden. Zudem verfügt eine Minutenrepetition über eine sogenannte Alles-oder-nichts-Sicherung: Die Tonfolge erklingt nur dann, wenn der Schieber bis zum Ende geschoben, der Drücker komplett gedrückt wurde. Ansonsten bleibt die Uhr stumm. So verhindert man, dass eine falsche Uhrzeit geschlagen wird.
Die abgebildete Reverso Tribute Minute Repeater von Jaeger-LeCoultre, im April 2025 vorgestellt, ist nicht nur eine der aktuellsten Minutenrepetitionen. Sie zeichnet sich auch durch zwei Besonderheiten aus: Zum einen gehört sie zu den wenigen Repetitionsuhren in einem rechteckigen Gehäuse, zum anderen befindet sich ihr Schieber am rechten oberen Gehäuserand. Eigens für sie hat die Manufaktur mit dem Manufakturkaliber 953 ein neues Werk entwickelt.
Komplizierte Komplikation #2: Grande Sonnerie
Philippe Dufour kreierte 1992 die erste Armbanduhr mit Grande und Petite Sonnerie.
Philippe DufourIm Gegensatz zur Minutenrepetition schlägt die Grande Sonnerie, zu Deutsch Großes Schlagwerk, die Uhrzeit von allein, wie eine Kirchturmuhr. Von der ist die Funktion auch abgeleitet. Eine Grande Sonnerie schlägt alle 15 Minuten die vollen Stunden und Viertelstunden. Die abgespeckte Form nennt sich Petite Sonnerie oder Kleines Schlagwerk: Sie schlägt entweder – da gibt es verschiedene Versionen – nur die vollen Stunden oder die vollen Stunden und die Viertelstunden – ohne aber davor noch einmal die Stunden zu schlagen. Im frühen 16. Jahrhundert gab es die ersten Taschenuhren mit Schlagwerk. Die erste Armbanduhr mit Grande und Petite Sonnerie brachte 1992 Philippe Dufour heraus. Anders als bei der Minutenrepetition gibt es bei einer Sonnerie in der Regel ein zusätzliches Federhaus für diesen Mechanismus, sodass der Komplikation eine eigene Energiequelle zur Verfügung steht.
Komplizierte Komplikation #3: Schleppzeigerchronograph
Mit einem Chronograph-Rattrapante, zu Deutsch Schleppzeigerchronograph, kann man Zwischenzeiten stoppen. Dafür "schleppt" der zentrale Chronozeiger einen zweiten Zeiger mit sich, der zunächst nicht sichtbar ist. Betätigt man den zusätzlichen Drücker, bleibt der Schleppzeiger stehen, während der andere weiterläuft. Bei erneutem Druck holt der Schleppzeiger den Chronozeiger wieder ein (frz. rattraper = einholen). Dieser Vorgang lässt sich beliebig oft wiederholen. Ist schon ein normaler Chronograph technisch aufwändiger, als viele angesichts seiner weiten Verbreitung meinen , gehört der Schleppzeigerchronograph zu den aufwändigsten Komplikationen. Denn er muss ein komplexes Zusatz-Schaltwerk integrieren. Dessen von außen meist gut erkennbares Zentrum ist das von einer Zange festgehaltene Schleppzeigerrad: Es wird bei Druck auf den oben erwähnten zusätzlichen Drücker freigegeben (Zange öffnet sich) und auf Wunsch wieder angehalten (Zange schließt sich). Eine aktueller Schleppzeigerchronograph ist die 2024 von Czapek eingeführte Antarctique Rattrapante Ice Blue. Ihr Automatikkaliber SXH6 bietet 60 Stunden Gangreserve.
Komplizierte Komplikation #4: Tourbillon
Breguet: Classique Tourbillon Sidéral 7255
BreguetDas Tourbillon gehört unter den aufwendigen Komplikationen zu den beliebtesten, weil es viel zu sehen gibt. Und das, was man sieht, ist sehr filigran und bewegt sich gleichzeitig noch. Gemeint ist das Schwing- und Hemmungssystem, das in einem feinen Käfig untergebracht ist, sodass es sich um seine eigene Achse dreht. Erfunden wurde das Tourbillon von Abraham-Louis Breguet, der es 1801 im noch revolutionären, aber schon von Napoleon regierten Paris zum Patent angemeldete. Seine Erfindung galt den häufigen Schwerpunktfehlern der senkrecht getragenen Taschenuhren: Die Idee bestand darin, solche Unwuchten dadurch auszugleichen, dass die Unruh selbst beständig um 360 Grad rotierte – in der Regel innerhalb von einer Minute – und sich ein Schwerpunktfehler dadurch ausgleichen musste. Obwohl der Mechanismus mit Blick auf die Taschenuhr erfunden wurde, gelangte er in den 1940er-Jahren auch ans Handgelenk. Doch vor der 1986 von Audemars Piguet lancierten Serien-Armbanduhr mit Tourbillon waren solche Stücke absolute Ausnahmen. Ein regelrechter Boom an Armband-Tourbillons setzte 2001 ein, als der 200. Geburtstag des Breguet'schen Patents gefeiert wurde. Heute werden Tourbillons in ganz unterschiedlichen Preis- und Dekorationsstufen angeboten; mal von einer – meist aufwendig verzierten – Brücke gehalten, mal fliegend gelagert. Das aktuelle Classique Tourbillon Sidéral von Breguet ist das erste fliegende Tourbillon der Marke.
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Komplizierte Komplikation #5: Der ewige Kalender
Parmigiani: Toric Perpetual Calendar in Platin mit hellblauem Zifferblatt
ParmigianiNach jedem kurzen Monat das Datum korrigieren? Nicht mit dem ewigen Kalender! Und im Gegensatz zum Jahreskalender, der zumindest einmal im Jahr, nämlich am 1. März, von Hand korrigiert werden muss, kennt er selbst die Schaltjahre. Um diese Funktion zu ermöglichen, wurden im Laufe der Zeit verschiedene Mechanismen entwickelt. Das Prinzip dahinter ist, dass ein Programmrad oder Nocken von einem Hebel abgetastet wird, sodass der Mechanismus "weiß", in welchem Monat und in welchem Jahr des Vier-Jahres-Rhythmus man sich befindet. Erste Uhren mit ewigem Kalendarium gab es schon im frühen 17. Jahrhundert; ans Handgelenk wanderte die aufwendige Technik Mitte der 1920er durch Patek Philippe und Breguet. Heute ist der ewige Kalender aus dem Angebot der großen Marken nicht mehr wegzudenken. Durch die Vielzahl der Anzeigen ist das Zifferblatt meist sehr voll. Einen anderen Weg, bei dem die Darstellung der aktuellen Uhrzeit im Vordergrund steht, geht Parmigiani mit der 2025 vorgestellten Toric Perpetual Calendar.
Aber ist der ewige Kalender wirklich ewig? Nicht ganz: Gemäß den Bestimmungen des Gregorianischen Kalenders gibt es nicht wirklich alle 4 Jahre ein Schaltjahr. In den runden, nicht durch 400 teilbaren Jahren fällt dieses aus. 1700, 1800 und 1900 gab es kein Schaltjahr, und 2100 wird das wieder so sein. Je weiter das 21. Jahrhundert voranschreitet, desto näher rückt dieser Termin. Aus diesem Grund hat beispielsweise IWC 2024 den Eternal Calendar herausgebracht, der auch den oben genannten Umstand berücksichtigt. Ähnliche Mechanismen, die man auch als "säkularen Kalender" bezeichnet, gab es auch schon von anderen Herstellern.
Komplizierte Komplikation #6: Zeitgleichung oder Äquation
Breguet Marine Tourbillon Equation Marchante 5887: Der goldene Zeiger mit Ringspitze zeigt die wahre Sonnenzeit an.
BreguetEine recht seltene, aber für astronomisch Interessierte sehr spannende Komplikation ist die Zeitgleichung, auch Äquation genannt. Sie gibt die Differenz zwischen der wahren und der mittleren Sonnenzeit an. Unsere Uhren geben die aktuelle Zeit an, die für die jeweilige Zeitzone als mittlere Sonnenzeit festgelegt ist. In Zentraleuropa ist das die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) bzw. im Sommer die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ). Diese weicht aber meistens um einige Minuten von der wahren Sonnenzeit ab, also der Zeit der Sonnenuhren. Diese nämlich variiert von Tag zu Tag, und zwar aufgrund der elliptischen Form der Erdumlaufbahn sowie der Neigung der Erdachse. Nur an vier Tagen im Jahr stimmen mittlere und wahre Sommerzeit überein: am 15. April, am 14. Juni, am 1. September und am 24. Dezember. Die größten Unterschiede gibt es Anfang November (hier geht die mittlere Sonnenzeit über 16 Minuten gegenüber der wahren Sonnenzeit nach) und Anfang Februar, wenn die mittlere Sonnenzeit gut 14 Minuten gegenüber der wahren Sonnenzeit vorgeht. Audemars Piguet brachte das Thema Zeitgleichung 2010 mit der Royal Oak Equation du Temps wieder verstärkt ins Blickfeld, seitdem gibt es diese Komplikation auch bei Komplikationsuhren anderer Hersteller. Eine der neuesten Uhren mit Äquationsanzeige ist die Breguet Marine Tourbillon Equation Marchante: Sie verfügt über einen zusätzlichen Zeiger mit goldener Ringspitze, der die wahre Sonnenzeit anzeigt.
Komplizierte Komplikation #7: Sonnenauf- und -untergang
Martin Braun Eos
Martin BraunDie Anzeige von Sonnenauf- und -untergang ist eine äußerst seltene Komplikation, setzt sie doch voraus, dass sie für den Ort, an dem die Uhr getragen wird, eigens eingestellt sein muss. Der deutsche Uhrmachermeister Martin Braun war in den frühen Nullerjahren der erste, der mit seiner EOS (die bis heute käuflich ist) eine Armbanduhr ganz dieser Komplikation widmete. Ansonsten findet man sie in der Regel nur bei sehr komplizierten Zeitmessern, oft in Verbindung mit einem ewigen Kalender und/oder weiteren kalendarischen oder sonstigen Funktionen. Zu den jüngsten Beispielen für eine Uhr, die über Sonnenaufgang und Sonnenuntergang informiert, gehört die 2023 von Krayon herausgebrachte Anywhere Aurora.