Fliegeruhrentest – Teil 2

Flieger-Chronographen im Test

Nach den Dreizeigeruhren, die sich in Teil 1 des Fliegeruhrentests unter Beweis gestellt haben, gehen nun die Chronographen in die Lüfte.

Mit dabei sind Chronographen von Bell & Ross, Breitling, Damasko, Hanhart, Mühle, Revue Thommen, Stowa, Tutima und Zenith.

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Klaus Lenhart und sein Team nehmen die Stopper mit ihren Maschinen in die Lüfte. Für die drei Piloten ist es ein knapp zwanzigminütiges Trainingsprogramm aus 14 Kunstflug-Figuren, aber für die Mechanik an ihren Handgelenken bedeutet es enorme Belastung.
Bei Geschwindigkeiten bis 400 Stundenkilometern wird alles in und am Flugzeug auf bis plus acht und minus fünf »g« beschleunigt.
Die Einheit »g« bezeichnet die Beschleunigung eines Körpers. Ein »g« – also 9,81 Meter pro Quadratsekunde – erfahren alle Körper auf der Erde auch ohne Bewegung, zwei »g« herrschen beispielsweise in einem Verkehrsflugzeug und vier bis sechs in einer Achterbahn.

Klaus Lenhart und seine Teamkollegen Andreas Langer und Axel Schütte resümieren noch einmal ihre Anforderungen an eine flugtaugliche Uhr: Genau ablesbar muss sie sein, am besten mit einem Blick und auch unter schlechten Lichtverhältnissen. Schließlich kommt man in der Luft kaum dazu, lange auf die Uhr zu schauen, braucht aber zum Einschätzen von Strecken eine genaue Zeitangabe. Klaus Lenhart findet zudem eine Drehlünette hilfreich. Unterwegs in der Luft orientiert man sich an Flugplänen, die den Kurs im Minutentakt anzeigen. Um die Uhrzeit für die nächste Richtungsänderung im Blick zu behalten, dreht man am besten den Orientierungspunkt der Lünette auf sie. Auch hoher Tragekomfort ist den Piloten wichtig. Speziell Kunstflieger arbeiten im Cockpit mit Armen und Beinen und schätzen daher ein anschmiegsames Gehäuse mit einem hautfreundlichen Band.

Das Gesamturteil im Fliegeruhrentest setzt sich aus vier Teilen zusammen: den Anforderungen der Piloten, ihren Erfahrungen mit den Uhren während des Flugs, den Einschätzungen der Redaktion und ihrer Beurteilung der Gangprotokolle. Letztere erstellt die Zeitwaage vor dem Flug bei Vollaufzug und nach 24 Stunden Gangdauer. Weitere Kontrollen finden gleich bei der Landung und drei Tage nach Flug statt, jeweils bei Vollaufzug.

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Die getesteten Chronographen:

Bell & Ross: BR 03-94 Chronograph Steel

An ein Bordinstrument erinnert den Piloten Axel Schütte das Uhrenmodell Bell & Ross BR 03-94 Chronograph Steel. Mit den großen Zeigern für Stunde und Minute sieht der Chronograph mit den französischen Wurzeln wie der Fein-Grob-Höhenmesser im Cockpit seiner Maschine aus. Diesen Eindruck verstärkt das 42 auf 42 Millimeter messende Edelstahlgehäuse mit seinen vier Schrauben noch, die das Gehäuse fest verschließen. Der Gehäuseboden gibt, wie es sich für Fliegeruhren gehört, weitere Auskunft über das Modell und seine Komponenten. Große weiße Zeiger sorgen vor dem matten, schwarzen Zifferblatt für eine gute Ablesbarkeit. Das Datum ist zwischen vier und fünf Uhr integriert. Angetrieben wird der 3.700 Euro teure Stopper wird vom Automatikkaliber Eta 2894.

Breitling: Chronomat GMT

Für manchen Uhrenliebhaber ist nur sie die einzig wahre Fliegeruhr. Eine Breitling. Weniger, weil sie in ihrem Outfit dem ganz großen Klassiker entspricht, als viel mehr, weil ihr Vermarktungskonzept eng mit der Fliegerei verbunden ist und die Zeitmesser in diesem Zusammenhang als echte Instrumente gelten dürfen. So auch der Chronomat GMT.

Zur klassischen Zeitanzeige mit Stunde, Minute und kleiner Sekunde gesellen sich eine Chronographenfunktion mit Tachymeterskala, Datum sowie eine in der Fliegerei stets nützliche zweite Zeitzone mit 24-Stunden-Anzeige. Letztere Darstellung mittels weiterem Stundenzeiger aus der Mitte geht zurück auf das neue Breitling Kaliber 04, basierend auf dem vollständig im eigenen Hause entwickelten Kaliber 01. Es hält genau die gleichen Eigenschaften vor: Säulenrad-Chronograph mit vertikaler Kupplung, 70 Stunden Gangreserve und natürlich ein Chronometer-Zertifikat von der C.O.S.C. Der Chronograph von Breitling ist mit 8.160 Euro der teuerste Stopper beim Fliegeruhrentest.

Damasko: DC67 Si

Der bei Regensburg ansässige Hersteller Damasko ist ein Experte im Gehäusebau. Das Uhrenmodell DC67 Si ist aus dem Vollen gearbeitet, gehärtet, zehn Bar druckfest, unterdrucksicher und bis 80.000 A/m magnetfeldgeschützt. Zudem verfügt es über ein patentiertes Kronen- und Drückersystem. Dessen Dichtelemente aus Viton sind mit einer Dauerschmierung versehen und von höchster chemischer Beständigkeit. Gleiches trifft für den O-Ring im Vollgewinde-Schraubboden zu. Auf das weiße Zifferblatt schaut man durch ein beidseitig entspiegeltes Saphirglas. Für eine gute Ablesbarkeit – auch nachts – sorgt der komplett leuchtende Zifferblattgrund. Das Eta/Valjoux 7750 wurde von Damasko modifiziert. In der DC67 Si ist es mit einem verstärkten Federhaus und einem keramikkugelgelagerten Rotor aus eigener Herstellung versehen. Zudem sind Tag und Datum in ihre Anzeiger versetzt. Das Si in der Modellbezeichnung steht für eine im Tiefätzverfahren hergestellte Spirale auf Siliziumbasis, die unter einer Schraubenunruh schwingt. Der Fliegerchronograph von Damasko kostet 2.800 Euro.

Hanhart: Pioneer Twin Dicator

Der Pioneer Twin Dicator startet beim Fliegeruhrentest noch als Prototyp. Das neue Modell von 2011 nimmt den Stil der historischen Hanhart-Chronographen sehr authentisch auf. 1938 beginnt diese Geschichte mit dem Eindrücker Kaliber 40, der rot markiert oberhalb der Krone dicht am Bandanstoß sitzt. Ein Jahr später rückt der rote Drücker zum Stoppen nach unten.

Die Asymmetrie der beiden Bedienelemente findet sich beim Twin Dicator wieder. Der rote Drücker fungiert wie die gleichfarbige Markierung auf der Drehlünette als Markenzeichen des deutsch-schweizerischen Uhrenherstellers. Die historische Bicompax-Anzeigeform mit kleiner Sekunde und Chronographenminute wird erhalten, obwohl der Twin Dicator zusätzlich die Chronographenstunden zählt – realisiert durch einen komplexen modularen Umbau des Eta/Valjoux-7750-Kalibers, wobei die Anzeigen weit an den Rand des Zifferblattes rücken. Getragen wird der Twin Dicater am genieteten Lederband, das typisch für die alten Hanhart-Chronographen ist. Für 4.950 Euro kann man mit dem Stopper abheben.

Mühle-Glashütte: S.A.R. Flieger-Chronograph

Der S.A.R. Flieger-Chronograph von Mühle-Glashütte verbindet Taucheruhrenstil mit Fliegeruhrendesign. Die links angeordneten Drücker sind im Cockpit komfortabel, da sie den Piloten bei den Bewegungen nicht stören. Das Dreieck des Stundenzeigers kann jedoch zu Verwechslungen mit dem Orientierungsdreieck führen, vor allem nachts. Im Innern der Uhr arbeitet das Automatikkaliber MU 9408 basierend auf dem Valjoux 7750. Bei Mühle stattet man es unter anderem mit Dreiviertelplatine und Spechthals-Feinregulierung aus. Die Glashütter Uhrenmarke verlangt für den S.A.R. Flieger-Chronograph 2.695 Euro.

 

Revue Thommen: Airspeed Instrument Chronograph

Revue Thommen blickt auf eine lange Erfahrung im Uhrenbau und Bau von Flugzeuginstrumenten zurück. 1853 gegründet, baut man zunächst nur Uhren und wendet sich im Jahr 1936 der Konstruk-tion von Instrumenten für die Luftfahrt zu. Das Design klassischer Cockpitinstrumente, Höhenmesser, Borduhren und Flugdatenanzeigen spiegelt sich im Erscheinungsbild des Airspeed Instrument Chronograph wider. Auch bei schlechten Lichtverhältnissen ist der Airspeed Chronograph gut ablesbar: Für volle fünf Minuten stehen Indizes in Punktform oder als Quadrate. Dazwischen stehen strichförmige Indizes für die übrigen Minuten. Durch den Saphirglasboden kann das Automatikkaliber Valjoux 7750 – verziert mit Genfer Streifen und Perlagen – betrachtet werden. 1.950 Euro kostet der Flieger-Chronograph.

Stowa: Flieger Chrono

Schon in den 1940er Jahren des letzten Jahrhunderts hat Stowa Fliegeruhren hergestellt und gehört neben IWC und einigen wenigen anderen zu den Uhrenschmieden, die das von sich behaupten können. Diesem Erbe verpflichtet hat Jörg Schauer, der seit 1996 die Geschicke bei Stowa lenkt, eine klassische Fliegeruhr gebaut und dieses Jahr in Basel vorgestellt: den Flieger Chrono. Mit dem für diese Uhren typischen Zifferblatt einer B-Uhr (so genannte Beobachtungsuhr) versehen, ist er eine waschechte Fliegeruhr. Das klassische Design durchbricht einzig das Hilfszifferblatt für den 30-Minuten-Zähler des Chronographenmechanismus. In seiner Gestalt auf das Wesentliche reduziert, zeigt der Stowa Flieger Chrono nur Stunden und Minuten sowie gestoppte Sekunden und bis zu 30 Minuten an. Aufgrund der schnörkellosen, funktionsorientierten Gestaltung und der sorgfältig aufgebrachten Indizes ist der Flieger Chrono sehr gut abzulesen. Für genügend Vortrieb sorgt das Eta/Valjoux 7753. Die Fliegeruhr kostet 1.690 Euro.

Tutima: Grand Classic Chronograph UTC

Tutima ist einer der Fliegeruhrenhersteller: Sammler schätzen die historischen Modelle und den Chronograph 798 tragen NATO-Piloten als offizielle Ausrüstung. Der Grand Classic Chronograph UTC zeigt Stunde, Minute, Chronographensekunde und eine zweite Zeitzone zentral an. Die kleine Sekunde kreist um das rote Logo bei der Neun.

Das Automatikkaliber Eta/Valjoux 7754 sorgt im Innern der Uhr für genügend Vortrieb. Der Grand Classic Chronograph UTC bietet nur bei Tag eine gute Ablesbarkeit, denn die Leuchtmasse der Zeiger weist Unregelmäßigkeiten auf: Es fehlen die Minutenindizes und die Drei. So fällt die Orientierung bei schlechten Lichtverhältnissen schwer. 2.280 Euro kostet der Stopper von Tutima.

 

Zenith: Captain Pilot Chronograph

Der Chronograph aus der relativ neuen Captain-Linie ist die derzeit einzige Fliegeruhr bei Zenith. Und man muss schon etwas tiefer in der Geschichte kramen, um auf die der Fliegeruhr bei diesem Schweizer Hersteller zu stoßen. Aber es gibt sie. In den 1960er-Jahren baut Zenith auf speziellen Wunsch der italienischen Luftwaffe den Chronographen Cairelli. Selbst wenn der moderne Captain Pilot Chronograph an dieses Erbe anknüpfen sollte, verbindet ihn rein äußerlich ziemlich wenig mit der his¬torischen Uhr. Bis auf eines: Auf dem Zifferblatt der Cairelli befindet sich in Höhe der Drei ein Minutenzähler und in Höhe der Neun die kleine Sekunde. Der klassische Fliegeruhren-Bicompax-Aufbau also, welcher sich– optisch der Cairelli sogar ziemlich ähnlich – auf dem Captain Pilot Chronographen wieder findet. Was die Italiener einst lieben, hält der Captain Chronograph heute auf seine Weise vor. Angefangen beim zuverlässigen Manufakturkaliber über klare Zifferblattgestaltung und damit Ablesbarkeit bis hin zum klassischen, stimmigen Design. Der Zenith-Chronograph kann mit seinem einzigartigen El-Primero-Uhrwerk die Zehntelsekunde messen, die am Zifferblattrand durchgängig skaliert ist. Ebenso besitzt er als einziger in diesem Testfeld eine Telemeterskala. Diese gestattet das Ablesen von Distanzen, die sich mithilfe der Schallgeschwindigkeit errechnen lassen. Beliebtes Beispiel ist die Feststellung der Entfernung eines Gewitters durch die Kurzzeitmessung zwischen Blitz und Donner. Die 42 Millimeter große Fliegeruhr kostet 4.700 Euro.

Wie die einzelnen Chronographen im Fliegeruhrentest des UHREN-MAGAZINs abschneiden lesen Sie in der Ausgabe 10.2011, die am 23. September 2011 am Kiosk erscheint.
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