Serie Designer-Uhren, Teil 4: Bruno Belamich, Bell & Ross
Dass Gérald Genta die Royal Oak von TAG Heuer. Hier geht es zu den Interviews:
Serie Designer-Uhren, Teil 1: Mark Braun und die Nomos Metro
Serie Designer-Uhren, Teil 2: Christoph Behling und TAG Heuer
Serie Designer-Uhren, Teil 3: Alexandre Peraldi, Baume & Mercier
Die vierte Folge ist ein Interview mit Bruno Belamich, das ursprünglich im Chronos Special Uhrendesign erschienen ist. Er ist Kreativdirektor und – zusammen mit seinem Jugendfreund Carlos Rosillo – Gründer von Bell & Ross. Den Look der unverwechselbaren Uhren aus Frankreich verantwortet er.

“Das Abenteuer Bell & Ross hat im Zuge meines Diploms begonnen”, erzählt Bruno Belamich. “Während meines Studiums an einer staatlichen Hochschule für Industriedesign bin ich für ein dreimonatiges Praktikum nach Hongkong gegangen. Damals habe ich den Uhrenmarkt entdeckt. Hongkong war in den Neunzigern bereits eine Uhrenmetropole. Ich habe Marken gesehen, die ich nicht kannte – wie Sinn aus Frankfurt. Nach meiner Rückkehr habe ich Herrn Sinn kontaktiert, um ihm meine Dienste als Praktikant anzubieten. Er hat mitgespielt. So war ich zugleich Student und Praktikant. Zusammen mit meinem Freund Carlos Rosillo, der Geschäftsmann ist, habe ich begonnen, die Marke Sinn in Frankreich zu vertreiben. Daraus ist die Idee entstanden, eine eigene Marke zu gründen. Gleichzeitig habe ich mein Abschlussdiplom gemacht, bei dem ich die Gründung der Marke Bell & Ross als Diplomprojekt eingereicht habe. Das war 1994. Es war das Diplom eines Designers: Ich habe Uhrenmodelle präsentiert, Vitrinen, Verpackungen. Es ging um globales Markendesign. 1994 haben wir dann auch angefangen, Uhren von Bell & Ross zu kommerzialisieren. Ich bin direkt vom Studenten zum Unternehmenschef geworden.”
Designer-Uhren, die von der Luftfahrt inspiriert sind
Und weshalb beschäftigen Sie sich ausgerechnet mit Uhren, Herr Belamich? “Uhren waren immer meine Passion”, betont der Gestalter. “Ich bin nach wie vor von meinem Beruf und dem Universum, in dem ich arbeite, begeistert. Für einen Designer ist eine Uhr interessant, weil sie ein so komplettes Objekt ist. Es gibt die Form und es gibt die Funktion – wie bei einem Auto, bei dem es Karosserie und Motor gibt. Hinter jedem Aspekt der Uhr stehen interessante Berufe und Gesprächspartner: Fabrikanten, Techniker, Ingenieure, Geschäftsleute.”

Ein gutes Beispiel für eine typische Uhr von Bell & Ross ist der Chronograph BR 03-94 Rafale aus der Kollektion Aviation. Denn die Inspiration für das Design liegt in der Luftfahrtgeschichte und der Welt der aeronautischen Instrumente, sagt Bruno Belamich: “Unser Ausgangspunkt ist eine von einem Ingenieur entwickelte Uhr von größtmöglicher Funktionalität. Von dieser Idee aus haben wir begonnen zu träumen, zu gestalten und gleichzeitig unser Spektrum zu erweitern und uns von anderen Bereichen anregen zu lassen – wie vom Auto und von der Mode. Warum gerade aeronautische Instrumente? Bordinstrumente in Flugzeugen sind von Ingenieuren entwickelt worden – für einen Bereich, in dem kein Platz für Überflüssiges ist. Sie leisten ein Maximum in Sachen Effizienz und Ergonomie. Dies ist unsere Referenz. Was mir an der Welt der Fliegerei gefällt, ist, dass man klare Kriterien hat. Man beginnt nicht mit Carte blanche, sondern man stützt sich auf fest definierte, bewährte Kriterien. Auf diesem Skelett baut man eine Umhüllung, eine Architektur auf, die so originell wie möglich ist.”
Designer-Uhren für Kunden, die mehr wollen
“Wir arbeiten in einem Bereich, der völlig irrational ist. Der Luxus der heutigen Uhrmacherei ist irrational. Unsere Herausforderung liegt in dem großen Abstand zwischen dem Rationalen und dem Irrationalen. Schließlich ist die Marke Bell & Ross durch eine Welt inspiriert, die hyperrational und eng mit der Gebrauchsuhr verknüpft ist. Für einen Designer ist es interessant, einen rationalen Bereich mit einem irrationalen zu verbinden und hier ein Gleichgewicht zu finden.”

“Ich will Uhren machen, die für die paar Leute, die sie wegen ihrer speziellen Funktionen kaufen, komfortabel zu tragen, gut ablesbar und zuverlässig sind. Diese professionellen Nutzer machen ein Prozent meiner Kundschaft aus. Für die anderen 99 Prozent geht es um eine gute Uhr, aber vor allem um das Design und das, was diese Uhr ausstrahlt. Wir sagen nicht: Wir wollen eine Designuhr machen, sondern wir sagen: Wir wollen eine gute Uhr machen, und dann kann jeder darin sehen, was er will. Das eine Prozent professioneller Nutzer ist allerdings sehr wichtig für mich. Es ist wie mit der Formel 1 in der Automobilindustrie: Sie ist eine Referenz, die die Marke hinsichtlich ihres Nutzwerts legitimiert. Mir als Designer liegt außerdem viel an einem Design, das gut altert. Man beurteilt die Qualität eines Designs im Laufe der Zeit.” mbe